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FODN - 64/03/2016

MENSCHEN IM PORTRAIT

Durch Thresl‘s Fähigkeit, ihre Familie

gut zu versorgen, wird nach der Gene-

sung der Mutter die Gemeinde Kals auf

die junge Frau aufmerksam: Man suchte

eine Familienhelferin, die im Ort arbei-

ten möchte. So kommt es, dass sie mit 25

Jahren die Familienhelferinnenschule in

Innsbruck besucht. Damals dauerte die-

se Ausbildung nur ein Jahr, aber Thresl

wurde von fürchterlichem Heimweh

geplagt. Sie konnte die Ausbildung nur

beenden, weil sie wusste, dass danach

eine Arbeit in der Heimat auf sie warte-

te. Sieben Jahre lang war Thresl Famili-

enhelferin in Kals. Diese Zeit beschreibt

sie heute: „Es war eine sehr, sehr belas-

tende Arbeit. Ich bewundere alle Frauen,

die heute in diesem Beruf arbeiten und

dies bis zur Pensionierung durchhalten.

Man muss sich vorstellen, zur damali-

gen Zeit übernachtete man ja auch oft

bei den Familien und manchmal hatten

wir wirklich schlimme Fälle, die einem

selbst zu schaffen machten. Ich hatte

aber immer das Gefühl, dass auf der

Arbeit ein Segen lag. Nie ist etwas Erns-

tes passiert und egal wie aussichtslos die

Lage oft war, alle halfen zusammen, um

die Familien weiterzubringen. Und die

Dankbarkeit, die einem die Familien

immer entgegenbrachten – da zehrte ich

noch lange davon.“

Doch Thresl erkannte, dass sie diesen

Beruf unmöglich bis zu ihrer Pensionie-

rung ausüben konnte. Sie wechselte ins

Gastgewerbe, wo sie im Jugendheim am

Zettersfeld 13 Jahre lang „Mädchen für

alles“ war. Da schlägt mein – im Grun-

de noch immer dem Lienzer Talboden

recht treues – Herz höher, und Thresl

und ich kommen sogar drauf, dass sie

in dieser Zeit meinen Papa kennenge-

lernt hat, der damals Schüler war und

in den Ferien bei diversen Wegarbeiten

half. Nach dieser Zeit verbrachte sie den

Sommer 1985 auf der Moaalm in Kals

– es war der letzte, in dem es dort oben

noch keinen Strom gab. Nach dieser

Saison entdeckte sie im Osttiroler Bote

eine Anzeige: der Weißkopf Sepp, der

damals im Bergrestaurant Glockner-

blick Wirt war, sucht eine Küchenhilfe!

Sie erzählt mir, dass es gar nicht so ein-

fach war, den Sepp davon zu überzeu-

gen, dass sie die Thresl, und nicht die

Moidl (ihre Schwester, die vorher schon

dort gearbeitet hat), sei. Doch Ende gut

– alles gut, der Sepp akzeptierte zu gu-

ter Letzt die Tatsache ihrer Identität und

Thresl verbrachte erstmals den Winter

1985/86 dort. Bis zu ihrer Pensionierung

1994 blieb sie dem Betrieb treu, der

mittlerweile einen neuen Wirt hatte.

Trotz der stressigen Arbeit im Gastge-

werbe heiratete Thresl 1983 ihren Mann

Alois. „Zuerst nur standesamtlich, aber

1986 getrauten wir uns dann auch vor

den Traualtar.“ Es war das gleiche Jahr,

in dem sie ihr eigenes Haus in Großdorf

bezogen. Nach ihrer Pensionierung war

es ihr aber leider nicht vergönnt, noch

viele Jahre mit ihrem Lois zu verbrin-

gen. Am Heiligen Abend 1995 starb er

an Krebs.

Der Lois beim Mittagbrot – ein Cousin von

Thresl

Thresl‘s Oma Theresia

Tante Dora, die von ihr gepflegt wurde, als

Marketenderin

Thresl erlaubte es sich aber nicht, da-

nach in ein schwarzes Loch zu fallen.

Ihre Tante Dora, die beim Hoara lebte,

war damals schon nicht mehr sehr ge-

sund. Ein ganzes Jahr lang war sie bett-

lägerig und brauchte Pflege, bevor sie

1997 starb. Es machte Thresl nichts aus,

die Tante zu pflegen: „Sie war so ein

guter, zufriedener Mensch, dem alles

recht war. Es kam mir damals nicht als

Last vor, sie zu pflegen. Wir teilten uns

die Arbeit auf, morgens bzw. am Vor-

mittag betreute ich sie, danach übernah-

men meine Schwester Moidl und meine

Schwägerin Christl die Pflege.“ Als die

Tante dann schließlich starb, war es

ihr ein Anliegen, den Rosenkranz für

die Verstorbene selber zu beten. Wenig

später folgte ihr Bruder Sepp der Tante

nach, auch da war sie als Vorbeterin tä-

tig. „Ja… und so langsam hat sich das

dann ergeben, dass mich mehrere Leute

gefragt haben. Schon mein Vater war

früher Vorbeter in der „Petanale“, also

auch ein Vorbild für mich.“ Vor ihr hat

Anna Tinkl, „die Joch Nane“, oft vorge-

betet. Mit Mena Oberhauser vom Burg

Kerer hat Thresl dann einen Kurs im

Bildungshaus absolviert, das Buch, das

sie sich damals gekauft hat, hat sie heute

noch in reger Verwendung.

Zwischenzeitlich ratschen Thresl und

ich auch über viele andere Dinge, ich

möchte dann aber doch noch einmal

wissen, ob sie die vielen Schicksals-

schläge in ihrem Leben niemals ver-

drossen haben. „Am schwersten ist es