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Dorfleben – Menschen

Virger

Zeitung

Ältere Leute werden sich erin-

nern, das Ave Maria in ihrer

Kindheit ein wenig anders gebe-

tet zu haben, nämlich so: Ge-

grüßt seist du, Maria, du bist voll

der Gnade, der Herr ist mit dir,

du bist gebenedeit unter den Wei-

bern und gebenedeit …

Später hat man das erste „… du

bist …“ weggelassen, und nach-

dem im Laufe der Zeit die „Wei-

ber“ eine negative, abschätzige

Bedeutung bekamen, wurde

beim Zweiten Vatikanischen Kon-

zil (1962 bis 1965) für den

deutschsprachigen Raum das

Wort „Frauen“ eingeführt.

Aber – Macht der Gewohnheit –

bald nach der Reform ent-

schlüpfte dem Vorbeter bei einer

Eppas zan Schmunzeln

Vom Vorbeten

Prozession nicht nur einmal: „Ge-

grüßt seist du, Maria, voll der

Gnade, … du bist gebenedeit

unter den W---auen …“

Aus: Prägratnerisches, ohne Jahreszahl

– o – O – o –

Der schmerzhafte Rosenkranz:

… Jesus, der für uns Blut ge-

schwitzt hat

… Jesus, der für uns gegeißelt

worden ist

… Jesus, der für uns mit Dornen

gekrönt worden ist

… Jesus, der für uns das schwere

Kreuz getragen hat

… Jesus, der für uns gekreuzigt

worden ist

Früher haben wohl die meisten

bäuerlichen Familien täglich am

Abend einen Rosenkranz gebetet.

Am Ende eines langen, arbeits-

reichen, anstrengenden Tages auf

dem Feld sitzen die Hausleute

nach dem Essen um den Tisch,

und der Bauer beginnt mit dem

schmerzhaften Rosenkranz. Aber

schon bald, noch während des

Glaubensbekenntnisses, bemerkt

er, dass einem die Augen zugefal-

len sind. Nicht lange danach, bei

den ersten „Gegrüßt seist du,

Maria …“ mit dem Sätzchen „der

für uns Blut geschwitzt hat“, ist

die ganze Tischrunde mehr oder

weniger fest eingeschlafen.

„Jå, wenn dås so isch“, denkt sich

der Vorbeter, „måch m‘as heit a

weng kiazer!“ und springt gleich

zum fünften und letzten Gsatzl.

Aber da schreckt die alte Tante

aus ihrem Halbschlaf auf und

fragt: „Warum bischt denn hiaz af

amol beim Kreizigen, wånn unser

Herrgott gråd erscht Bluat

gschwitzt håt?“

„Najå, i håb ma gedenkt, weil deïs

eh ålle schlåft, nocha tua ma ihn

gschwind kreizigen und nit so

långe peinigen.“

Aus: Merian, Heft 11, 1962

Prozession in den 1930er-jahren.