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Die Sonnseiten

Nummer 60 - August 2018

3

Chronik

er 62 - April 2019

fühlte sich nicht wohl und

blieb deshalb im Basislager.

Am nächsten Tag in der Früh

verschlechterte sich sein Zu-

stand rapide und es war offen-

sichtlich, dass er schwer hö-

henkrank - mit Lungenödem

- war. Diese Krankheit kann

innerhalb eines Tages zum

Tod führen, wenn der Betrof-

fene nicht in tiefere Regionen

gebracht wird. Wir hatten

Medikamente und Notfall-

sauerstoff für einen solchen

Fall in unserer Ausrüstung.

Unser Leiter Schorsch rann-

te los, um in Puente d. Inka

einen Arzt aufzutreiben und

mit einem Tragtier entge-

genzukommen. Inzwischen

bauten wir mit Holzlatten,

Reepschnüren und einem

Schlafsack eine provisorische

Trage und schleppten unse-

ren Kameraden über weglo-

ses Gelände talauswärts. Der

Notfallsauerstoff war bald

aufgebraucht und Reinhold

wurde bewusstlos. Nach ca. 9

Stunden und 20 km Wegstre-

cke kam uns Schorsch „Gott

sei Dank“ mit 2 Mulis und

einem einheimischem Helfer

entgegen. Wir verfrachteten

unseren bewusstlosen Kame-

raden auf das Muli, banden

ihn fest und der Reiter hielt

ihn von hinten fest. Da jetzt

nicht mehr alle Leute ge-

braucht wurden, marschierte

ich anschließend gleich mit

meinem Freund Harald wie-

der ins Basislager retour, wo

wir spät in der Nacht kom-

plett fertig ankamen. Weil wir

schon viele Stunden nichts

mehr zum Trinken hatten,

verbrachten wir lange Zeit

nur mit Teekochen. Die Sorge

um unseren kranken Freund

ließ uns sowieso nicht schla-

fen. Inzwischen wurde der

Patient am Beginn der Straße

auf einen wartenden Gelän-

dewagen verfrachtet und in

rasender Fahrt nach Mendoza

ins Krankenhaus gebracht,

wo er auf Grund der niedri-

gen Meereshöhe auch wieder

aus der Bewusstlosigkeit er-

wachte. Eigentlich sollte un-

sere restliche Mannschaft am

nächsten Tag wieder ins Ba-

sislager zurückkehren, aber

dazu kam es auf Grund eines

katastrophalen

Wetterstur-

zes nicht mehr. Man könnte

es damit vergleichen, wie

wenn‘s bei uns im Juni bis ins

Tal einen Meter Neuschnee

macht. Oben im Basislager auf

4.250 m begann ein Schnee-

sturm, wie wir ihn in unseren

Bergen noch nicht erlebt hat-

ten. Die Zelte verschwanden

in den Wechten und wurden

zusammengedrückt. In einer

kurzen Sturmpause gelang es

uns, ein Zelt auszugraben und

in der Hütte aufzustellen. Die

meiste Zeit verbrachten wir in

unseren Daunenschlafsäcken,

dazwischen Teekochen und

Essen auftauen. Wir wussten

zudem nicht, wie es Reinhold

ging und hatten Sorge, dass

auch einer von uns höhen-

krank werden könnte - im

Bewusstsein, dass wir auf

keine Rettung hoffen könn-

ten. Am dritten Tag ließ der

Sturm so viel nach, dass man

wenigstens aufrecht stehen

konnte und wir entschlossen

uns, den Versuch zu riskieren,

ins Tal abzusteigen. Da wir

auf Grund der Schneemas-

sen und Verwehungen in drei

Stunden keine fünfhundert

Meter weiterkamen, waren

wir heilfroh, noch einmal ins

Basislager zurückzukommen.

Nach einem weiteren Sturm-

tag begannen wir, auf die

vorhandenen Stellagenbretter

mit Draht unsere Steigeisen

zu montieren, um mit diesen

Behelfs-Schneeschuhen ei-

nen weiteren Fluchtversuch

zu starten. Am 5. Tag war

kein Schneefall mehr und der

Sturm erträglich. Mit unse-

ren Behelfsbrettern kämpften

wir uns 10 Stunden lang über

Wechten und Schneemassen

talwärts. Im Horcones-Tal

gibt es am Anfang und am

Ende einen steileren Teil und

dazwischen ca. 15 km eine

fast ebene Strecke, was den

Abstieg noch mehr erschwer-

te. Auf ca. der halben Stre-

cke haben wir campiert und

am nächsten Tag ist es uns

tatsächlich gelungen, unsere

Kameraden in Puente d. Inka

zu erreichen. Unsere Freun-

de hatten sich natürlich gro-

ße Sorgen um uns gemacht,

vor allem im Wissen, uns

nicht helfen zu können. Da

war die Erleichterung natür-

lich groß, nachdem wir den

Rückweg geschafft hatten.

Schorsch hatte inzwischen

über den Botschafter mit dem

Militär Verbindung aufge-

nommen und die wären am

nächsten Tag tatsächlich mit

zwei Hubschraubern geflo-

gen. Was wir alle nicht mit-

bekommen haben war, dass

inzwischen über eine inter-

nationale Presseagentur zu

Hause Horrormeldungen über

das Vermisstsein von Harald

und mir, von einheimischen

Suchtrupps (die es nie gege-

ben hat), schweren Erfrierun-

gen usw. im Radio verbreitet

wurden. Die Sorgen unserer

Angehörigen kann man sich

gut vorstellen. Da ein noch-

maliger Versuch wegen der

Schneemengen längere Zeit

gedauert hätte, flogen wir alle

zusammen - incl. Reinhold -

planmäßig nach Hause.

In Salzburg am Flughafen

holten uns unsere Frauen ab

und waren erstaunt und froh,

dass wir ohne Hilfe, ganz

normal aus dem Flieger stie-

gen. Unsere Ausrüstung im

Wert von ca. 150.000 Schil-

ling blieb allerdings am Berg.

Am 24. Jänner 1981 habe ich

dann mit Ossi Gassler und

Sigi Girstmair den Aconca-

gua bei besten Bedingungen,

damals in der Rekordzeit von

2 Tagen - Basislager und re-

tour - bestiegen.

Sepp Mühlmann

Harald beim 2-tägigen Rückmarsch mit Behelfsschneeschu-

hen.