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onnseiten
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ummer
52 - D
ezember
2015
C
hronik
Vor 70 Jahren - 1945
Kriegsende und Kosakentragödie
Erzählung über den „Singer Peter“, einem Kosaken
Wie in den „Sonnseiten“ an-
gekündigt, gibt es zum The-
ma „Mai 1945 - Kriegsende
und Kosaken“ noch eine ganz
besondere Geschichte; näm-
lich von einem Kosaken, der
sein Leben retten konnte und
seine, ihm so noch verblie-
benen 24 Jahre in Gaimberg
verbrachte.
Zum kleinen Bauernhof, vul-
go Singer, gehört ein Feld mit
einer Schupfe „in der Wart-
sche“. Um dort hinzukom-
men, musste die Singermutter
mit ihren Kindern bei einem
Zeltlager der Kosaken vorbei.
Dort fiel ihnen besonders
auf, wie dort sozusagen „auf
der Wiese“ Brot gebacken
wurde. Auch weil die noch
leer stehende Schupfe von
den Kosaken benützt wurde,
kamen sie ins Gespräch mit
ihnen. Trotz der sprachli-
chen Probleme war es mög-
lich, einem der Kosaken zu
verstehen zu geben, dass er
zu ihnen hinauf auf den Hof
kommen könne. Er nahm
das Angebot sicherlich gerne
an, weil er so natürlich
auch verköstigt wurde. Aus
Erzählungen Anderer wissen
wir ja, dass gerade am
nahen Untergaimberg einige
Kosaken so beschäftigt und
versorgt worden sind.
Sicher wird er sich immer
wieder mit den übrigen Ko-
saken getroffen haben, war
doch bei dieser Gruppe, zu
der er gehört hatte, auch seine
Schwester mit einem Kind.
Als dann dieser schreckli-
che Tag kam, an dem alle in
der Peggetz, nahe der Drau,
zusammenkommen sollten,
wird er sicher auch dabei ge-
wesen sein. Als das Gemetzel
los ging, nachdem sie sich
wehrten, in die Waggons ge-
trieben zu werden, wird ihm
mit seinem Reitpferd wohl
die Flucht gelungen sein,
während andere den Ertrin-
kungstod in der Drau dem
qualvolleren Schicksal, der
Auslieferung an die Russen,
vorgezogen haben. Wie das
Leben seiner Schwester mit
ihrem Kind geendet hat, er-
fuhr er freilich nie. Das mach-
te ihn und die Singer-Leute
sehr traurig, hätten sie das
Kind doch so gern bei sich
gehabt. An ein solches Ende
wird die Kindesmutter wohl
nicht gedacht haben, als sie
es nicht hergeben wollte.
Die Angst, beim Singer
durch die Engländer/Briten
gefunden zu werden, steckte
anfangs tief in ihm, was der
Grund dafür war, dass er am
Abend mit seinem Pferd im
Wald verschwand. Nach und
nach hätte er sich sicherer
gefühlt und durch das zuneh-
mend bessere Deutsch auch
von seiner Familie (Frau mit
zwei Söhnen), von seiner
Heimat (ungefähr im Bereich
der heutigen Ukraine), von
Stalin und dem gehassten
Kommunismus erzählt, der
die Kosaken zu Abtrünnigen
gemacht hatte. Stundenlang
hätten sie lauschen können;
kein Wunder im wissbegie-
rigen Schulalter der Emma.
Sie war damals gerade zwölf
Jahre alt. Die Sehnsucht nach
Familie und Heimat war na-
türlich gedämpft durch die
Aussichtslosigkeit, dort noch
leben zu können.
Weil das Dasein für ihn und
seine Landsleute immer si-
cherer wurde, konnten sich
die in verschiedene Rich-
tungen „Versprengten“ nun
bei ihren sehr feierlichen
russisch-orthodoxen Gottes-
diensten in der Antoniuska-
pelle in Lienz und bei den
Gedenkfeiern am Kosaken-
friedhof treffen.
Die Emma erzählte, dass sie
den Peter, wie sie ihn nannten,
notwendig gebraucht hätten -
besonders, bevor ihr Mann
Franz auf den Hof gekommen
sei. Er wäre ein angenehmer,
feiner und besonders hilfsbe-
reiter Mensch gewesen, und
erst relativ knapp vor seinem
Sterben hätte er ins Kran-
kenhaus gebracht werden
müssen, wo er nach wenigen
Tagen - eher überraschend
- gestorben ist. Die Emma
erinnert sich noch gut daran,
wie sie ihn mit ihrer ältesten
Tochter Martina besucht und
ihm beim Essen geholfen hät-
te, was sehr nötig war. Nach
gut 24 Jahren beim vulgo Sin-
ger in Untergaimberg ist der
Kosake Pjotr Rukowitschkin
am 16. Dezember 1969 nach
dem Sterbe-Gottesdienst mit
Musik, einer Schützensalve
und einem Böllerschuss - wie
bei allen Kriegsteilnehmern
üblich - auf der Nordseite
unserer Kirche begraben wor-
den.
Bei einer Gedenkfeier am Kosakenfriedhof in Lienz - Peter
ganz links.
Fotos: privat
Pjotr Rukowitschkin
† 13.12.1969
Peter mit seinem Pferd
„Paul“ beim Pflügen.