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Die Sonnseiten

Nummer 59 - Mai 2018

Chronik

Vor 80 Jahren - März 1938

Anschluss Österreichs an das Großdeutsche Reich

auszugsweise aus dem Buch „Osttirol im Dritten Reich, 1938-1945“

von Dr. Martin Kofler, Lienz

Vom Anschluss zur Volksab-

stimmung:

Die Nationalsozialisten unter

dem „Führer“ Adolf Hitler

zwangen Bundeskanzler Kurt

Schuschnigg, einen der Ih-

ren (Arthur Seyß-Inquart) als

Innenminister einzusetzen,

weiters, die für Sonntag, den

13. März, geplante Volksab-

stimmung abzusagen, aus

der Befürchtung, eventuell

keine Mehrheit zu erreichen.

Schlussendlich forderten sie

den Rücktritt Schuschniggs

am 11. März 1938. Seine Ab-

schiedsrede am Abend über

den Rundfunk endete mit

den bekannten Worten „Gott

schütze Österreich!“

Am Morgen des 12. März

1938 marschierten die deut-

schen Truppen in Öster-

reich ein und wurden von

der Bevölkerung jubelnd

begrüßt. Die Begeisterung

hatte dabei die unterschied-

lichsten Ursachen, die von

der Hoffnung auf wirtschaft-

liche Besserstellung bis zur

nun endlich erfüllten „Heim-

kehr ins Reich“ samt Ende

des verhassten Ständestaates

reichten. Der Jubel der Be-

völkerung führte auch zum

Entschluss Hitlers, die Verei-

nigung sofort durchzuführen.

Schon am nächsten Tag un-

terzeichnete der neue Kanz-

ler Seyß-Inquart das Gesetz

über die „Wiedervereinigung

Österreichs mit dem Deut-

schen Reich“, das zwei Tage

später von Adolf Hitler auf

dem Wiener Heldenplatz

feierlich verkündet wurde.

Darüber sollte am 10. April

eine Volksabstimmung als

nachträgliche Beglaubigung

durchgeführt werden. Die

Bundesregierung bestand of-

fiziell nur bis 15. März und

verlor dann sehr bald ihre

Funktionen.

Tirol beanspruchte in der Fol-

ge, als erstes Bundesland, als

erster Gau, die NS-Macht-

übernahme nach Wien und

Berlin gemeldet zu haben.

Bereits am 11. März gegen

21:00 Uhr hatte (der erste)

Gauleiter Edmund Christoph

die Stelle des Tiroler Landes-

hauptmanns übernommen.

Wie die Machtübernahme der

Nationalsozialisten in Ostti-

rol vor sich ging:

Aufgrund der Abgelegenheit

gelangten erst am 16. März

300 Mann Deutsche Polizei

über Kärnten nach Osttirol.

Deutsche Truppen trafen in

Form einer Kompanie der

motorisierten Aufklärungs-

abteilung aus Spittal a. d.

Drau überhaupt erst am 22.

März in Lienz ein. Aber die

Machtergreifung der Natio-

nalsozialisten im Bezirk pas-

sierte gleichzeitig mit den

Geschehnissen in ganz Ös-

terreich bereits in der Nacht

vom 11. auf den 12. März.

Nach der Rücktrittserklärung

Schuschniggs am Abend des

11. März versammelte sich

eine jubelnde Menschenmen-

ge vor dem Hotel Post in Li-

enz und zwei Stunden später

fand ein großer Fackelzug mit

vielen Beteiligten aus Lienz

und der weiteren Umgebung

statt. Anschließend hielt der

Lienzer Finanzsekretär Stre-

mitzer vom Balkon des Hotel

Post eine Rede. Vorher war

bereits eine Hakenkreuzfahne

auf der Liebburg, dem Sitz

der Bezirkshauptmannschaft,

gehisst worden. Noch in der

Nacht wurde Stremitzer vom

neuen Landeshauptmann zum

ersten NS-Bezirkshauptmann

bestellt, wobei Hermann Rif-

feser abgelöst wurde. Neu-

er Bürgermeister von Lienz

wurde - anstelle von Franz

Henggi - der Obmann des

Deutschen Turnvereins, Emil

Winkler, und sein Stellver-

treter der Besitzer des Hotels

Post, August Eck.

Am 14. März erschien anstel-

le der „Lienzer Nachrichten“

schon die erste Ausgabe der

neuen Zeitung für den Bezirk,

der „Deutsche Osttiroler“, der

im folgenden Herbst auf „Li-

enzer Zeitung“ umbenannt

wurde. In diese Märztage

fielen auch die ersten Ver-

haftungen, unter denen sich

auch Juden befanden. Außer-

dem wurden im März und im

April 15 (hauptsächlich ka-

tholische) Vereine aufgelöst.

Am 17. März fand die Ver-

eidigung der Osttiroler Gen-

darmerie und der Beamten

auf den „Führer“ des Reiches

statt, und am 30. März legte

die Osttiroler Lehrerschaft

den Eid auf Hitler ab (nach

Die „Propagandaschlacht“ für die Volksabstimmung über

die (bereits geschehene) Wiedervereinigung mit einem Meer

an Hakenkreuzen und „Ja“ auf dem „Adolf-Hitler-Platz“.

Dr. Kurt Schuschnigg wur-

de am 14. Dezember 1897 in

Riva del Garda geboren und

war von 1934 bis 1938 Bun-

deskanzler von Österreich.

Nach dem Ende des Zweiten

Welkriegs wanderte er mit

seiner Familie in die USA

aus, unterrichtete 20 Jahre

an der St. Louis-Universität

als Professor für Staatsrecht.

1968 kehrte er nach Öster-

reich zurück und verbrachte

seinen Lebensabend in Mut-

tes bei Innsbruck.

Foto: privat