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FODN - 64/03/2016

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MENSCHEN IM PORTRAIT

mir gefallen, den Tod von meinem Bru-

der Kaspar im Jahr 2000 zu akzeptieren.

Damals hatte ich auch das Buch, das

ich heute zum Vorbeten benutze, noch

nicht. Ich habe viel nachgedacht und

konnte einfach nicht verstehen, warum

auch er so früh gehen musste.“ Die

Zwischenzeilen, die Thresl während

den „Gsatzlen“ des Rosenkranzes betet,

stammen zu einem Großteil aus diesem

Buch. Ich merke, wie wichtig es Thresl

ist, diese Zeilen zu beten und wie viel

Kraft sie daraus schöpft, auch wenn sie

weiß, dass das nicht allen Mitbetenden

passt. Sie erzählt mir von einem Vorfall

in der Vergangenheit, der sie noch heute

beschäftigt, fügt dann aber hinzu: „Ich

weiß ja eh, dass man es nicht allen recht

machen kann,… aber ich würde es halt

gerne.“ Auf meine Frage, ob sie eigent-

lich gerne vorbetet, antwortet sie: „Ja,

wenn es den Leuten passt, dann mache

ich es wirklich sehr gerne!“ Vorbereiten

muss sie sich aber trotz der jahrelangen

Erfahrung immer noch. „Es klingt jetzt

vielleicht komisch, aber es gab schon

viele Leute, denen ich versprechen

musste, bei ihrem Begräbnis vorzube-

ten. Dieses Versprechen habe ich schon

einige Male eingehalten.“

Angefangen hat Thresl noch zu Zei-

ten von Pfarrer Michael Bernot, der

dann von Walter Stifter abgelöst wur-

de. Seit kurzem haben wir ja nun Fer-

dinand Pittl bei uns und für Thresl hat

sich diesbezüglich schon eine Neuerung

ergeben. „Es ist sein Wunsch, dass wir

samstags vor der Abendmesse wieder

Das Hoara Haus: In diesem Haus wurden Thresl und ihre Geschwister geboren, steht heute

in dieser Form nicht mehr. Im Hintergrund sieht man das Futterhaus vom „Moa“.

den Rosenkranz beten!“ Diese Aufga-

be übernimmt sie gerne und fügt mit

einem Augenzwinkern hinzu … „Wenn

holt oans do isch zen Nochbeten!“

Was Thresl ein bisschen zum Nach-

denken bringt ist die Tatsache, dass in

den letzten Jahren die Zahl der Kirch-

gänger doch sehr rückläufig war. „Das

ist kein Vorwurf, es beschäftigt mich

nur einfach. Ich bin der Meinung, dass

man nicht genug dafür danken kann, in

einer guten Familie aufgewachsen und

gesund zu sein.“

Das abschließende Fotoshooting ge-

staltet sich dann etwas schwierig. „Ich

wollte das schon als Kind nicht!“ wehrt

sich die Interviewte. Sie stellt mir einige

tolle Bilder von früher zur Verfügung

und zu guter Letzt kann ich sie dann

doch zu einem aktuellen Foto überreden.

Liebe Thresl, ich danke dir, dass du

dir die Zeit genommen hast, mir von

deinem Leben zu berichten, ganz ohne

Vorbehalt und Heimlichkeiten. Danke

für deine offenen Worte und dafür, dass

durch den Fodn alle Kalserinnen und

Kalser, aber auch viele Gäste an der Ge-

schichte, wie sie nur ein Leben schreibt,

teilhaben dürfen!

Tante Dora beim Mähen