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Gemeindezeitung Kartitsch
Mai 2015
Ungarn.
Nach übereinstimmen-
der Meinung der Tiroler Bevöl-
kerung, besonders auch der Be-
wohner in den nunmehrigen
Frontgemeinden galt dieser nun
„vom italienischen Verräter“ an-
gezettelte Krieg als
gerechtfer-
tigt
, entsprechend emotional war
daher auch
Wut
und Hass gegen
Italien sowie auch die
Bevölke-
rung
im Cadore, nicht selten gute
Bekannte, mit denen über viele
Jahrzehnte durch Handel und Ar-
beit
Verbindungen
bestanden
und die diesen Krieg eigentlich
nicht wollten
.
Noch am
23. Mai
trafen per Bahn
über Innichen - Sillian
zwei
Kompanien
des Standschützen-
Bataillons
Innsbruck II
in Kar-
titsch ein. Die Kompanie
Stei-
nach
marschierte nach
Obertilli-
ach
weiter und rund 100 Mann
der Kompanie
Stubai
unter
Hauptmann Pfurtscheller wurden
am nächsten Tag nach
Obstans
beordert. Da auch die
Villgrater
Standschützen einrückten, wur-
den nun entlang der Grenzberge
von Demut bis Filmoorhöhe
schwache Feldwachen
errichtet,
ausgenommen
Frugnoni
und
Pfannspitze
, auf denen sich be-
reits die Italiener feldmäßig ein-
gerichtet hatten sowie
Kinigat
und
Wildkarleck.
Ähnlich schwach wurde von den
Ober- und Untertilliacher Stand-
schützen, die ebenfalls bereits am
19. Mai einrückten, verstärkt
durch die Gendarmerie-Assistenz
auch das
Tilliacher
Gebiet bis
zur
Steinkarspitze
besetzt, aus-
genommen blieben
Porze
und
Roßkarspitze
.
Inzwischen ist historisch belegt,
dass die Tiroler
Karnische Front
beim Kriegsausbruch
uner-
schlossen
, ohne jeglichen Unter-
stand und bar jeder Befestigungs-
anlage war. An den nordseiti-
gen Hängen lag noch
reichlich
Schnee
und in der ersten
Kriegswoche herrschte
feucht-
kaltes Wetter
. Die Standschüt-
zen hatten weder Zelte noch Ge-
räte oder Werkzeug, letzteres
wurde zuerst ausgeliehen. In
den ersten Tagen und Nächten
mussten sie daher
äußerst pri-
mitiv
in
Felshöhlen
kampieren,
ohne hinreichende Winterbe-
kleidung den Wetterunbilden
ausgesetzt. Nach einer Tele-
gramm-Depesche von Hptm.
Kupetz der 6. Gebirgs -
Kanonenbatterie, der im neuen
Frontgebiet geeignete Artillerie-
standorte ausloten sollte, waren
am 29. Mai im Erschbaumertal
noch sieben Lawinenkegel mit 4
- 6 m Höhe zu queren und Ober-
leutnant J. Lugger schrieb in
seinen tagebuchähnlichen Auf-
zeichnungen:
„Oben war fast
alles noch tiefen Schnee, wir
mußten Tag und Nacht bei allem
Wetter aushalten!“
Entspre-
chend stark zeigten sich bereits
nach einigen Wochen krank-
heitsbedingte
Ausfälle
.
Sofort wurden
tägliche Träger-
dienste
eingeteilt, um das aller-
wichtigste auf die Höhen zu
bringen, Wasser, Verpflegung,
Brennholz, Baumaterial und
Kriegsausrüstung. So wurde mit
dem
Bau
von Behausungen und
Unterständen
begonnen. Teil-
weise wurde dazu auch das Holz
der Heuschupfen von Bergmäh-
dern geholt.
Belegt ist auch, dass bis zum 29.
Mai die
Standschützen
mit Gen-
darmerieassistenz und Finanzwa-
che, ca. 450 Mann, die gesamte
Tiroler Karnische Front
allein
halten
und dabei auch erste
An-
griffe am Eisenreich
(Stubaier
Standschützen, Zug Leutnant
Krößhuber) abwehren mussten.
Ab diesem Tage kamen
erste
reguläre Truppen
an die Front,
das
X.
Marschbataillon
des
Salzburger Infanterieregiments
Erzherzog Rainer Nr. 59
, kurz
die 59er-Rainer.
Die
Rainer-Regimenter
hatten
an der russischen Front
starke
Verluste
erlitten, zur Aufbesse-
Eine Felsspalte auf Frugnoni. In sol-
chen Nieschen mussten die Stand-
schützen in den ersten Tagen kampie-
ren
Kartitscher Standschützen am Hinter-
sattel / Filmoor (Josef Außerlechner)
Skizze des Leutnant Franz Ortner mit
Hinweis auf Feldwache am Nöckl, Juni
1915