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Gemeindezeitung Kartitsch
Februar 2015
ihn hinab in die höllenheißen, lärm-
durchtosten Stollen der giganti-
schen Ruhrzechen, um als einfacher
Kumpel und Grubenschlosser erst,
später als Berwerksmaler den ei-
genartig harten Typus des Berg-
mannes von innen her voll erleben
und gestalten zu können. So ent-
standen um den Kreis großer per-
sönlicher Opfer und härtester Arbeit
jene trefflichen Bildnisse, Figural-
kommpositionen, Bewegungsskiz-
zen und Ausdrucksstudien, die in
gleichem Maße Schüler und Er-
wachsene, Laien und Fachleute zu
fesseln vermochten: die routiniert
gemalte, psychologisch ausgezeich-
net erfasste Bildnisstudie eines jun-
gen Bergmannes vor allem oder
Bildnisse anderer Kumpeltypen
verschiedener Altersstufen, die per-
spektivisch originelle Komposition
„Vor der Seilfahrt―, die den Ein-
druck der endlosen Reihe der auf
den Förderkorb Wartenden wieder-
gibt oder die symbolische Gruppe
des Säers und des Bergmannes; be-
sonders interessant das unvollende-
te Selbstbildnis vor der Zeche Zel-
lern I. Den überraschend reifen
Bildnissen gleichwertig erscheinen-
de in ihrer dumpfen Farbigkeit so
melancholisch wirkenden Ruhr-
Landschaften, von denen die
„Vorfrühlingsstimmung― besonders
hervorgehoben zu werben verdient,
ebenso die das technisch raffinierte
Aquarell „Am Flussufer―. Schade,
dass der größte Teil des Bergwerk-
Oeuvres, das sich im Besitz des
Bergbaumuseums und der Direktio-
nen befindet, nicht gezeigt werden
konnte.
Innige Liebe zu Land und Leuten
der Heimat künden die Osttiroler
Gemälde, Studien und Skizzen, die
den frohen, hellen Ausgleich bilden
zu den Bildern aus dem Ruhrgebiet.
Einfache bäuerliche Menschen sind
es, denen der Künstler bluts- und
gefühlsmäßig nahe ist: Voll tiefer
Empfindungen das Bildnis seiner
lieben Mutter am Spinnrad; Mutter
und Schwester in Andacht versun-
ken, dem Subjekt nach an Wil-
helm Leibls „Frauen in der Kir-
che― erinnernd, farbig und formal
gleich gut komponiert, oder die
ausdrucksstarke Bleistiftstudie
des alten Vaters, nicht zuletzt
aber die Vielzahl der fabelhaft
sicheren, manchmal in ganz we-
nigen Strichen abstrahierten, bis-
weilen zu krauser Barockorna-
mentik aufblühenden Figuralskiz-
zen aus dem bäuerlichen Arbeits-
alltag. Gerade diese persönlich
geprägte „Handschrift― ist es, die
dem bequemen aber unerläßli-
chen Betrachter gar nichts, dem
Kenner und empfindsamen aber
alles sagt.
Dieselbe tiefe Einfühlung wie
dem Menschen gegenüber –
Kollreiders Bildnisse haben
„Seele― - bringt der Künstler der
Pflanze entgegen und dies er-
scheint uns in ihm ein besonders
liebenswerter Zug. Blumen-
stilleben von bester Modernität –
nicht „modern― im gewollten,
hohl modischen Sinne – strahlen
die fromme, stille Liebe zu die-
sen geduldigsten Geschöpfen der
Gottesnatur wider. So wird die
gemeine Wolldistel, Löwenzahn
und Rittersporn der edelsten Or-
chidee ebenbürtig; in diesen geni-
alen Ausschnitten aus der uner-
schöpflichen Farben- und For-
menfülle des Pflanzenreiches
wird uns durch das Werk des
Künstlers der Freudenquell Natur
von neuem aufgeschlossen.
Stilleben wie die „Wolldistel―
und „Hortensien― sind schlecht-
hin vollendet. Vom Mikrokosmos
der Blumen, Blätter und Gräser
schweift der Blick in die Weite
und Größe heimischer Land-
schaft; hier fällt besonders die
Schneelandschaft St. Oswald im
Winter mit ihren wunderschönen
farbigen Licht- und Schattenpar-
tien auf, ein heimatlich-helles
Gegenstück zu der dumpfen, äs-
thetisch ungemein reizvollen
Farbharmonie des „Vorfrühlings
am Weiher― aus dem Ruhrgebiet.
Es ist dieselbe fromme Gläubigkeit,
die Blumen und Madonnen mit der
gleichen Hingabe gestaltet. Gleich
dem Eingange gegenüber zogen
zwei große Kopien nach mittelal-
terlichen Marienplastiken aus Dort-
munder Kirchen den blick des Be-
suchers auf sich. Mit außerordentli-
cher Pinselführung das ausdrucks-
starke Wesen der gotischen Plasti-
ken wiederzugebende. Seine eige-
nen zeitnahen Madonnenschöpfun-
gen, die „Weihnachtsmadonna―
und die Studie zur „Madonna in
den Blüten― atmen den reinen Geist
tiefer Religiösität.
Die Ausstellung war in den elegan-
ten Ausstellungsräumen der Han-
delskammer vorbildlich aufge-
macht, die Bilder ausnahmslos mit
erlesenem Geschmack gerahmt und
gehängt; endlich verdient die gute
Idee des städtischen Kulturamtes
rühmlich verzeichnet zu werden,
eine – übrigens bestens gelungene –
allgemeine Führung zu veranstal-
ten.
Wie ihm Berufenere und Verständi-
gere herzliche Worte des Lobes und
der Anerkennung in das Gästebuch
schrieben, so sei Oswald Kollreider
von dieser Seite Dank gesagt für
sein Wagnis, sein bisheriges Werk
in dieser Form der Betrachtung zu-
gänglich zu machen; das Experi-
ment ist geglückt, wie der rege Be-
such, das Interesse weiter Kreise
und die zahlreichen Ankäufe be-
weisen. Besonderer Dank gilt ihm
auch für die liebenswürdige Art,
mit der er sein Publikum, insbeson-
dere auch die Schuljugend, in die
Welt seiner Themen und seines
Schaffens einführte.
So wollen wir unseren heimischen
Maler Oswald Kollreider wün-
schen, dass er weiterhin die rechten
Pfade, sucht und findet zu seinem
Ziel und rufen ihm nach gutem
Bergmannsbrauch „Glück auf!― zu.
Zur Verfügung gestellt von Ortschronik
Kartitsch, Hilda Außerlechner