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Seite 49

A

LLGEMEIN

Gespräch mit dem Hohen Repräsentanten der UN, Valentin Inzko.

Abschreiten der Front mit Innen- und Verteidigungsminister vor

einem gemeinsamen Vorhaben.

Einer der vielen Kontakte mit Kommandanten der bosnischen

Streitkräfte.

liegt bei durchschnittlich 350 Euro. Geblieben ist auch eine weit

verbreitete Korruption, insbesondere in den politischen Eliten,

und eine noch nicht erkennbar angesprungene Wirtschaft. 3,5 %

Wirtschaftswachstum sind zu wenig, um den Lebensstandard der

Bevölkerung spürbar anzuheben. 80 % der Jugendlichen würden

das Land heute verlassen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten.

Das ist keine gute Perspektive für die Zukunft eines Landes.

Der Kommandant der EUFOR-Truppe zu sein, stellt einerseits

Auszeichnung, andererseits hohe Verantwortung dar. Dass die

Funktion Kommandant ausgerechnet an einen Österreicher ver-

geben wird, ist der erworbenen Reputation der Bundesheerkon-

tingente im Balkaneinsatz und der realen österreichischen der-

zeitigen Truppenstärke zu verdanken. Österreich ist mit durch-

schnittlich 260 Soldaten der stärkste Truppensteller und stellt we-

sentliche Elemente wie Sanitätsversorgung und Hubschrauber.

Zu den Aufgaben gehören, neben der militärischen Führung der

aus 19 Nationen gestellten EUFOR-Truppe, die ständige Koor-

dinierung der anderen sicherheitsrelevanten Institutionen, der

EU-Delegation, dem Hohen Repräsentanten der Vereinten Natio-

nen, der OSZE sowie dem Sicherheitsminister und dem Verteidi-

gungsminister Bosnien-Herzegowinas.

Die regelmäßig durchgeführten Treffen mit Politikern und religi-

ösen Führern sind besonders wertvoll, um Stimmungen in der Be-

völkerung zu erkennen, aufzunehmen und in die militärische Be-

urteilung einfließen zu lassen. Die Anlage und Durchführung gro-

ßer einsatzrelevanter Übungen mit nationalen und internationalen

Organisationen ist ebenso Bestandteil des Aufgabenspektrums wie

die Dienstaufsicht bei allen Truppenteilen von EUFOR.

Die Erkenntnisse Generalmajor Waldners sind:

1. Die Bosnier aller drei Völker scheinen in wachsender Anzahl

nicht mehr so recht an die eigene Zukunft als Staat zu glauben.

Sie sehen, dass nach jeder Wahl dieselben Politiker, die sich viel-

fach gegenseitig paralysieren, wieder an der Macht sind, oft nur

an die eigenen Interessen denken und es bis dato nicht geschafft

haben, Anreize zu schaffen, den Lebensstandard der Bevölke-

rung zu heben oder auch nur fremde Investoren anzulocken.

Zunehmend kommt es vor, dass Familien einfach ihr Eigentum

hier verkaufen und versuchen, irgendwo im Westen eine neue

Existenz aufzubauen. Die Arbeitslosigkeit – über 50 % bei Ju-

gendlichen – lässt viele darüber nachdenken, andere Wege zu ge-

hen. Der Zulauf zum Islamischen Staat war jedenfalls überpro-

portional hoch: Mehrere Hundert kämpften in Syrien oder dem

Irak für den IS, potentielle Rückkehrer stellen ein erhebliches

Sicherheitsrisiko dar.

2. Investoren werden nur angelockt, wenn Stabilität und Recht

herrschen. Stabilität im Gesamtraum „Westbalkan” herrscht noch

nicht. Recht herrscht auch noch nicht. Wenn die Polizei Fälle ge-

richtsfertig aufbereitet hat, kommt oft der Anruf, es nicht weiter

zu verfolgen. Beweismittel verschwinden vielfach. Investoren

warten bis Bosnien Mitglied der EU ist, immerhin ist das das er-

klärte Ziel aller drei Völker. Auch die Politiker tragen dieses Ziel

mit, aber nur in ihren Äußerungen. An ihren Taten erkennt man

das nicht, sie wollen nur eines, ihre persönliche Machtbasis er-

halten. Sie wissen, wenn europäische rechtsstaatliche Standards

bei ihnen erst einmal installiert sind, wären die meisten von ih-

nen im Gefängnis. So haben sie keine Eile mit dem EU-Beitritt.

3. Die EUFOR-Truppe ist zu einem erstaunlichen Ausmaß

ein eingeschworenes und eingespieltes Team geworden, eine

große Familie. Spannungen zwischen Nationen sind auch im

Ansatz nicht zu erkennen. Jeder hilft jedem, alle Truppen- und

Stabsangehörigen sprechen mittlerweile Englisch in einer Quali-

tät, die Missverständnisse nahezu ausschließen.

4. EUFOR hat von allen Organisationen die größten Planungska-

pazitäten und besten Aufklärungsmittel und ist daher in den aller-

meisten Fällen rechtzeitig für denkbare Eventualitäten gewapp-

net. In den 12 Monaten gab es keine nennenswerten Entwick-

lungen oder sicherheitsrelevante Ereignisse, die EUFOR nicht

vorausgesehen hat. Lageangepasste Reaktion – eigentlich mehr

aktive Pro-Aktion – war im Vorhinein daher stets möglich. Die

Bandbreite der Beurteilungen ist hoch. Zwei Beispiele: Die Aus-

wirkungen eines möglichen Ausweichens des Flüchtlingsstroms