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Seite 39

Gemeindezeitung Kartitsch

November 2014

und fand wieder zu seiner Truppe

zurück. Nach kurzem Urlaub kam

er nochmals nach Galizien und

wenig später an die Kriegsfront

nach Italien, wo er am 2. Juni

1916 gefallen ist.

Zu erwähnen sind auch die vielen

und schweren

Verwundungen

und

Kriegserkrankungen

infolge

Klima, Hunger und Entbehrung,

besonders grassierte die Ruhr.

Dazu kamen viele durch Kriegs-

traumas

psychisch Erkrankte

, für

die es damals noch kaum Hilfe

gab. Für viele andere Kriegsver-

wundete sei hier

Johann Walder

von

Hofer

in St. Oswald, im Dorf

„Klamper Hans“

genannt. Vol-

ler Witz und Humor zog er in den

Krieg, beim Sturm auf die Migi-

ärahöhen in Galizien machte ihn

ein schwerer Kniedurchschuss

zum Kriegskrüppel, als Schwer-

invalide kam er nach Weihnach-

ten 1914 heim.

Verharmlosung des

Kriegsgeschehens

Daheim erfuhr man von den

Gräueln der russischen und serbi-

schen Kriegfront kaum die Wahr-

heit. Längst waren

Presse

und

Feldpost-

Briefverkehr

str eng

zensuriert

und die offizielle

Kriegsberichterstattung

war

wie immer nach Erfolgsmeldun-

gen ausgerichtet. Die zensurier-

ten Spalten der Zeitungen blie-

ben leer und im Postverkehr

wurden

zensurierte

Zeilen

schwarz gefärbt.

Hass

und

Kriegshetze

wur de als wichti-

ger Kriegsbeitrag unvermindert

betrieben. Das las sich dann wie

in nachstehendem

Ortsbericht

des

Tiroler Volksbote

vom 1. Jänner

1915:

Kartitsch:

Ein

Krieger aus Kar-

titsch, Pustertal

schreibt aus Gali-

zien am 9. Dezem-

ber 1914.

Liebe Gattin!

Wir kämpfen jetzt

furchtbar um unser

liebes Vaterland.

Hoffen auch, dass

wir den Sieg davon tragen und

auch ein paar Russen zu Weih-

nachten schicken können. Die

Russen lassen sich jetzt fangen

wie die Mäuse, denn sie haben

mehr kalt als wir, und wie mir

scheint, halten sie es doch nicht

mehr lange aus. In unserer

Front haben wir jetzt tadellose

Truppen, Kaiserjäger, 14. und

59. Infanterieregiment, 2 Regi-

menter Schützen. So hoffen wir,

daß wir bald ein Ende machen

und diese Grauwutzel aus unse-

rem Lande schaffen, daß wir

doch mit Gottes Hilfe

können gesund nach

Hause gehen. Wetter

haben wir ganz ein

gutes, es ist halt sehr

kalt, wir haben schon

10 bis 12 Grad Kälte

gehabt und da ist es

nicht fein, Tag und

Nacht im Freien.. Bitt

Euch, die Weih-

nachtstage ein gutes Vaterunser

zu beten, denn das ist die Waffe,

sonst ist der Mensch nichts. Ge-

liebte Maria, ich habe schon

vielleicht

hundertmal

ganz

furchtbar großes Glück gehabt.

Unsere 11. Kompanie war 300

Mann stark und jetzt sind noch

22 davon kampffähig. Mit Gruß

an alle, besonders an Dich. S.

R.“

In diesen Herbsttagen von 1914

zerbrach an der russischen Front

in Galizien das Heer Tirols, der

Stolz des Landes an einen Feind,

der von den k.u.k. Militärs völlig

falsch eingeschätzt wurde, der in

moderner Kriegführung strate-

gisch und taktisch überlegen und

auch zahlenmäßig größer war

sowie besser aufgerüstet hatte.

Hier zeigte sich bereits der Fluch

des industriellen Krieges, für den

die Technik des Tötens dauernd

raffinierter entwickelt wurde. Die

Verantwortlichen

Österreich/

Ungarns wollten diesen Krieg,

für den sie technisch nicht gerüs-

tet waren. Allein die vier Tiroler

Regimenter verloren in den ers-

ten Monaten 9.700 Mann, ganz

Österreich Ungarn hatte im ers-

ten Kriegssommer weit über

250.000 Tote und Verwundete zu

beklagen, und mehr als 100.000

Österreicher gerieten in die grau-

enhafte russische Gefangen-

schaft.

Ein Krieg gegen Italien wurde

immer wahrscheinlicher!

Ludwig Wiedemayr

Postkarte vom Zgf. Josef Walder, an seine Schwester,

wenige Wochen später wurde er schwer verwundet.

Zensurierte Feldpostkarte