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FODN - 68/01/2018

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MENSCHEN AUS KALS

Nach einem Monat waren wir schließ-

lich in Ho Chi Minh City angelangt, wo

unsere Reise endete. Dort verkauften

wir schweren Herzens unsere Motor-

räder und traten die Weiterreise nach

Malaysia an, um unser eigentliches

Auslandssemester zu beginnen. Obwohl

es in Südostasien zahllose potentielle

Reiseziele gibt, beschlossen Alex und

ich in den Herbstferien nach Vietnam

zurückzukehren und noch den Norden

des Landes zu bereisen.

Die zweite Reise begann erneut in

Hanoi. Dort erwarben wir erneut eine

Honda Win, um nun auch den Norden

des Landes zu bereisen. Am ersten Tag

fuhren wir zu der Küstenstadt Hạ Long.

Da das Umland von Hanoi auch als ur-

banes Gebiet anzusehen ist, fuhren wir

eigentlich den ganzen Tag auf Haupt-

verkehrsrouten um möglichst schnell

die Stadt zu verlassen. Die hohe Anzahl

an LKWs und das unglaublich schlech-

te Wetter machten die Fahrt nicht be-

sonders angenehm, da die LKW Fahrer

keinerlei Rücksicht auf Motorräder nah-

men. Das äußerst knappe Überholen

(auch bei Gegenverkehr) waren wir ja

schon gewohnt. Durch den Regen hüll-

ten sie uns allerdings jedes Mal beim

Vorbeifahren in einen dichten Nebel aus

Spritzwasser ein und beim Durchfahren

einer Pfütze wurden wir einer regel-

rechten Dusche unterzogen.

In den darauffolgenden Tagen war das

Wetter recht wechselhaft. Daher muss-

ten wir doch sehr oft im Regen fahren.

Durch das andauernde Regenwetter

war ziemlich oft die Straße durch Mu-

ren verlegt und manche Straßen waren

mit tiefen Wasserpfützen übersäht. Die

Landschaft im Norden schlichtweg

überwältigend. Wir sahen durchgehend

Reisfelder, welche sich teilweise von

einem satten Grün in ein leuchtendes

Gelb färbten, wunderschönen Bergland-

schaften und auch die ganzen Siedlun-

gen waren noch viel ursprünglicher als

im Süden. Allerdings fiel uns auch auf,

dass der Norden nicht so wohlhabend

wie der Süden Vietnams ist. Während

im Süden große Städte entstehen, viele

Leute ein eigenes Haus bauen und die

Straßen in einem relativ guten Zustand

sind und auch regelmäßig erweitert und

ausgebaut werden, sind die Menschen

im Norden doch deutlich ärmer. Der

Großteil der Bevölkerung wohnt in ein-

fachen Holz- oder Bambushütten und

die Straßen sind teils in einem ziem-

lich schlechten Zustand und manchmal

nicht mal asphaltiert.

Eines Tages kam ich auf einer solchen

sandigen und nassen Straße mit meinem

Motorrad zu Sturz. Glücklicherweise

hatte ich keine schlimmen Verletzun-

gen, sondern lediglich einen (wenn auch

sehr starken) Bluterguss an meinem

Finger. Da ich gegen Abend doch einen

enormen Druck und Schmerzen in mei-

nem Finger verspürte, beschloss ich ein

Krankenhaus aufzusuchen. Das Gebäu-

de war sichtlich nicht in bestem Zustand

und als ich das Krankenhaus betrat,

lagen auch überall auf den Gängen die

kranken und verletzten Patienten. Nach

einiger Zeit konnte ich auch eine Ärz-

tin finden, welcher ich dann mein Pro-

blem erläuterte. Sie führte mich in den

„Operationsraum“ um meinen Finger zu

behandeln. Doch die Einrichtung war

alles andere als hygienisch. Auf dem

Behandlungstisch waren verschiedene

eingetrocknete Flüssigkeiten erkennbar

und es befanden sich auch jede Menge

Insekten und Käfer in dem Raum. Die

Ärztin holte das Operationsbesteck aus

einem alten Safe und begann unter Ein-

satz von (Gott sei Dank) sehr viel Desin-

fektionsmittel in meinem Finger einen

Schnitt zu machen. Nach 20 Minuten

legte sie meinem aufgeschnittenen Fin-

ger einen Verband an und gab mir eine

Hand voll Tabletten.

Da wir unseren Rückflug nach Malay-

sia von Laos aus gebucht hatten, muss-

ten wir leider unsere Motorräder in der

Grenzstadt Điện Biên Phủ verkaufen

und unsere Reise mit dem Bus fortset-

zen. Wir waren sichtlich traurig, dass

wir nun Vietnam endgültig verlassen

mussten, da wir wirklich viele unglaub-

lich schöne Dinge in diesem Land erlebt

hatten.

Im Laufe meines Auslandssemesters

bereiste ich noch viele weitere Länder,

unter anderem auch Indonesien, Kam-

bodscha oder Myanmar. Jede dieser

Reisen war auf ihre eigene Art wunder-

schön und unvergesslich und dadurch

ist es im Nachhinein unglaublich schwer

ein Lieblingsland oder den besten Ur-

laub zu bestimmen.