Previous Page  41 / 68 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 41 / 68 Next Page
Page Background

41

D

ie

S

onnseiten

N

ummer

52 - D

ezember

2015

C

hronik

Die Gegend um Lienz, be-

sonders der Bereich der Li-

enzer Dolomiten, war schon

einige Jahre vor dem Beginn

des 1. Weltkrieges wiederholt

Übungsgebiet der k. & k. Ar-

mee. Trotz des Bündnisses

mit Italien galt das damalige

Königreich im Süden als der

wahrscheinlichste Kriegsgeg-

ner, was sich 1915 mit der

Kriegserklärung Italiens als

zutreffende Einschätzung he-

rausstellte.

Auch in einer Alpenver-

einszeitung wird zum Kriegs-

geschehen am Rande des heu-

tigen Osttirol geschrieben:

Vor 100 Jahren hielten Tod

und Verderben Einzug in das

friedliche Tal. Nach dem Ein-

tritt Italiens in den 1. Welt-

krieg wurde der Karnische

Kamm praktisch über Nacht

zur Frontlinie. Es entbrannte

ein erbitterter Stellungskrieg

mit einem schier unglaubli-

chen Materialaufwand und

hohen Verlusten auf beiden

Seiten. Gut drei Jahre sollte

das Leiden dauern und zahl-

reiche Soldaten fielen nicht

der Waffengewalt, sondern

in ungewöhnlich schneerei-

chen Wintern den Lawinen

zum Opfer. Diese Gescheh-

nisse sind ins gemeinsame

Bewusstsein des Tales einge-

graben, und seit vielen Jahren

bemüht man sich um Völker-

verständigung und Versöh-

nung. Ein schönes Beispiel

dafür ist das sogenannte Eu-

ropakreuz auf der „Großen

Kinigat“. Das Bild mit den

zwei Händen bei der Unter-

tilliacher Kirche ist auch ein

sehr gut passendes Symbol

der Erinnerung und Versöh-

nung.

Auch Soldaten aus unse-

rer Gemeinde fielen den

Kämpfen an der Südfront

zum Opfer. Vom gesamten

Kriegsgebiet werden am

Kriegerdenkmal für 1914

Folgende genannt (zeitlich

gereiht): Alois Baur, Gregor

Mattersberger, Bartlmä Un-

teregger, Josef Unteregger.

1915: Matthias Müller, Alois

Mattersberger, Franz Girst-

mair, Johann Wegscheider,

Johann Ortner, Peter Matters-

berger, Franz Tscharnig, Josef

Tscharnig. Die zwei zuletzt

Genannten waren Brüder,

wie die beiden Unteregger-

Soldaten, und stammten vom

ehemaligen

Tscharnighof.

Beim vulgo Leitn waren die

drei Brüder Mattersberger

daheim. Diese Tragödie (drei

Söhne innerhalb von zwei

Jahren zu verlieren), so viel

Leid zu ertragen, war sicher

ein Grund für den relativ

frühen Tod der Eltern, nach-

dem ihnen 1916 auch noch

der vierte Sohn durch diesen

Krieg genommen wurde.

Einer der glücklichen Heim-

kehrer, damals allerdings nach

Tessenberg, von wo seine El-

tern stammten, war der „Putz-

Tatte“, Josef Jeller. Bereits

1915 war er als 16-Jähriger

zur Anlage von Schützengrä-

ben in Bannberg und auf der

Leisacher Alm eingezogen

worden. Im Winter 1916/17

war er beim Bau von Wegen

zur Front im Wolayertal in

eine Lawine geraten, wobei

zwei seiner Kameraden ums

Leben kamen. Im Frühjahr

1917 folgte die Einberufung

zum 4. Regiment der Tiroler

Kaiserjäger. Er wurde dann

an so berühmt-berüchtigten

Abschnitten der Südfront wie

dem „Heldenberg“ Pasubio

eingesetzt. Dabei geriet er in

italienische Gefangenschaft,

aus der er erst im August

1919 zuerst nach Tessen-

berg zurückkehrte und zwei

Jahre später ins Elternhaus

beim Putz in Untergaimberg,

wo er als Hoferbe 1939 eine

Familie gründete. Nun war

aber schon der nächste, der 2.

Weltkrieg ausgebrochen und

die Einberufung zum Kriegs-

dienst in Oberkrain und dann

beim Volkssturm waren die

Folgen. Gottseidank konn-

te er auch aus diesem Krieg

unverletzt - aber mit einem

Ischiasleiden - zu seiner Fa-

milie heimkehren.

Wer heute gern und viel über

die EU schimpft, sollte zu-

mindest bedenken, dass es

mit der EU wohl nicht mehr

vorkommen kann und wird,

dass sich benachbarte Mit-

gliedstaaten bekämpfen. Wer

zumindest ein wenig Einblick

in diese fürchterlichen Kriege

hat (und dazu sollen auch die-

se Beiträge dienen), wird sei-

ne Kritiklust leichter bremsen

können. Übrigens könnte der

Besuch der betreffenden Aus-

stellung auf Schloss Bruck,

die nächstes Jahr fortgesetzt

wird, ein wenig als Nachhilfe

dienen.

Vor 100 Jahren - 1915

Der 1. Weltkrieg tobt

Berichte des Ortschronisten Franz Wibmer

k. & k. (kaiserlich u. könig-

lich) Truppenübung in den

Lienzer Dolomiten.

Friedenssymbol am Kirchplatz von Untertilliach.

Josef Jeller

Foto: privat

Foto: Franz Wibmer

Foto: TAP-Ausstellung Schloß Bruck