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Die Sonnseiten
Nummer 60 - August 2018
Chronik
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Nummer 62 - April
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Vor 100 Jahren - 1918/1919
Chaotische Zustände nach dem 1. Weltkrieg
Berichte des Ortschronisten Franz Wibmer
(
Quelle: „Osttirol vom 1.
Weltkrieg bis zur Gegenwart“
v. Dr. Martin Kofler)
Im heutigen Osttirol (diese
Bezeichnung für unseren Be-
zirk wurde erst durch die Ab-
trennung Südtirols geläufig)
empfand man das Ende der
Monarchie und die Kriegsnie-
derlage als besonders schwe-
ren Schlag, der ein ziemli-
ches Chaos bewirkte. Als die
zurückströmenden Truppen-
massen - meist führungslos
- und zum Teil auch die Be-
völkerung Ende Oktober/An-
fang November 1918 aus Not
mit Plünderungen begannen,
setzte der Vizebürgermeister
von Lienz J. A. Rohracher
den entscheidenden Schritt:
Um das Versinken der Region
in Herrschafts- und Gesetzlo-
sigkeit zu verhindern, regte er
die Schaffung eines „Lienzer
Nationalrates“ an, der sämt-
liche Geschäfte der Bezirks-
hauptmannschaft übernahm.
Dieses Gremium hatte vor
allem die durch das Pustertal
anmarschierenden Truppen
entwaffnen zu lassen, wei-
ters Plünderungen zu ver-
hindern und den Abtransport
mit der Bahn zu organisieren.
Im Lebenmittelmagazin am
Bahnhof war z. B. eine Re-
volte mit Schießerei ausge-
brochen. Ausgeführt wurden
diese Maßnahmen von der
eigens gegründeten Lien-
zer Bürgerwehr, unterstützt
durch eine 100 Mann
starke
Kompanie
aus
Oberösterreich.
Nach dem wichtigen stabili-
sierenden Schritt der Ernen-
nung von Dr. Erich Kneußl
zum ersten Bezirkshaupt-
mann und der folgenden Nor-
malisierung der Lage löste
sich der „Lienzer National-
rat“ am 22. Februar 1919 auf.
Einen Hinweis auf die Unsi-
cherheit, wie es mit unserem
Bezirk weitergehen soll, lie-
fert z. B. die Bestrebung der
„Deutsch-freiheitlichen Par-
tei“ zum Anschluss Osttirols
mit Oberkärnten und Salz-
burg an Bayern.
Zum 1. Bezirkshauptmann
von Lienz:
In den Osttiroler Heimat-
blättern 11/12 von 2018 wird
auf acht Seiten besonders
sein Wirken für unseren Be-
zirk beschrieben, wo er 1884
geboren und mit 35 Jahren
zu unserem ersten Bezirks-
hauptmann in der neu ge-
bildeten Republik ernannt
wurde. Nachdem er 1927
für den Bauernbund in den
Nationalrat gewählt wurde,
legte er seine Funktion als
Bezirkshauptmann ruhend.
Als Nationalrat (sieben Jahre)
engagierte er sich besonders
für den Bau unseres Bezirks-
krankenhauses, in dem er das
Glasgemälde der Kapelle
stiftete. Dreimal lehnte er die
Berufung in ein Ministerium
ab, weil ihm die Arbeit in und
für Tirol wichtiger war. 1931
übersiedelte er mit der Fami-
lie nach Hall in Tirol. Wegen
seiner Nähe zur Regierung
von Kurt Schuschnigg (eben-
falls Tiroler) wurde er 1938
vom Nazi-Regime zwangs-
pensioniert.
In seinen Lebenserinnerun-
gen spielt die Zeit seines Wir-
kens in Lienz eine ganz große
Rolle, sodass er von Lienz und
dem Bezirk schrieb: „... die
ich und meine spätere Familie
in all den Jahren, die wir dort
verbrachten, so lieb gewon-
nen hatten und an die mich
Zeit meines Lebens freundli-
che Erinnerungen knüpfen.“
Dem Tiroler Fotoarchiv
(TAP) von Dr. Martin Kofler
wurden 2014 ca. 5.000 Fotos
aus seiner Sammlung überge-
ben. Eines davon (ungefähr
von 1929, also 90 Jahre alt)
zeigt die Familie des dama-
ligen
Bezirkshauptmannes
Erich Kneußl unterhalb vom
vulgo Schuster in Grafen-
dorf. Die Schiausrüstung des
älteren Sohnes lässt darauf
schließen, dass Schi in unse-
rer Gegend damals noch eine
Rarität waren und es dazupas-
sende Kleidung anscheinend
noch gar nicht gab.
Möglichst schnell wollte man die vielen Soldaten mit der
Bahn nach Kärnten loswerden.
BH Kneußl mit seiner Familie - sicherlich gehörte auch der
Wintersport in Gaimberg zu seinen „freundlichen Erinne-
rungen“.
Fotos: Ortschronik