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FODN - 60/02/2015

UMWELT & NATUR

Fortuna war aus ganz anderem Holz

geschnitzt. Er verbrachte die ersten Wo-

chen schön brav im errichteten Horst.

Am 1. Juli, einem wunderschönen Som-

mertag, setzte dann schließlich auch

Fortuna zum Erstflug an. Die Flugakti-

vität steigerte sich in der Folge von Tag

zu Tag und es dauerte nicht lange, bis

Fortuna in größere Höhen aufstieg. Lea

hatte in der Zwischenzeit hingegen am

großen Wasserfall unweit des Freilas-

sungsplatzes seinen neuen Lieblings-

platz gefunden, von dem er - so schien

es zumindest - gar nicht mehr weg woll-

te. Er begnügte sich mit zwei bis drei

kurzen Flügen pro Tag, den Rest des

Tages war dann eher Spazierengehen

angesagt. War ich anfangs noch davon

ausgegangen, dass sich Lea schon bald

aufmachen würde, um die Alpen zu er-

kunden, fragte ich mich wenig später,

wie viele Wochen es denn noch dauern

würde, bis endlich wieder mit Fort-

schritten zu rechnen sei.

Zeitgleich mit dem schönen Wetter

kamen im Juli dann auch mehr und

mehr Wanderer vorbei, nicht selten hat-

ten wir an die 200 Besucher pro Tag. Es

galt dann immer wieder alles Wissens-

werte über den Bartgeier und das Wie-

deransiedelungsprojekt in den Alpen zu

erzählen. Besonders häufig wurde uns

dabei die Frage gestellt, ob unsere bei-

den Geier denn schon selbst jagen wür-

den. Als reine Aasfresser, die auf das

Fressen von Knochen spezialisiert sind,

tun sie im Prinzip jedoch keiner Fliege

etwas zu Leide. Darüber hinaus muss-

ten wir beispielsweise oft erklären, wie

es im 19. Jahrhundert zur Ausrottung

des Bartgeiers gekommen ist. Auch die

eine oder andere kuriose Frage wurde

uns gestellt, wie etwa, ob wir unsere

beiden Junggeier vom Hubschrauber

aus füttern würden, was natürlich nicht

der Fall war.

Die Herausforderung bestand schließ-

lich darin, während des ganzen Erzäh-

lens und Erklärens Lea und Fortuna

nicht aus den Augen zu verlieren, da

die im Gelände gut getarnten Geier ge-

rade nach einem Flug mitunter nur sehr

schwierig wiederzufinden sind. Und

wer will am Bartgeierbeobachtungs-

stand schon ohne (vorzeigbaren) Geier

dastehen? Es hat mich jedenfalls sehr

gefreut, wie interessiert die meisten Be-

sucher waren. Besonders hervorheben

möchte ich dabei die Niederländer, die

ein Volk von Hobby-Ornithologen zu

sein scheinen. Sehr viele Touristen ha-

ben uns dabei - durch die Infotafel am

Weg für das Thema sensibilisiert - auf

die ehemaligen Staudammpläne für das

Dorfertal angesprochen und dabei ihre

Erleichterung zum Ausdruck gebracht,

dass dieses einzigartige Tal nicht geflu-

tet wurde.

Was bleibt schließlich zu sagen am

Ende von zwei Monaten im Dorfertal?

Etlichen tausend Besuchern konnten

wir Lea und Fortuna zeigen und auf

diese Weise den Nationalpark mit seiner

faszinierenden Tierwelt näher bringen.

Für viele war es sicher eine große Be-

reicherung ihres Ausflugs ins Dorfertal!

Darüber hinaus ziehen dank der Freilas-

sung mittlerweile wieder zwei Bartgeier

mehr ihre Kreise in den Alpen. Viel-

leicht werden die beiden in einigen Jah-

ren dann ja sogar selbst für Nachwuchs

sorgen. In Kals gäbe es wohl reichlich

geeigneten Lebensraum für ein Brut-

paar.

Ich würde es mir jedenfalls sehr für

die Gemeinde wünschen, dass man dort

bald noch öfter als bisher diese majestä-

tischen und überaus prestigeträchtigen

Greifvögel beobachten kann.

Aufbruch zum Futter Auslegen für die Geier