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FODN - 65/01/2017

BUNT GEMISCHT

Können auf der Klarinette.

Am Abend fand dann im Kulturcenter

der Stadt Canoinhas der nächste Auf-

tritt der Großglocknerkapelle statt. Vor-

her ein kurzer Soundcheck, die üblichen

Strom- und Tonprobleme wurden um-

gehend behoben und dann wieder die

bange Frage von Eike, wie viele Besu-

cher würden wohl kommen? Es standen

Stühle für ungefähr 500 Besucher be-

reit. Bereits lange vor Beginn herrschte

ein reges Kommen und Eikes Gesicht

wurde immer entspannter. Die Stühle

reichten bei Weitem nicht aus, alle Be-

sucher zu fassen. Die Gäste, viele davon

deutschstämmig, waren überwältigt

von der Musik der Kalser, klatschten

eifrig mit und forderten lauthals Zuga-

ben. Nach dem Auftritt kamen viele Zu-

hörer auf die Bühne und baten um ein

Foto mit der Großglocknerkapelle.

Am nächsten Tag hatte Eike zu einem

musikalischen Reigen in sein Restau-

rant geladen. Dieser Abend sollte ein

besonderes Highlight werden. Unser

Gastgeber hatte all seine Freunde und

Bekannten eingeladen und in dem klei-

nen, aber feinen Saal war eine beson-

dere Atmosphäre spürbar. Hingerissen

von der schwungvollen Musik ließen es

sich die Gäste nicht nehmen und tanz-

ten den einen oder anderen alpenländi-

schen Tanz mit. Wenn die Tanzschritte

oft auch etwas ungewohnt waren, so war

die brasilianische Freude an der Musik

spürbar und heraus kam brasilianischer

Samba gepaart mit tiroler Eleganz.

Es hat sich herumgesprochen, dass da

eine österreichische Musikgruppe un-

terwegs ist und so wurde kurzfristig der

Wunsch geäußert, ob es wohl möglich

wäre, einen kleinen Auftritt in einem in

der Nähe gelegenen Seniorenheim zu

absolvieren. Selbstverständlich tat die

Gruppe den Gefallen. Es wurde ein sehr

rührender und herzlicher Auftritt. Viele

der Besucher war europäischer Abstam-

mung und etliche davon sprachen noch

ein wenig deutsch. Bei einigen Melodi-

en sah man die Wehmut und Erinnerun-

gen in den Augen der Besucher und es

floss auch die eine oder andere Träne.

Dreizehnlinden - Treze Tilias

Am nächsten Morgen fuhren wir

weiter ins ca. 300 km südlich gelegene

Dreizehnlinden - Treze Tilias, für uns

ein mit besonderer Spannung erwar-

tetes Reiseziel. Dreizehnlinden wurde

1930 von Tiroler Auswanderern gegrün-

det. Auch die gesamte Familie Hanser

vom Rantschner in Staniska mit insge-

samt 14 Personen wanderte 1934 dort-

hin aus. Erhalten hat sich bis heute bei

den tirolstämmigen Einwohnern der

Tiroler Dialekt, für unserer Ohren sehr

ursprünglich und auch sehr ungewohnt.

Von den ca. 8000 Einwohnern haben

heute noch ca. 30% Tiroler Wurzeln.

Als wir dann in Dreizehnlinden ein-

fuhren, kamen wir aus den Staunen

nicht mehr heraus: Viele Blumen an der

Ortseinfahrt, Häuser im Tiroler Baustil –

oftmals mit kleinen Glockentürmen auf

dem Dach, vorbei an der Edelweißbar

und dem Gemeindehaus, weihnachtlich

geschmückten Palmen und im Zentrum

Hotels im alpenländischen Stil.

Bis vor 35 Jahren fristete der Ort ein

kärgliches Dasein, erst mit der Anbin-

dung ans Straßennetz im Jahr 1975 er-

hielt die Gemeinde einen wirtschaftli-

chen Aufschwung. Auch die Gründung

der Molkerei Tirol durch einen Vor-

arlberger Pfarrer trug wesentlich zum

wirtschaftlichen Erfolg bei. Heute ist

die Molkerei Tirol eine der Größten in

ganz Brasilien. Das zweite Standbein

der Gemeinde Treze Tílias ist, - wie

sollte es auch anders sein - der Tou-

rismus. Standesgemäß stiegen wir im

Hotel Tirol ab, die Begrüßung erfolgte

natürlich auf tirolerisch.

Wir erkundeten uns nach den Kal-

ser Auswandererfamilie Hanser vom

Rantschner und es wurde uns ein Tref-

fen mit Theresa Moser arrangiert. Die

Mutter von Theresa war eine geborene

Hanser und wanderte 1934 nach Drei-

zehnlinden aus. Wir trafen uns dann

abends im Hotel und es herrschte sofort

eine sehr herzliche Atmosphäre. Sie lud

Toni und mich am nächsten Tag zu ihrer

Familie nach Hause ein. Wir hatten ein

sehr interessantes und ausgiebiges Ge-

spräch. Sie erzählte uns viel von ihrer

Familie und den Mühen und Plagen des

Alltags, die die Kalser Auswanderer in

Dreizehnlinden erleben mussten.

Ihre beiden Töchter sind in der Wild-

schönau verheiratet und sie war dort

auch schon öfters zu Besuch. Von ihren

noch lebenden Geschwister ist nur mehr

eine Schwester in Dreizehnlinden an-

sässig, alle anderen sind über ganz Bra-

silien verstreut, es herrscht aber noch

regelmäßiger Kontakt zwischen den

Eike Bach (4. v.r.) mit Gattin und der Großglocknerkapelle

Denkwürdiges Gastspiel im Lindenhof [Dreizehnlinden]