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Seite 48

A

LLGEMEIN

Zwischen 1992 und 1995 wurde in Bosnien-Herzegowina der

längste, grausamste und verlustreichste aller Balkankriege der

90er-Jahre geführt, 104.000 Menschen starben, 1,4 Millionen

Menschen wurden vertrieben. Nachdem bei Srebrenica die Tö-

tung von 8.000 muslimischen Männern und Buben bekannt

wurde, konnte die internationale Gemeinschaft nicht länger zu-

sehen und griff massiv ein. Die Konfliktparteien wurden an den

Verhandlungstisch gezwungen, der Vertrag von Dayton (Ver-

handlungsort in den USA) wollte vor allem eines: die zu diesem

Zeitpunkt noch kämpfenden Konfliktparteien trennen. Dayton

hat perfekt funktioniert: Die drei Völker sind heute perfekt ge-

trennt, finden kaum Wege mehr zueinander. Der Dayton-Vertrag

beinhaltet auch die Verfassung des Staates, ursprünglich war ge-

dacht, den Vertrag – der ja nur ein Waffenstillstand ist – nach

zwei Jahren durch eine moderne Verfassung zu ersetzen, dazu

kam es jedoch nie. So ist der Staatsaufbau irrsinnig komplex,

nachdem alles dreimal abgebildet werden muss. So gibt es insge-

samt 140 Ministerien, jeder kann alles blockieren, die Selbstfes-

selung ist System. Wirkliche Reformen finden in diesem System

so gut wie nicht statt.

In Bosnien-Herzegowina lebten seit Jahrhunderten drei Völ-

ker meist friedlich zusammen: Bosniaken (Moslems) mit 51 %

die stärkste Bevölkerungsgruppe, Serben (serbisch-orthodoxen

Glaubensbekenntnisses) mit 31 % Bevölkerungsanteil und die

Kroaten (katholisch) mit 15 % Bevölkerungsanteil. Der Rest ent-

fällt auf Roma und Juden. Die drei Völker haben unterschied-

liche Ziele: Während die Bosniaken einen starken Zentralstaat

wollen, präferieren die Serben eine maximale Selbständigkeit bis

hin zur Unabhängigkeit. Die Kroaten, denen von Kroatien bereits

die kroatische Staatsbürgerschaft verliehen wurde und die daher

das Land in großer Anzahl verlassen, da sie in Mitteleuropa le-

gal arbeiten können, wollen mehr Ausgleich zwischen den drei

Völkern.

Ein Jahr Einsatz als Kommandant

der multinationalen EUFOR-Truppen

in Bosnien-Herzegowina

Ein Jahr lang, von März 2017 bis

März 2018 hat Generalmajor Mag.

Anton Waldner, gebürtiger Ost-

tiroler aus Thurn, seinen Dienst

als Kommandant der multinatio-

nalen EU-Truppe in Bosnien EU-

FOR (EUROPEAN FORCE) in Sa-

rajevo versehen. Die knapp 800

Mann starke, aus 19 Nationen zu-

sammengesetzte Truppe ist seit

1996 für ein „sicheres Umfeld” in

Bosnien verantwortlich.

Mit dem Stab des Kommandos EUFOR

vor dem Hauptquartier in Sarajevo.

Anton Waldner, Nachbar unseres Bürgermeisters, hat beim Militär eine äußerst interessante Laufbahn bestritten

und wurde am 11. Juli 2018 zum Militärkommandanten von Salzburg bestellt. Dazu gratulieren wir Anton ganz

herzlich und wünschen ihm in dieser verantwortungsvollen Aufgabe alles Gute und viel Erfolg. Wir haben ihn

gebeten, uns aus seinem spannenden Berufsleben zu berichten.

Bereits im zweiten Weltkrieg kam es unter dem Vorwand des

Kampfes gegen die Deutsche Wehrmacht zu massiven Gräuel-

taten zwischen den Völkern. In Titos Jugoslawien wurden die

ethnische Zugehörigkeit und die Religion einfach ausgeblendet,

alle waren eben bloß Jugoslawen, also „Südslawen“.

Im Krieg in den 90er-Jahren wurden tiefe, bis heute unverheilte

Wunden erneut aufgerissen. Als Folge davon hat eine wirkliche

Aussöhnung zwischen den Völkern nicht in dem Ausmaß statt-

gefunden, dass ein Abzug der über die Jahre ohnehin stark re-

duzierten EUFOR-Truppe ins Auge gefasst wird. Zu präsent ist

noch die unbewältigte Vergangenheit, beispielswiese noch unge-

löste Eigentumsverhältnisse vertriebener und nunmehr rücksied-

lungswilliger Familien. Immer noch ausständige Kriegsverbre-

cherprozesse und verfolgte sonstige Verbrechen der Volksgrup-

pen halten das Bewusstsein der politischen Eliten und damit auch

der Bevölkerungsgruppen zu sehr in der Vergangenheit, während

vermehrt Zukunftsdenken und -gestalten angebracht wäre.

Die EUFOR-Truppe genießt von allen internationalen Organisa-

tionen den besten Ruf. Kaum jemand in Bosnien will, dass sie

abzieht oder auch nur weiter reduziert wird. Sie wird als Garant

dafür gesehen, dass es zu keinen neuerlichen Ausbrüchen von

Gewalt kommt. Als Abschreckung dagegen fungiert ein glaub-

haftes Reservenkonzept, das die rasche Verstärkung von EUFOR

im Anlassfall vorsieht. Diese Verstärkung wird auch jährlich

praktisch geübt.

Natürlich hat sich Bosnien seit dem Krieg verändert, insbeson-

dere wurde viel gebaut. Aber am Beispiel Autobahnbau zeigt

sich, wie gefesselt das Land ist. Man kann sich schlichtweg

nicht einigen, von wo wohin Autobahnen gebaut werden. An-

dere Beispiele: Das Land hätte bis heute keine Hymne und keine

Staatsflagge, wenn nicht der Hohe Repräsentant der UN nach

jahrelangen fruchtlosen Diskussionen diese ganz einfach dikta-

torisch verfügt hätte. Das Lohnniveau ist nach wie vor gering,