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FODN - 68/01/2018
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MENSCHEN AUS KALS
ren an Magenkrebs starb. Sepp war der
älteste von 9 Kindern und musste ab
diesem Zeitpunkt „den Mann an Hof
stellen“, denn ein Knecht war zwar für
eine kurze Zeit angestellt worden, konn-
te aber bald nicht mehr bezahlt werden.
Natürlich war es für einen Zwölfjähri-
gen nicht möglich allein einen Hof zu
führen und nebenbei noch die Schule
zu besuchen und so war es eine erste
Erleichterung als der Ziehvater seiner
Mutter es schaffte, den damaligen Bür-
germeister von Kals, Josef Bergerweiß
zu einer Vormundschaft für die junge
Frau und die 9 Kinder zu übernehmen.
Vorerst wurde der landwirtschaftliche
Betrieb soweit reduziert dass keine ei-
genen Tiere am Hof waren und Sepp die
Grundschule und später die Landwirt-
schaftsschule besuchen konnte mit dem
festen Vorsatz wieder Vieh anzukaufen
und den Hof zu sanieren, denn vor al-
lem das Wohnhaus war in einem desola-
ten Zustand und es gab keine modernen
Sanitäranlagen und auch an Dach und
Fenster herrschte Handlungsbedarf. Zu
diesem Zeitpunkt waren auch noch alle
jüngeren Geschwister am Hof und als
er und Annemarie 1980 heirateten und
eine Familie gründeten wurde auch der
Wunsch nach einem eigenen Wohnbe-
reich immer größer, allein schon auf-
grund des begrenzten Raumangebots.
Der erste Zubau war also notwendig
und die Investition dafür weit größer
als allein über die Landwirtschaft auf-
gebracht werden konnte. Und weil An-
nemarie außer einer hervorragenden
Ausbildung als Kinderkrankenschwes-
ter auch noch einen gesunden Hausver-
stand und eine Menge Mut hatte, stand
für sie der Entschluss fest, wieder in den
Beruf einzusteigen und in Innsbruck in
ihre alte Stelle auf der Neugeborenen-
Station zurückzukehren. Die drei klei-
nen Kinder, die die Familie zu diesem
Zeitpunkt bereits hatte, wurden in den
zwei Wochen die sie jeden Monat aus-
wärts arbeitete von Ihren eigenen Eltern,
der Schwiegermutter und Sepp betreut.
Irgendjemand war immer für sie da, re-
sümiert sie und „es scheint ihnen nicht
geschadet zu haben“. Und auch nach ei-
ner kurzen Karenz bei der Geburt des
vierten Kindes, Gabriel kehrte Anne-
marie bald wieder in den Berufsalltag
zurück, diesmal ins BKH Lienz.
Dass heute junge Frauen, die eine
Beziehung mit einem Landwirt einge-
gangen sind, ihren Arbeitsschwerpunkt
weiter auf ihrem bisherigen Job belassen
wollen, ist in Zeiten von Emanzipation
und Selbstbestimmung nicht weiter un-
gewöhnlich aber zur damaligen Zeit war
das äußerst selten und für viele dement-
sprechend befremdlich. Doch für sie
war es der richtige Weg, von Anfang
an wirtschaftlich und auch persönlich
auf eigenen Beinen zu stehen, denn als
Sepp am 3. April 1998 auf dem Weg zur
Arbeit bei den Kalser Bergbahnen mit
einer schweren Gehirnblutung zusam-
menbrach, half Annemarie die Selbst-
disziplin und ihre Unerschrockenheit
in dieser schweren Zeit ruhig und be-
sonnen zu bleiben und nicht in Selbst-
mitleid zu verfallen. Doch als Sepp aus
dem Koma erwachte, nach seiner Fa-
milie fragte und von Annemarie eine
heiße Suppe „verabreicht“ bekam war
bald klar, dass er Riesenglück gehabt
hatte und fortan versuchte er mit aller
Kraft wieder seine alten Fähigkeiten zu
erlangen und arbeitete sich Schritt-für-
Schritt zurück in den Alltag. Die kör-
perliche Arbeit vor allem im Wald und
auf der Alm tat ihm gut, aber er änderte
auch seinen Lebensstil und trat kürzer
wo es notwendig war.
Auch seine Mutter und die Kinder un-
terstützten ihn in dieser Zeit und führten
die Landwirtschaft, die zu dieser Zeit
noch ein Milchviehbetrieb war. 2013 bot
sich ihm die Möglichkeit das Jungvieh
eines Kalser Bauern bei sich einzustel-
len. Bis kurz vor dem ersten Abkalben
sind die Kalbinnen bei Ihm am Hof, das
Futter dafür produziert Sepp selber aus
seinen Grünland- und Almflächen (ca.
4,4 und 30 ha) und auch einen kleinen
Acker (ca. 0,55ha) mit Gerste baut er an.
Sepp war von 1992 bis 1998 ganzjäh-
rig und ist seit 2000 nur im Winter bei
den Bergbahnen beschäftigt und wenn
er in nächster Zeit in Pension geht und
auch den Hof übergeben hat will er den
Ruhestand mit seiner bereits seit 2017
pensionierten Frau genießen, aber bis
2020 wird er wohl noch die Kalbinnen-
aufzucht betreiben. Er war früher bei
der Plattlergruppe, den Schützen und
fast 40 Jahre bei der Freiwilligen Feu-
erwehr, fotografiert und wandert gerne
mit seiner Familie.
Annemarie ist in der Tiroler Bäurin-
nenorganisation im Kalser Ausschuss,
liest und wandert gerne und ist im In-
nen – und Außenbereich kreativ tätig.
Außerdem beschäftigt sie sich gerne mit
ihren beiden Enkeln und trifft Freunde.
Zusammen mit einigen Nachbarinnen
kümmert sie sich auch um die Pflege
der drei Kreuze und den Brunnen in
Großdorf.
Ich danke Sepp und Annemarie für
das Gespräch und wünsche der Fami-
lie Kunzer noch viele schöne Stunden
auf Reisen, in der schön ausgebauten
Alm im Dorfertal und daheim auf dem
Richter-Hof!
Richteralm im Dorfertal