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ummer
58 - D
ezember
2017
C
hronik
nach Australien auswandern
wollten, in das bereits halb-
volle, aus London kommende
Flugzeug gestopft. Die betag-
te Maschine brauchte sechs
Zwischenlandungen für ihre
Strecke: Zuerst Istanbul, dann
Bombay - bei jedem Stopp
zum Tanken wurden die Pau-
sen länger. An dem Flieger
wurde herumgeschraubt. In
Bombay wurden die Passa-
giere ausdrücklich vor den
Taschendieben gewarnt, und
ich saß mit meinem kostbars-
ten Besitz, einem Grundig
Satellit unterm Arm, in der
Wartehalle. Der Grundig war
ein hochmoderner Weltemp-
fänger - ein Radio, mit dem
man auch Funkverkehr emp-
fangen konnte. So saßen wir
mehrere Stunden dort fest. Es
folgten weitere Landungen in
Bangkok, Singapur und Dar-
win, immer länger wurden
die Pausen. Endlich, nach 48
Stunden erreichten wir spät-
abends Sydney. Nach einer
kurzen Nacht ging es mit ei-
nem bedeutend moderneren
Düsenjet der QUANTAS Air-
line nach Port Moresby - der
Hauptstadt von Neu Guinea.
Dort schlug mir das erste Mal
das feuchte tropische Klima
entgegen.
Neu Guinea ist die zweitgröß-
te Insel der Erde. Sie liegt un-
term Äquator nördlich von
Australien. Die Insel wurde
mit einem geraden Lineal-
strich zu Beginn des Jahr-
hunderts geteilt. Der westli-
che Teil - genannt Westirian
- stand unter der Flagge von
Indonesien und war musli-
misch geprägt. Der östliche
Teil hieß Papua Neuguinea
und war politisch damals
Australien zugeordnet.
Verschiedene Länder hatten
schon seit den frühen 20er-
Jahren ihre Pioniere und Mis-
sionare mit den unterschied-
lichsten Motiven dorthin
geschickt. Ich kam auf eine
deutsche Missionsstation der
Styler Missionare im Hoch-
land von Neu Guinea. Die
Station befand sich damals
gerade im Aufbau.
Ins Hochland gelangte ich
mit weiteren Flügen über Lae
und Goroka, wo ich in jeweils
kleinere Flugzeuge umstieg,
bis ich mit einer kleinen Ces-
na in Mount Hagen landete.
Diese Siedlung von ca. 1100
Menschen war die größte
Siedlung und der Umschlag-
platz im Hochland. Die neue
Helferin wurde vom Bischof
George Bernarding, ein ame-
rikanischer Steyler, empfan-
gen. Er führte mich durch die
Kaffeeplantagen der Katholi-
schen Gemeinde. Besonders
der Kaffeeanbau in Plantagen
war in Neu Guinea gerade im
Aufbau.
Ich kam an die Boarding
School in Ulga. Dort hatte
die Steyler Missionarin Ma-
ria Pöppelmann eine Grund-
schule für Mädchen und
Buben aufgebaut, in der die
einheimischen Kinder von
einheimischen Lehrern nach
australischem Schulsystem
unterrichtet wurden. Zu der
Zeit war ein Pater vor Ort, der
sich als geistlicher Betreu-
er betätigte und ich war als
Leiterin der Schule vorgese-
hen. Maria Pöppelmann reis-
te nach meiner Einarbeitung
zur nächsten Aufgabe nach
Australien in ein Aborigines-
Projekt. Einige Monate später
sollte eine Krankenschwester
aus dem deutschen Grund-
kurs in Freiburg folgen, die
die Krankenstation besetzen
sollte.
Mein erster Unterricht war
eine Art Vorstellung vor der
Preparations Class - der Vor-
schulklasse. Ich erzählte von
woher ich gekommen war.
Bei dieser ersten Stunde wa-
ren auch viele neugierige
Menschen aus den umliegen-
den Buschdörfern gekom-
men und sie lugten durch die
Fenster ins Klassenzimmer,
um die neue „Redskin“ Frau
zu begutachten. Rothäute, so
wurden wir Europäer von den
Eingeborenen genannt.
Drei Redskins, der Pater, die
Krankenschwester und ich,
waren nun auf dieser Schul-
station. Am Morgen kamen
die Schüler aus allen Him-
melsrichtungen aus den ver-
streuten Hütten im Busch.
Maria Pöppelmann hatte die
Mädchenbildung besonders
im Auge, darum hatte sie ein
Internat für Mädchen zum
Zweck des Schulbesuchs ge-
schaffen. Anders hätten die
Familien dem Schulbesuch
nicht zugestimmt.
Der Schultag begann mit ei-
nem Fahnenappell bei der
australischen Flagge und
dem Absingen der engli-
schen Hymne „God Save the
Queen“. Der Unterricht fand
in einem einfachen Schulge-
bäude aus Holzbalken und
Sperrholzplatten statt. Die
Fenster waren aus Glasla-
mellen und das Dach mit
Wellblech gedeckt. Die 250
Kinder erhielten auf Englisch
Unterricht. Die Eingeborenen
sprachen eine Mischsprache,
die sich „Pidgen-Englisch“
nennt und die aus interes-
santen Sprach-Bildern, wie
„Basket-Wire-Fall-Down“
(der Hubschrauber ist gelan-
det) und Lehnwörtern aus den
Fremdsprachen der Pioniere,
bestand. „Blut“ war eines der
deutschen Lehnwörter.
Die Schulkinder waren die
Dolmetscher, wenn man
einmal mit den Eltern in
Kontakt treten musste. Die
Eltern der Kinder brachten
Naturalien in die Schule, vor
allem Süßkartoffel. Das ist
das Hauptnahrungsmittel in
Neu Guinea. Um die Ernäh-
rung abwechslungsreicher zu
machen, betrieben wir einen
kleinen Hausgarten und eine
Hühnerfarm. Hatten wir mehr
Eine Schulklasse mit der australischen Flagge.
Eine typische Eingeborenenhütte.
Fotos: privat