Previous Page  42 / 68 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 42 / 68 Next Page
Page Background

42

42

D

ie

S

onnseiten

N

ummer

58 - D

ezember

2017

C

hronik

Weltreise mit Maria

Wie eine Gaimbergerin in den 60er-Jahren als

Entwicklungshelferin nach Papua Neuguinea kam

In den 50er-Jahren waren die

Osttiroler Dörfer noch nicht

mit Nachrichten aus aller

Welt überschwemmt. Aber

es gab Missionszeitschriften,

die von Missionsfahrten er-

zählten und die beim Spen-

densammeln in die Bauern-

häuser gelangten.

„Du

musst

jetzt

die

Missionsheftl‘n austragen“

meinte meine ältere Schwes-

ter Agnes, als sie nach ihrer

Heirat auf die Schattsei-

te zog. So verteilte ich das

„Millhiller Missionsheft“ im

Dorf. Und ich las die Be-

richte der Missionare, die in

unterschiedlichen Ländern

auf allen Kontinenten im Ein-

satz waren, selber sehr ger-

ne. Mein Lieblingsfach war

schon immer Geographie.

Maria Neumair hieß ich da-

mals und bin 1943 geboren,

ich war die jüngste Tochter

der „Ackerer“ Bäuerin Anna

Neumair. Nach dem frühen

Tod meines Vaters wurde

der damalige Gaimberger

Bürgermeister

Siegmund

Rainer zu meinem Vormund

bestimmt. Er nahm sich mei-

ner besonders an und ich

erhielt die Möglichkeit mit

16 Jahren die Haushaltungs-

schule in Schloss Lengberg

zu besuchen. Damals war

eine höhere Ausbildung noch

ein Privileg, das noch nicht

viele junge Osttirolerinnen

erhielten. Unterstützt wurde

ich auch von meinen älteren

Schwestern und so konnte

ich meine Ausbildung bis zur

Landwirtschaftslehrerin

in

Wien fortsetzen.

Ich erfuhr, dass in den 60er-

Jahren auch in Österreich

schon Missionare, jetzt Ent-

wicklungshelfer

genannt,

angeworben wurden. Man

musste eine abgeschlosse-

ne Berufsausbildung haben,

dann war man willkommen.

So meldete ich mich 1966

beim Österreichischen Ent-

wicklungshilfe Dienst, der

damals in Österreich noch in

den Anfängen war.

Die Ausbildung fand damals

noch in Deutschland statt.

Am Beginn stand ein halbjäh-

riges Seminar für Sozialarbeit

in Freiburg. Eine schöne Zeit

war das. Wir lebten in Wohn-

gemeinschaften in kleinen

Einheiten zusammen. Die

Frauen, die sich für den Ein-

satz vorbereiteten, kamen aus

dem ganzen deutschsprachi-

gen Raum. Wir wurden von

Theologen, ehemaligen Mis-

sionaren und verschiedenen

Spezialisten für den Einsatz

in der Entwicklungshilfe aus-

gebildet.

Am Ende dieser Ausbildung

wurden die Einsatzorte vor-

gestellt: Schulen, Missions-

stationen, Krankenstationen,

Werkstätten - Betriebe von

den verschiedensten Orden

und Organisationen in Tansa-

nia, Südafrika, Algerien, Bra-

silien, Neu Guinea uva.

Ich wurde einem Schulprojekt

in Neu Guinea zugeteilt. So

war auch der nächste Schritt

klar: Intensives Sprachstu-

dium in London im Frühjahr

1967.

Alle Entwicklungshelferin-

nen, die in englischsprachi-

ge Gebiete berufen wurden,

waren in englischen Famili-

en in London untergebracht.

Ich kam zu einer altösterrei-

chischen jüdischen Familie,

die Großmutter sprach gerne

Deutsch mit mir. Der 10jäh-

rige Sohn hatte eben seine

sehr späte Beschneidung er-

lebt (beim Fußballspielen im

Park war das natürlich eher

schmerzhaft). Und ob es eine

Prüfung meiner christlichen

Tugenden war, als ich aus-

gerechnet am Karfreitag ein

tolles Steak serviert bekam,

lässt sich heute nicht mehr

klären. Mein Beichtvater hat

mich von dieser Sünde frei-

gesprochen und mich gelobt,

dass ich in diesem Fall die

Gastfreundschaft nicht ver-

letzt und das Fleisch gegessen

habe.

Einmal traf ich dort auch

meinem Landsmann Peter

Webhofer im Missionshaus

Mill Hill bei London, der sich

dort auf seine Mission vorbe-

reitete.

Im Sommer kam schließlich

der Einsatzbefehl und so reis-

te ich am 7. September 1967

von Gaimberg ab. Ich bestieg

in Wien eine Propellerma-

schine der British Airways,

die mich zu meinem neuen

Wirkungsgebiet ans andere

Ende der Welt bringen sollte.

Bereits voraus - mit der Spe-

dition „Kühne und Nagel“

- reiste mein Tropenkoffer

- das war eine Blechkiste, in

der meine Habseligkeiten für

die kommenden drei Jahre

waren.

Es war kein Business-Class

Ticket, das unsere Reiselei-

ter für mich vorgesehen hat-

ten. In Wien wurde ich mit

Gruppen von Jugoslawen, die

Zur Aussendungsfeier am 3. September 1967 begrüßte Hw.

Pfarrer Jeller die Kandidatin mit ihren Angehörigen bereits

am Friedhofseingang. Bei der Abendmesse assistierten Ka-

plan Ortner und unser Diakon Peter Webhofer, der zur Zeit

in London studierte und auf den die Meßtexte als angehender

Missionar gleichfalls zutreffend waren. Die Aufnahme zeigt

Maria Neumair, begleitet von der KLJ-Dekanatsführerin M.

Oberwasserlechner und ihrer örtlichen Helferin Marianne

Frank, vlg. Votz. Im Hindergrund die Ackerer Mutter mit

Tochter Balbina.

Foto: Ortschronik