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Dezember 2017

‘s Blatt‘l

Seite 27

Zu jeder Kapelle, jedem Bildstöckl,

Marterle oder Wegkreuz gibt es auch

mindestens eine Geschichte.

Die „Osttiroler Heimatbätter“ veröf-

fentlichten eine Zusammenfassung

derartiger Geschichten von verschie-

denen Orten, darunter auch zahl-

reiche aus Schlaiten. Darunter findet

sich auch die folgende um 1920 ver-

öffentlichte Geschichte unter dem Ti-

tel: „Das Kapellele am Lindbühel bei

Gantschach“:

Längst schon hatte der Falkner-

bauer das richtige Paarungsalter

überschritten und war desungeachtet

heute nicht weniger wählerisch, wie

in seiner Blütezeit, denn von allen

ihm bekannten Frauenzimmern stand

ihm bloß eine, die Egger Traudl, zu

Gesichte. Diese würde er gerne vom

Flecke weg geheiratet haben, wenn

er nicht auf Schwierigkeiten gesto-

ßen wäre.

Weniger seine vorgeschrittenen

Jahre, als vielmehr seine sonstigen

Eigenschaften ließen ihn in den Au-

gen des Mädchens nichts weniger

als begehrenswert erscheinen, so

gerne eine solche Verbindung ihre

Eltern auch gesehen hätten. Alles

hatte er schon versucht, ohne zum

erwünschten Ziele zu gelangen.

Da fiel ihm zu guter Letzt noch ein

brauchbarer Gedanke ein, an dessen

Verwirklichung er, trotz seiner sprich-

wörtlichen Sparsamkeit, sogleich

schritt. Auf dem nahen Lindbühel er-

baute er ein kleines Kapellchen und

ließ es der Gottesmutter weihen.

Dieser edelherzige Zug des Bau-

ern gefiel der Traudl so gut, dass sie

ihm bei seiner nächsten Werbung er-

öffnete:

„Das von dir erbaute Kapellele hat

mir erst gezeigt, dass ich dich bisher

tatsächlich verkannt habe. Hätte ich

das früher gewusst, könnten wir lan-

ge schon Mann und Weib sein. Jetzt

aber soll uns nichts mehr hindern,

das Versäumte nachzuholen!“

„Traudl! Vergelts Gott! Endlich ist

das Eis geschmolzen und habe ich

das so hart erwartete Wort vernom-

men. Wenn du ein-

verstanden bist,

können wir gleich

morgen zum Pfar-

rer gehen!“

„Mir ist‘s recht!“

meinte

zustim-

mend das Mäd-

chen.

Bis in ihr spä-

tes Greisenalter

suchten und fan-

den die beiden in

ihrem Hausheilig-

tume Trost und

Hilfe in schweren

Stunden und heu-

te, nach so vie-

len, vielen Jahren,

steht die Falkner

Lindkapelle noch

immer auf dem-

selben Platze.

Der

Erzähler

dürfte wahrschein-

lich Ignaz Ingru-

ber gewesen sein.

Der Name des

Mädchens „Traudl“

kommt in den ver-

gangenen

Jahr-

hunderten

beim

Falkner nicht vor.

Daher dürfte es

sich um eine frei

erfundene

Ge-

schichte handeln

oder der Vorname

der Frau verändert

worden sein.

Falkner Johann,

Besitzer des Falk-

nergutes,

geb.

in Schlaiten am

15.12.1815, heira-

tete im Alter von 38

Jahren Notburga

Egger vom Wurnig

in Alkus. Er starb

1889 im Alter von 74 Jahren. Notbur-

ga starb 1908 im Alter von 77 Jahren.

Sein Sohn Johann Falkner, geb. am

11.01.1861 heiratete im Alter von 42

Jahren Josefa Gander vom Untereg-

ger in Thurn. Josefa starb im Jahre

1921 im Alter von 44 Jahren. Er heira-

tete 1926 Maria Steiner vom Daberer.

Chronik

Das Kapellele am Lindbühel bei Gantschach

Bildstock „Falkner Stöckl“

beim Falknerhof in Gantschach bei HNr. 139.

In der kunsttopographischen Beschreibung des Bundesdenkmalamtes ist zu lesen:

Gemauerter Kapellenbildstock über rechteckigem Grundriss, mit brettergedecktem Satteldach und korbbogig

geschlossener, begehbarer Nische, im Giebelfeld bez. „1953“. Vergitterte Rundbogennische mit Stichkappen-

tonne, darin Figurengruppe, Pietà, Holz polychrom gefasst, H. ca. 40 cm, volkstümliche Arbeit des 19. Jhs.