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Virgen
Aktiv
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I
Österreich vor 70 Jahren
1945 (2. Teil)
Weltgeschehen:
Am 16. Juli 1945 begann auf der
Welt ein neues Zeitalter – da zündeten
die USA nahe der Stadt Los Alamos
(New Mexico) die erste Atombombe.
Waren die Folgen dieses Versuchs
(Radioaktivität) noch zu wenig bekannt,
oder ignorierte man sie? Es gab keine
Warnung und keine Schutzmaßnahmen
für die Bevölkerung, sodass sie danach
verseuchtes Wasser trank und konta-
minierte Lebensmittel aß. Die Generäle
hatten offenbar nur an der Vernich-
tungskapazität Interesse (sie entsprach
ungefähr 21.000 Tonnen herkömm-
lichen Sprengstoffs); die von der Explo-
sion ausgelöste Druckwelle und Hitze-
entwicklung übertraf ihre Erwartungen
bei weitem.
Harry S. Truman war nach dem Tod
Roosevelts am 12. April als neuer Präsi-
dent ins Weiße Haus eingezogen. Er
hoffte, Japan durch den Einsatz dieser
neuen Waffe schneller „in die Knie“
zwingen zu können – und so fiel am
6. August die erste Atombombe auf
Hiroshima, am 9. August die zweite auf
Nagasaki (in allen weiteren Kriegen
kamen bis heute keine Nuklearwaffen
mehr zum Einsatz). Die Wirkung war
verheerend: In den beiden Städten star-
ben durch die Hitze und den Luftdruck
ca. 100.000 Menschen sofort (Hiro-
shima 70.000 bis 80.000, Nagasaki
20.000 – da explodierte die Bombe
etwas außerhalb der Stadt), ungefähr
120.000 erlagen in den folgenden Mo-
naten qualvoll der tödlichen Strahlen-
dosis, und geschätzte 230.000 wurden
bis 1950 Opfer der Langzeitschäden
(Krebs). Diese Zahl wird sich in den
folgenden Jahrzehnten noch bedeutend
erhöht haben.
Angesichts einer solchen, bislang für un-
möglich gehaltenen Katastrophe erklärte
der japanische Kaiser am 14. August
seinen Willen, den Krieg zu beenden,
worauf „unverbesserliche“ Militärs einen
Putsch versuchten. Nach dessen Nieder-
schlagung kehrte am 2. September mit
der schriftlichen Kapitulation Japans für
nur wenig mehr als ein Jahr Frieden ein
(Beginn des Indochinakriegs zwischen
Frankreich und Vietnam: November
1946, des Koreakriegs: Juni 1950).
Ab
20. november:
Nürnberger Prozesse.
In der Hauptverhandlung gegen die
„Rädelsführer“ wurden 12 der 24 Ange-
klagten zum Tod verurteilt, 3 freige-
sprochen, der Rest erhielt lebensläng-
liche oder langjährige Haftstrafen. Bis
1949 folgten zwölf weitere Prozesse mit
insgesamt 177 Beschuldigten (Minister,
Ärzte, Juristen, Generäle, Angehörige der
SS, Polizisten, Industrielle und andere
mehr).
Ein paar Ereignisse in Österreich:
9. Juli:
Endgültige Festlegung der Be-
satzungszonen (bis Oktober 1955);
Wien wurde unter den vier Siegermäch-
ten „aufgeteilt“.
11. September:
Der Alliierte Rat aner-
kannte ÖVP, SPÖ und KPÖ als demo-
kratische Parteien, wodurch den ersten
Wahlen nichts mehr im Wege stand
24. bis 26. September:
Österreichische
Länderkonferenz; die bisher nur im
Osten agierende provisorische Volksver-
tretung unter Dr. Karl Renner wurde
durch die Aufnahme von Abgeordneten
aus den westlichen Bundesländer zu
einer – ebenfalls provisorischen – ge-
samtösterreichischen Regierung
25. november:
Erste freie Nationalrats-
wahlen seit 1930 (Engelbert Dollfuß
schaltete 1933 das Parlament aus, sodass
die Wahl des Jahres 1934 nicht mehr
stattfand, Kurt Schuschnigg regierte bis
zur „Heimkehr ins Deutsche Reich“
autoritär, und Hitler ließ sowieso keine
demokratischen Wahlen zu).
Ergebnis: ÖVP 85, SPÖ 76, KPÖ 4
Mandate.
Zwei interessante Zahlen im Zusam-
menhang mit diesem Urnengang:
➢
Es gab ca. 100.000 weniger Wahlbe-
rechtigte als 1919 (nach dem Ersten
Weltkrieg)
➢
Fast zwei Drittel aller Wähler (64 %)
waren Frauen
Ursachen für beides: die vielen Toten
und Vermissten, bislang noch wenige
Heimkehrer aus der Gefangenschaft, das
Fehlen der jüdischen Bevölkerung (vor
dem Krieg ca. 200.000), sowie die Tat-
sache, dass etwa 550.000 Menschen –
vorwiegend Männer – „entnazifiziert“
wurden und nicht wählen durften.
20. Dezember:
Rücktritt der provisori-
schen Regierung, nachdem es Bundes-
kanzler Ing. Leopold Figl gelungen war,
ein dem Wahlergebnis entsprechendes
Kabinett mit Ministern aller drei ge-
nannten Parteien zu bilden. Die Bun-
desversammlung (Nationalrat und Bun-
desrat) wählte Dr. Karl Renner einstim-
mig zum Bundespräsidenten – und
damit war Österreich wieder ein demo-
kratischer Staat.
Die Vertreter der Besatzungsmächte
konnten allerdings bei jeder Regie-
rungsvorlage mitreden, Änderungen
verlangen und Beschlüsse „abwürgen“.
ÖSTERREICH VOR 70 JAHREN
Die vier
Besatzungszonen