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Gemeindezeitung Kartitsch
November 2014
und fand wieder zu seiner Truppe
zurück. Nach kurzem Urlaub kam
er nochmals nach Galizien und
wenig später an die Kriegsfront
nach Italien, wo er am 2. Juni
1916 gefallen ist.
Zu erwähnen sind auch die vielen
und schweren
Verwundungen
und
Kriegserkrankungen
infolge
Klima, Hunger und Entbehrung,
besonders grassierte die Ruhr.
Dazu kamen viele durch Kriegs-
traumas
psychisch Erkrankte
, für
die es damals noch kaum Hilfe
gab. Für viele andere Kriegsver-
wundete sei hier
Johann Walder
von
Hofer
in St. Oswald, im Dorf
„Klamper Hans“
genannt. Vol-
ler Witz und Humor zog er in den
Krieg, beim Sturm auf die Migi-
ärahöhen in Galizien machte ihn
ein schwerer Kniedurchschuss
zum Kriegskrüppel, als Schwer-
invalide kam er nach Weihnach-
ten 1914 heim.
Verharmlosung des
Kriegsgeschehens
Daheim erfuhr man von den
Gräueln der russischen und serbi-
schen Kriegfront kaum die Wahr-
heit. Längst waren
Presse
und
Feldpost-
Briefverkehr
str eng
zensuriert
und die offizielle
Kriegsberichterstattung
war
wie immer nach Erfolgsmeldun-
gen ausgerichtet. Die zensurier-
ten Spalten der Zeitungen blie-
ben leer und im Postverkehr
wurden
zensurierte
Zeilen
schwarz gefärbt.
Hass
und
Kriegshetze
wur de als wichti-
ger Kriegsbeitrag unvermindert
betrieben. Das las sich dann wie
in nachstehendem
Ortsbericht
des
Tiroler Volksbote
vom 1. Jänner
1915:
„
Kartitsch:
Ein
Krieger aus Kar-
titsch, Pustertal
schreibt aus Gali-
zien am 9. Dezem-
ber 1914.
Liebe Gattin!
Wir kämpfen jetzt
furchtbar um unser
liebes Vaterland.
Hoffen auch, dass
wir den Sieg davon tragen und
auch ein paar Russen zu Weih-
nachten schicken können. Die
Russen lassen sich jetzt fangen
wie die Mäuse, denn sie haben
mehr kalt als wir, und wie mir
scheint, halten sie es doch nicht
mehr lange aus. In unserer
Front haben wir jetzt tadellose
Truppen, Kaiserjäger, 14. und
59. Infanterieregiment, 2 Regi-
menter Schützen. So hoffen wir,
daß wir bald ein Ende machen
und diese Grauwutzel aus unse-
rem Lande schaffen, daß wir
doch mit Gottes Hilfe
können gesund nach
Hause gehen. Wetter
haben wir ganz ein
gutes, es ist halt sehr
kalt, wir haben schon
10 bis 12 Grad Kälte
gehabt und da ist es
nicht fein, Tag und
Nacht im Freien.. Bitt
Euch, die Weih-
nachtstage ein gutes Vaterunser
zu beten, denn das ist die Waffe,
sonst ist der Mensch nichts. Ge-
liebte Maria, ich habe schon
vielleicht
hundertmal
ganz
furchtbar großes Glück gehabt.
Unsere 11. Kompanie war 300
Mann stark und jetzt sind noch
22 davon kampffähig. Mit Gruß
an alle, besonders an Dich. S.
R.“
In diesen Herbsttagen von 1914
zerbrach an der russischen Front
in Galizien das Heer Tirols, der
Stolz des Landes an einen Feind,
der von den k.u.k. Militärs völlig
falsch eingeschätzt wurde, der in
moderner Kriegführung strate-
gisch und taktisch überlegen und
auch zahlenmäßig größer war
sowie besser aufgerüstet hatte.
Hier zeigte sich bereits der Fluch
des industriellen Krieges, für den
die Technik des Tötens dauernd
raffinierter entwickelt wurde. Die
Verantwortlichen
Österreich/
Ungarns wollten diesen Krieg,
für den sie technisch nicht gerüs-
tet waren. Allein die vier Tiroler
Regimenter verloren in den ers-
ten Monaten 9.700 Mann, ganz
Österreich Ungarn hatte im ers-
ten Kriegssommer weit über
250.000 Tote und Verwundete zu
beklagen, und mehr als 100.000
Österreicher gerieten in die grau-
enhafte russische Gefangen-
schaft.
Ein Krieg gegen Italien wurde
immer wahrscheinlicher!
Ludwig Wiedemayr
Postkarte vom Zgf. Josef Walder, an seine Schwester,
wenige Wochen später wurde er schwer verwundet.
Zensurierte Feldpostkarte