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leisacher

gucklöcher

Burga Jaufer de Soler: Weltbürgerin

in leisach

„Wer ist diese Frau? Hab ich die schon einmal

gesehen?“ So werden sich wohl viele, vor

allem jüngere und neu zugezogene Leisacher

fragen. Burga ist nämlich eine von denen, die

sich – wie sie selbst sagt – gerne „einigeln“

und ihre freie Zeit am liebsten in ihren eige-

nen vier Wänden und ihrem Garten verbrin-

gen. Dabei lebt Burga seit 1981 ständig in

Leisach und hat durch ihren Vater Gottfried

Jaufer (Pongitzer) Leisacher Wurzeln.

Es wird wenige Leisacher geben, die ein so

bewegtes Leben geführt haben wie sie. Ihre

ersten fünf Lebensjahre verbrachte sie in der

Peggetz, wo ihr Vater Verwalter und ihre

Mutter Lehrerin an der Landwirtschaftlichen

Lehranstalt waren. Das fleißige, zielstrebige

Ehepaar wollte etwas Land kaufen und eine

eigene kleine Landwirtschaft betreiben, was

aber in Osttirol damals nicht möglich war.

Da kam wie ein Wink des Schicksals die

Nachricht aus Brasilien, dass ein Onkel, der

nach Dreizehnlinden ausgewandert war, kin-

derlos gestorben war und jemand aus der

Verwandtschaft innerhalb eines Jahres die

Landwirtschaft übernehmen müsse. Weil

sonst niemand Interesse daran hatte, zog die

vierköpfige junge Familie in einen fernen

Erdteil. Für die beiden Mädchen – die fünf-

jährige Notburga und ihre um 15 Monate

jüngere Schwester Maria – war die Zugfahrt

nach Genua und die Schifffahrt nach Brasi-

lien ein spannendes Abenteuer. Das Haus,

das sie in Dreizehnlinden erwartete, war

nicht viel mehr als ein Stadel. Die Mutter

musste anfangs vor dem Haus kochen, weil

es nicht einmal eine Küche gab. Aber mit tat-

kräftiger Unterstützung andere Osttiroler Aus-

wanderer wurde das Haus bald ausgebaut

und wohnlich gemacht. Auf die Eltern war-

tete sehr viel und schwere Arbeit, die Kinder

genossen in der ersten Zeit viel Freiheit. Das

änderte sich, als sie in die Schule mussten.

Die Schule in Dreizehnlinden wurde von

strengen brasilianischen Nonnen geführt und

es durfte aus-

schließlich

Portugiesisch

gesprochen

werden. Den

Kindern der Zu-

wanderer war

es untersagt,

die Zeilen der

brasilianischen

Hymne mitzu-

singen, die von

Brasilien als

„meine Heimat“ sprechen. Die Schule war

sechs Kilometer vom Elternhaus entfernt, der

Weg musste zu Fuß zurückgelegt werden.

Parallel dazu besuchten die Mädchen die

Sonntagsschule, die ein deutscher Arzt

gegründet hatte und wo verschiedene Fächer

auf Deutsch unterrichtet wurden.

Daneben mussten die Mädchen, vor allem

die groß gewachsene, starke Burga, daheim

kräftig anpacken. Der Vater hatte im Zweiten

Weltkrieg den linken Arm verloren und war

bei der Bearbeitung der Felder auf die Mit-

hilfe aller Familienmitglieder angewiesen.

Schon mit zwölf Jahren musste Burga pflü-

gen, wobei zuerst Pferde, später Ochsen den

Pflug zogen. Nach Abschluss der Volksschule

kam eine höhere Ausbildung für das wissens-

durstige, begabte Mädchen nicht in Frage,

weil sie daheim in der Landwirtschaft drin-

gend gebraucht wurde. Die Mutter hatte es

sich zur Aufgabe gemacht, neben ihrer

Arbeit im Haus und auf den Feldern einen

deutschen Kindergarten zu gründen. Durch

die Überbelastung erkrankte sie so schwer,

dass eine Rückkehr nach österreich unum-

gänglich war. Der Vater verkaufte das

Anwesen und kehrte mit seiner Familie in

seine Heimatgemeinde Leisach zurück.

Die 17-jährige Burga musste vorerst bei einer

Tante in Hopfgarten als „Kuhdirn“ und in der

Gaststube arbeiten, aber bald fand sie eine

Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen,

bei der sie auch etwas Geld verdiente: Sie

trat in der Nähe von Köln in eine Kranken-

pflegeschule ein. Im Heim war viel spanisches

Personal beschäftigt, und Burga war von ihrer

Sprache und ihrer Mentalität so begeistert,

dass sie neben ihrer Berufsausbildung an der

Abendschule mit Feuereifer Spanisch lernte.

Schon bald wurde sie als Dolmetscherin ein-