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Virgen
Aktiv
Archäologische Funde
I
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Friedhofserweiterung Virgen – Archäologische Funde
Ein archäologisches Fenster
in die Geschichte Virgens
Die archäologischen Untersuchungen
auf dem Grundstück nördlich der Pfarr-
kirche St. Virgil, das für die Erweiterung
des Friedhofs vorgesehen ist, brachten
unerwartete Ergebnisse für die Mittel-
alterforschung, aber auch für die Ge-
schichte des Ortes Virgen selbst.
Die aufgrund der Nähe zur Kirche er-
warteten Bestattungen aus früheren
Phasen der Dorfgeschichte – der erste
Pfarrer wird immerhin schon am Ende
des 12. Jahrhunderts erwähnt – blieben
aus, stattdessen konnten die Reste einer
viel älteren Siedlung erkannt und stel-
lenweise untersucht werden.
Aufgrund der Funde aus den einzelnen
Schichten kann die Siedlung auf dem Areal
des heutigen Virgen vorerst in die Zeit von
ca. 400 n. Chr., der sogenannten Spätan-
tike bis ins 9./10. Jahrhundert, dem frühen
Mittelalter datiert werden. Spuren einfa-
cher Häuser und Hütten aus Holz wurden
in mehreren Schichten aufgedeckt und do-
kumentiert. Zwei Feuerstellen sowie Stein-
legungen bezeichnen die Stellen, an denen
sich ursprünglich Gebäude befanden.
Neben den üblichen Fundstücken aus Sied-
lungen, wie Fragmenten von verzierten Ke-
ramikgefäßen, Knochen und einigen klei-
nen Metallgegenständen fand sich auch ein
Ohrring aus Bronze, der mit Einlagen aus
buntem Glasfluss verziert ist. Diese Ohr-
ringe waren bislang nur aus Gräbern als
Beigabe für die Bestatteten bekannt und
sind etwa 1.100 bis 1.200 Jahre alt. Als
ältester Gegenstand kam den Archäologen
eine spätrömische Münze vor die Kelle, die
aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. stammt.
Blick von oben auf die Ausgrabungen hinter der Pfarrkirche.
7
Früh-
mittel-
alter-
liche
Keramik
frag-
mente
7. bis
10. Jh.
n. Chr.
1
Ohr-
ring aus
Bronze
mit
Emaille-
einlagen
9./10. Jh.
n. Chr.
Einen wichtigen Fingerzeig auf die wirt-
schaftlichen Grundlagen des alten Dor-
fes stellt der Fund einer nicht unerheb-
lichen Menge von Verhüttungsschlacken
dar, die auf die Verarbeitung von Metall
innerhalb der Siedlung hinweist und da-
durch indirekt auch auf den bergmänni-
schen Abbau der begehrten Rohstoffe,
wie Eisen- und Kupfererze.
Siedlungen des frühen Mittelalters gab es
zwar allenthalben, die bis heute entdeckten
Gräberfelder dieser Zeitstufe belegen das,
allerdings konnten in Tirol bislang nur
sehr selten Spuren solcher Ansiedlungen
beobachtet werden. Zu unscheinbar sind
deren Reste und zu oft lagen sie an Stellen,
die auch heute noch als ideale Siedlungs-
plätze immer neu überbaut werden. Daher
kann das frühmittelalterliche Dorf durch-
aus als eine archäologische Rarität gelten.
Erstaunlich ist auch die Tatsache, dass
ein Platz mitten im Herzen Virgens über
mehr als ein Jahrtausend lang nicht neu
bebaut wurde und sich so die Informa-
tionen über die Vorfahren der heutigen
Virger erhalten konnten.
Zwar werden die meisten Siedlungsreste
durch die Friedhofserweiterung zerstört,
allerdings kann zumindest ein kleiner
Teil im südöstlichen Eck des Areals
durch eine Planänderung erhalten und
die darin gespeicherten Informationen
über unsere Ahnen zukünftigen Gene-
rationen überliefert werden.
Dr. Thomas Tischer, Ausgrabungsleiter