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56 - A
pril
2017
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hronik
Flugzeugrätsel aus dem 2. Weltkrieg
zum großen Teil noch ungelöst
Zeitzeugen berichten vom
Absturz einer „Messersch-
mitt 109“ während des 2.
Weltkrieges in Debant. Nach
dem Fund von Kleinteilen
des Flugzeugs erfolgte eine
geomagnetische Sondierung.
Nun kennt man die exakte
Einschlagstelle.
Der Lienzer Roland Domanig
befasst sich seit 1998 mit Flie-
gerschicksalen auf deutscher
und alliierter Seite in Osttirol.
Er recherchierte etliche Fälle.
Als er 2013 eine Notlandung
in Debant erforschte, mel-
deten sich auch Zeitzeugen,
die 1944 ein anderes Ereignis
nahe Lienz beobachtet hatten.
Simon Santner und Engel-
bert Kofler waren die ersten,
die von einem Flugzeugab-
sturz in Debant während
der Kriegszeit erzählten.
In der Folge bestätigten
Silvester
Lindsberger,
Stefanie Egger und Balthasar
Unterguggenberger
den
Vorfall und schärften mit
weiteren Informationen den
Blick auf das Geschehnis. Zur
Aufschlagstelle gab es vage
Angaben. Der Fallschirm-
Absprung des Piloten war
beobachtet worden. Auch
der bekannte, im Jahr 2014
verstorbene Lienzer Künstler
Hermann Pedit wusste von
einem Absturz im Raum
Lienz zu erzählen.
„Zu diesem Fall gibt es bis-
her noch fünf lebende Zeit-
zeugen“, berichtet Domanig.
Der frühere HAK-Lehrer
holte sich die Erlaubnis des
Grundbesitzers ein, mittels
Metall-Detektor zu suchen.
Bei Begehungen tauchten
oberflächlich
metallische
Kleinteile auf - darunter jenes
Relikt, das nach Recherchen
im Internet den entschei-
denden Fingerzeig lieferte:
die Abdeckkappe einer In-
strumentenlampe aus dem
Cockpit einer Messerschmitt
109. „Das war ein sensatio-
neller Fund, der auf den Flie-
gertyp hinwies“, freut sich
Domanig.
Dem spannenden Thema
angenommen hat sich der
Maturant Simon Stadler, der
derzeit darüber am Privaten
Oberstufenrealgymnasium
Volders seine vorwissen-
schaftliche Arbeit schreibt. Er
versucht, die Absturzursache
der Maschine und das Schick-
sal des Piloten zu recherchie-
ren und rekonstruieren. Fest
steht, dass in der Lienzer
Polizeichronik kein Eintrag
über diesen Absturz vorliegt.
„Der historische Hintergrund
ist wohl, dass ein deutscher
Jagdflieger nicht abstürzt“,
betont Simon Stadler. „Die
Propaganda vertuschte der-
artige Verlustmeldungen und
wertete diese nur als Über-
stellungsflug an einzelne
leider unbekannte Jagdge-
schwader“.
Es bleibt die Frage nach
Fundstücken des Absturzflie-
gers in der Tiefe des Bodens -
und hier kam die Archäologie
ins Spiel. Wissenschaftlich
ins Visier nahm die Causa
Simons Vater Harald Stadler
vom Institut für Archäologien
der Universität Innsbruck.
Dieser befasst sich unter an-
derem mit einem interdiszi-
plinären Team seit 2002 mit
der Notlandung einer deut-
schen Transportmaschine des
Typs Junkers Ju-52 auf dem
Umbalkees in Prägraten.
Harald Stadler gelang es, Mit-
tel für eine geomagnetische
Sondierung des in den Fokus
des Interesses gerückten Bo-
denareals in Nußdorf/Debant
aufzutreiben. Davor wurde
das Denkmalamt ins Boot
geholt, da es sich bei einem
alten Fliegerwrack per Defi-
nition um ein Bodendenkmal
handelt.
Die Magnetometer-Prospek-
tion erfolgte bereits - mit Er-
folg: „Vermutlich wurden der
Motorblock und das Leitwerk
lokalisiert. Man kennt nun die
Einschlagstelle und könnte
zielpunktgenau ausgraben“,
erklärt Harald Stadler. Der
Beweis, dass ein Absturz
stattfand, sei damit erbracht.
Das geheimnisvolle Rätsel
um den Piloten und seinen
einstigen Auftrag könnte
nun bestenfalls über eine
Ausgrabung und den Fund
von Unterlagen im Cockpit
gelöst werden. Hierfür muss
allerdings noch die Erlaub-
nis eingeholt und die Finan-
zierung aufgestellt werden.
Inzwischen wird versucht, in
Archiven fündig zu werden
und bei der Recherche noch
auf zusätzliche spannende
Hinweise zu stoßen.
Gesucht werden aber auch
noch weitere Zeitzeugen, die
im Jahr 1944 im besagten
Bereich Beobachtungen ge-
macht haben. Wer damals
etwas wahrgenommen hat,
das mit diesem noch unge-
lösten Fall in Zusammen-
hang stehen könnte, möge
bitte mit Roland Domanig
unter der Telefonnummer
0676/3869065 Kontakt auf-
nehmen.
P. S.: Vielleicht gibt es in
unserer Gemeinde den einen
oder andern, dem die Ereig-
nisse in den späten Kriegs-
jahren noch geläufig sind.
Es könnte sich dabei um
Personen bis zum Jahrgang
1935/36 handeln, deren Wis-
sen für Domanigs Forschung
von Bedeutung ist.
E
lisabeth
K
launzer
Aktualisierter Bericht nach Mag. Klaudia Funder, Tiroler Tageszeitung vom 19. Dezember 2016
Im Bereich der vermuteten Absturzstelle - Karl Wurzer
(Chronist Volders), Lambert Grünauer, Jakob Pfnorr, Anton
Stotter (Grundbesitzer) und Roland Domanig.
Fotos: privat
Kleinfunde aus Aluminium