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56 - A

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2017

Aus dem Hause Rainer erhielt ich das Gedicht einer Frau aus Leisach, die bei der Glockenweihe am 10. Juni 1922 mitgefeiert

hat. Es zeugt vom besonderen Ereignis in der damaligen Zeit, das sie dazu angespornt hat, ein langes aussagekräftiges Gedicht

zu schreiben; zu jeder der vier Glocken mit ihrer jeweils speziellen Aufgabe. Der 1. Teil, der hauptsächlich von der übrigge-

bliebenen, kleinen Glocke handelt, soll hier wiedergegeben werden:

C

hronik

vortrugen.

Nachdem die Glockenweihen

vor 95 und 50 Jahren so viel

Eifer und Begeisterung bei

der Bevölkerung hervorgeru-

fen haben, sind diese Ereig-

nisse wohl wert, in Erinne-

rung gerufen zu werden.

Auffallend in dieser Beschrei-

bung ist, dass „der hochw.

Herr Dekan die Glockenwei-

he unter Assistenz von sechs

geistlichen Herren vornahm“,

ebenso, dass „die Nußdorfer

Musik auch ihren Teil am

schönen Fest beigetragen

hat“. Der heutige Stand ist ein

anderer: Kein eigener geistli-

cher Herr für uns allein, aber

eine eigene Musikkapelle.

Es war einmal ein schmerzensvoller Sonntag,

acht Jahre war es im kommenden August.

Schön war der Tag und sonnenhellig,

doch trug er Nacht in manche Menschenbrust.

Das war im ganzen Land ein Abschiednehmen,

des Volkes junge Kraft zog in den Tod.

Der Friede schied vom alten Kaiserreiche

und Einzug hielt die lange, bitt’re Not.

Erst ging die Jugend stolz zu Sieg und Sterben,

dann kam der Männer krafterprobte Schar,

dann halbe Kinder - dann die Kirchenglocken,

geopfert auf des Vaterlands Altar.

So auch bei uns: Ein einz‘ges armes Glöcklein

sang einsam jeden Tag sein Klagelied.

Es kündete der Kirche hohe Feste und

weinte, wenn ein teures Leben schied.

Es weckte uns mit heller Morgenstimme

und rief uns stillen Feierabend zu

und neunzehnmal trug’s fernen Heldengräbern

ein letztes heimatliches Grüßen zu.

Nun ist es müd. Es hat so viel gesehen:

Viel tiefes, stumm getrag’nes Menschenleid,

viel Angst und Sorge, Müh‘, Schuld und Tränen

und über allem die Vergänglichkeit.

Drum ist es müd, drum will es stille rasten.

Nur, wenn ein Pilger heimzieht,

Will’s ihn geleiten vor des Richters Stufen,

will’s für ihn fleh’n im ersten Totenlied.

Heut‘ aber hören wir das Glöcklein jubeln

mit festesfrohem, freudenlautem Schlag.

Es grüßt die Schwestern, die’s von fern gesehen,

bräutlich gekränzt an ihrem Ehrentag.

Es ladet sie hinauf ins traute Stübchen,

wo es so himmelsnah und einsam hängt.

Sein letztes Läuten ist ein Lied des Dankes,

dass ihr ihm wieder seine Schwestern schenkt.

Das Glöcklein trug mit uns die Last des Schmerzes,

heut trägt’s mit uns der Freude Last.

wir danken dir, du teure, kleine Glocke,

dass du mit uns so treu getragen hast.

Vor 100 Jahren - 1917

Besonders schneereicher Winter

(aus den damaligen Lienzer

Nachrichten, ausgewählt für

den Osttiroler Bote von Dr.

M. Pizzinini, davon wieder

nur Auszüge)

Am 9. Jänner schneite es un-

unterbrochen, nach 12 Stun-

den stand der Schnee schon

65 cm hoch. In der Nacht

fing es gar an zu regnen,

zum Glück nicht lange. Un-

ter Blitz und Donner schnei-

te es die ganze Nacht weiter,

bis wir nach 24 Stunden, als

es aufhörte, bis 1,90 m Neu-

schnee hatten. Alle atmeten

erleichtert auf und wer konn-

te, machte sich ans Schnee-

schaufeln. Vielerorts wurde

der Weg nur ein Stück tief

ausgeschöpft und der Rest

niedergetreten. Manche pro-

bierten das Durchwaten, was

aber äußerst anstrengend war.

Leider konnten die Schnee-

pflüge, von einem oder zwei

Pferden gezogen, auch so gut

wie nichts ausrichten, weil die

Pferde im Schnee versanken.

Wo zu den Schneemauern,

die durch das Ausschöpfen

entstanden, noch der Schnee

von den abgeschöpften Dä-

chern kam, entstanden richti-

ge Schneeberge.

Folgen des starken Schnee-

falls waren auch Probleme

mit der Lebensmittelversor-

gung. Wer Milch und Brot

(über die damaligen Lebens-

mittelkarten) in der Stadt be-

sorgen wollte, kam nicht hin.

Wo noch der schon außerge-

wöhnlich reichliche Schnee

vom Dezember lag, erreichte

die Schneehöhe mehr als 2

m. Von den Gehsteigen in der

Stadt führten Schneestiegen

hinauf zu den Straßen. Die

Verbindungen zu den umlie-

genden Dörfern und in die

Täler waren unpassierbar.

Am 19. Jänner war in den

Lienzer Nachrichten von ei-

ner Schnee-Neuauflage von

ca. 30 cm zu lesen und dass

aus dem ganzen Pustertal

Schneeschaufler (nach dem

Kriegsdienstleistungsgesetz)

eingetroffen wären, um die

hiesigen Schneeschaufler zu

unterstützen.

Am 23. Jänner lautete eine

Überschrift: Schon die 4.

Woche - Schneeschaufeln

ohne Ende; und weiter: Das

Ausschöpfen der Wege ist

noch nicht beendet, aber die

Hauptarbeit ist jetzt das Ab-

schöpfen der Dächer. Sollte

noch Schnee oder gar Regen

dazukommen, wäre die Ge-

fahr des Eindrückens der Dä-

cher unheimlich groß.

2. Februar: Eine große Kälte

(12 - 14 Grad) erzwang zwei