Gemeindezeitung - page 54

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FODN - 59/01/2015
BERGE
der Wind auch stärker – Zeit das Seil
auszupacken. Simon stieg drei kurze
Längen vor, bis wir das kleine Plateau
vor der Nordwestseite des „Little Kon-
ka“ erreichten.. Drei gar nicht so leich-
te und brüchige Längen leiteten dann
auf das obere Plateau, wo es dann aber
„richtig“ losging. Anfänglich noch über
Schigelände hinaufsteigend, wurde der
Hang immer steiler bis er eine Neigung
von ca. 60° erreichte. Die Höhe machte
sich auch schon eine Weile bemerkbar,
doch Simon schien es nicht allzu viel
auszumachen und spurte fast immer vo-
ran. Einen letzten steilen überwächteten
Grat galt es noch zu überwinden und um
ca. 13:00 Uhr standen wir dann oben
auf unserem ersten chinesischen Gip-
fel, den 5928 m hohen „Little Konka“,
einfach geil! Über die Aufstiegsroute
wurde abgeseilt und am Abend waren
wir wieder beim Zelt retour. Ob es nun
eine Erstbegehung war oder nicht wird
nur vermutet, da drei Stände gefunden
werden konnten. Nach längerer Recher-
che gehören diese vermutlich einer ko-
reanischen Expedition, die etwas weiter
rechts, die Westwand erstbegangen hat
und über die einladendere Nordwestsei-
te abgeseilt ist.
Am darauffolgenden Ruhetag wurde
aber schon getüftelt, wie man am bes-
ten das eigentliche Ziel, den Pfeiler der
„Stiffler‘s Mum“ am besten angehen
sollte.
Am 23ten Oktober starteten wir dann
Richtung Hochlager, welches wir im
Kessel zwischen „Stiffler‘s Mum“, „Jazi“
und „Little Konka“, auf einer Höhe von
ca. 4950 m aufschlugen. Das Wetter
sollte für einige Tage mitspielen, aller-
dings fielen über Nacht 20 cm Schnee
und der Traum als, erste den 800 m ho-
hen Granitpfeiler der „Stiffler‘s Mum“
zu klettern schien zu platzen. 2010 hat-
ten bereits Franzosen daran probiert, al-
lerdings aber nach 8 Seillängen wegen
unglücklicher Umstände umdrehen
müssen. Wir drei Tiroler stiegen weiter
rechts als die Franzosen ein, wo uns der
Schnee nicht viel anhaben konnte, denn
nach einem Eisgully folgte eine Schnee/
Eisrampe, die in einer Rechtsschlei-
fe auf die Nordwestkante des Pfeilers
führte. Die ersten 4 Seillängen wurden
somit fixiert und ins Hochlager abge-
stiegen. „Warten wir noch eine Nacht
ab, morgen werden wir dann entschei-
den...“ dachten wir uns.
Es folgte wie erwünscht eine sternen-
klare Nacht, aber die Temperatur fiel
über Nacht auf ca. -15°C! Viel zu tief
für Kletterpatschen... Dazu kam noch,
dass der Pfeiler westseitig, bzw. die
vorgenommene Linie nordwestseitig ist.
Auch wenn der Schnee schmelzen soll-
te, würde die Sonne nur nachmittags
kletterfreundliche Bedingungen schaf-
fen können... Nach langem Überlegen
wurde für das „Abpacken“ vom Pfeiler
entschieden und das am Vortag verlegte
Fixseil entfernt. Das neue Ziel hieß nun
der noch unbestiegene Spitz zwischen
der „Stiffler‘s Mum“ und dem „Melcyr
Shan“. Am gleichen Tag wurde dann
noch zum Einstieg gespurt und die erste
Eislänge eingehängt (die ersten 6 Seil-
längen der vorgenommenen Linie wur-
den bereits 2012 vom DAV Exped Kader
erstbegangen). Am nächsten Tag hieß
es wieder früh aufstehen und nachdem
über Nacht der Wind die Spur wieder
zugeweht hatte, musste Simon bis zum
Einstieg wieder alles neu spuren. Dann
war ich an der Reihe und klettertete die
unteren steilen Eislängen, wobei die
steilste davon (ca. WI5) ziemlich dünn
war und hohl klang, was aber durch ein
paar Cams auf der Seite im Fels „ent-
schärft“ werden konnte.
Als die Sonne dann aufging, über-
nahm Simon wiederum die Führung
und 50° - 60° steiles Schnee/Eisgelände
leitete bis auf die ausgesetzte Scharte
zwischen dem „Melcyr Shan“ und den
noch unbestiegenen Spitz. Die letzten
40 Meter schauten nochmals richtig gut
aus. Sonne, kein Wind, schöner Granit
und ein noch unbestiegener Berg! Viel
mehr kann man sich als Geburtstags-
kind ja nicht wünschen, also war Daniel
an der Reihe, der souverän die 5er Län-
ge vorstieg. Die letzten 10 Meter riss
nochmal Simon kräftig über die aus-
gesetzte Kante und dann standen wir
auf dem nun erstbegangen Gipfel oben.
„Tirol Shan“, also Tiroler Spitze sollte
diese äußerst formschöne, ca. 5860 m
hohe Granitnadel genannt werden. Fo-
tos lügen nicht – richtige Freude stand
uns Jungs groß ins Gesicht geschrieben
über die wunderschöne gelungene Tour!
Nach dem Abseilen folgte dann der lan-
ge Abstieg, der bis ins Basislanger ging,
denn am Folgetag sollte es wieder stür-
men.
Dass vor der Heimreise Simon noch
eine 7c Sportklettertour namens „Mor-
tadella“ auf 4200 m kletterte und ich
noch alleine auf einen ca. 5200 m ho-
hen Gipfel stieg, soll nur noch am Ran-
de dieser erfolgreichen Expedition er-
wähnt werden...
Vittorio Messini, Simon Gietl und Daniel Tavernini
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