Previous Page  43 / 68 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 43 / 68 Next Page
Page Background

43

Die Sonnseiten

Nummer 59 - Mai 2018

Chronik

mehreren Ab- und Versetzun-

gen und einer Verhaftung).

Am gleichen Tag erfolgte die

Umbenennung des bisheri-

gen „Kaiser-Josef-Platzes“

(Hauptplatz) in „Adolf Hitler

Platz“.

Gleichzeitig mit den Verhaf-

tungen und Neubesetzungen

lief die Propaganda für die

Volksabstimmung am 10.

April auf vollen Touren. Be-

sonderen Wert legte man auf

die positive „Feierliche Er-

klärung der Bischöfe“, die

gleich zweimal auf der ersten

Seite des „Deutschen Osttiro-

lers“ abgedruckt wurde. Im

ganzen Bezirk fand eine Fül-

le von Kundgebungen statt.

Brotausgaben und Eintopf-

Ausschenkungen versorgten

bedürftige Personen. Die Ein-

stellung der Zwangsverstei-

gerungen wurde bekanntge-

geben und 300 Radioapparate

wurden in Osttirol verteilt.

Knapp vor der Abstimmung

kündigte man ein Sofortpro-

gramm für den Bezirk an, das

den Ausbau von Güterwegen

und Seilbahnen mit 100.000

Reichsmark in Aussicht stell-

te. Am 31. März hielt der

Kärntner Gauleiter Kutschera

eine Rede in Lienz. Die End-

punkte setzten der Besuch

Hitlers in Klagenfurt, an dem

offenbar über 5000 Osttiroler

Innen teilgenommen hatten

und der „Tag des Großdeut-

schen Reiches“ fünf Tage

später, der die letzte Groß-

kundgebung in Lienz brachte.

Die Frage bei dieser Wahl

lautete: „Bist Du mit der

am 13. März vollzogenen

Wiedervereinigung mit dem

Deutschen Reich einverstan-

den und stimmst Du für die

Liste unseres Führers Adolf

Hitler?“

Das Osttiroler Ergebnis zeig-

te mit knapp unter 99 % Ja-

Stimmen den niedrigsten

Anteil unter den Tiroler Be-

zirken, österreichweit waren

es 99,73 %, was ein „Nein“

zu 382 „Ja“ bedeutet. In Ost-

tirol gab es einerseits 22 Ge-

meinden, in denen zu 100 %

mit „Ja“ gewählt wurde, an-

dererseits wiesen besonders

Inner- und Außervillgraten,

aber auch Obertilliach und

Abfaltersbach eine hohe Zahl

an „Nein“ und ungültigen

Stimmen auf. Eindeutiger

Spitzenreiter war Innervill-

graten, das mit nur 73,7 %

Ja-Stimmen den niedrigsten

Wert von ganz Österreich

hatte. Die Gründe für dieses

Ergebnis wurden verschieden

gedeutet. Die Nationalsozia-

listen erklärten das Ergebnis

mit „bäuerlicher Dickschäde-

ligkeit und einem verbohrten

Hinterwäldlertum der Tal-

menschen, die den Anbruch

der großen neuen Zeit nicht

kapiert hätten“.

Eine erste Ernüchterung auf

die anfänglich überwiegende

Begeisterung entstand durch

die Angliederung an Kärnten,

die trotz zahlreicher Bitten

und Schreiben durchgezogen

wurde. Am 27. Mai prang-

te schon auf der ersten Seite

des „Deutschen Osttirolers“

die Schlagzeile: „Kärnten

und Osttirol ein Gau“. Mit

dem Erlass von Reichskom-

misär Bürckel vom 6. Juli

wurde eindeutig festgehalten,

dass dem Gauleiter und Lan-

deshauptmann von Kärnten

die politische und auch die

staatlich-verwaltungsmäßige

Betreuung Osttirols übertra-

gen wird. Zugleich stellte er

500.000 Reichsmark zum

Aufbau Osttirols zur Verfü-

gung. Das Presseamt Bür-

ckels meinte auch, dass man

„eine möglichst geschickte

Führer-Persönlichkeit nach

Osttirol schicken solle, um

auf die Bevölkerung beruhi-

gend und erziehend einzuwir-

ken.“

Soweit der kleine Auszug aus

dem genannten Buch, in dem

u. a. die ereignisreichen Mo-

nate von März bis Juli 1938

geschildert werden. Siehe

auch „Buchtipp“!

Ich finde den Beitrag über

diese Zeit in unserer Gemein-

dezeitung wichtig, wenn auch

in den verschiedenen Medien

Ähnliches zu lesen sein wird.

Buchtipp: Osttirol - Vom ersten

Weltkrieg bis zur Gegenwart

Autor: Dr. Martin Kofler, geb. 1971 in Lienz, Studium der

Geschichte an der Universität Innsbruck und in New Orleans,

USA.

Neben anderen Forschungs-Schwerpunkten und Veröffentli-

chungen wird in diesem Buch erstmals die Geschichte Ostti-

rols vom 1. Weltkrieg bis zur Gegenwart beschrieben. Seine

recht interessant und ausführlich geschriebene Diplomarbeit

über „Osttirol im Dritten Reich, 1938 - 1945“ ist natürlich

derzeit ein besonders aktueller Teil des Buches. Martin Kof-

ler ist Leiter des

T

iroler

A

rchivs für

p

hotogr. Dokumentation

(TAP) und Kunst in Lienz.