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FODN - 60/02/2015

UMWELT & NATUR

Von Frederick Manck

„J

etzt fliegt er!“ ruft eine Besu-

cherin begeistert. Alle Augen

richten sich nach oben. Dort, auf

halber Höhe am Gegenhang, hat sich

Junggeier Lea wieder in die Lüfte ge-

schwungen und gleitet nun ruhig an

der steilen Bergflanke der Kendlspitze

entlang. Majestätisch sieht es aus, wenn

Bartgeier ihre bis zu 2,9 Meter Flügel-

spannweite ausbreiten und dann schein-

bar mühelos dahingleiten. Oft fliegen

sie nur knapp über dem Boden, so dass

ihr Schatten ihr ständiger Flugbegleiter

ist. Bei günstiger Thermik sind sie in

der Lage, in wenigen Sekunden viele

Höhenmeter aufzusteigen, und können

so – gerade noch am Talboden gestar-

tet – bald darauf schon um die höchsten

Bergspitzen kreisen. Der gelebte Traum

vom Fliegen! Wer so eine Beobachtung

macht, dem geht das Herz auf!

Insofern musste ich nicht lange über-

legen, als ich im Frühjahr vom Nati-

onalpark Hohe Tauern das Angebot

bekam, den diesjährigen Bartgeierbe-

obachtungsstand im Dorfertal mit zu

betreuen. Nach dem Abschluss meines

Bachelors im Fach Biologie hatte ich

im vergangenen Jahr das dreimonatige

Volontariat im Tiroler Teil des Natio-

nalparks gemacht und die Region und

den Nationalpark auf diese Weise schon

recht gut kennengelernt. Der Bartgei-

erfreilassung sei Dank, durfte ich also

auch heuer wieder einen Teil meiner

vorlesungsfreien Zeit in Osttirol ver-

bringen, was ich durchaus als große

Ehre empfunden habe.

Nach 2007 und 2010 wurde das Dorfer-

tal dieses Jahr bereits zum dritten Mal

Schauplatz einer Bartgeierfreilassung.

Während die beiden bisherigen Freilas-

sungen weiter hinten im Tal erfolgten,

wurde dieses Jahr ein Platz gleich links

hinter der Dabaklamm gewählt. Dem

Jagdverein und den Grundbesitzern ist

es zu verdanken, dass die Wahl dieses

Platzes kurzfristig möglich wurde. Wie

für Bartgeierfreilassungen üblich, wur-

de unterhalb des Freilassungsplatzes ein

Beobachtungsstand eingerichtet, wozu

an der ins Tal führenden Forststraße

ein aufklappbarer Hänger des National-

parks geparkt wurde. Von diesem aus

erfolgte zum einen die Betreuung der

beiden Geier, die bis zum Erlangen ihrer

Selbstständigkeit noch von uns gefüttert

werden mussten. Zum anderen diente er

der Besucherinformation. Nach scherz-

haften Bemerkungen wurde er von

manch einem Besucher von weitem zu-

nächst für eine Würstchenbude gehalten,

ich möchte jedoch behaupten, dass wir

etwas viel besseres im Angebot hatten.

Denn wann sonst bietet sich einem in

der freien Natur eine so günstige Gele-

Am 28. Mai erfolgte durch den Nationalpark Hohe Tauern im

Dorfertal die Freilassung der zwei jungen Bartgeier Lea und

Fortuna. Frederick Manck aus Oberammergau arbeitete zwei

Monate am Bartgeierbeobachtungsstand. Im folgenden Text

schildert er seine Eindrücke.

Bartgeierfreilassung im Dorfertal

„Jetzt fliegt er!“

Großer Andrang bei der Bartgeierfreilassung im Pavillon