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Seite 39

Gemeindezeitung Kartitsch

Februar 2015

D

ie Kriegswinter von 1914 bis

1918 waren alle streng mit wie-

derholt großen Schneefällen,

1914/15 war zudem die Witte-

rung sehr ungünstig, den ganzen

Winter über waren kaum brauch-

bare Voraussetzungen zum Berg-

heuziehen. Als man sich Anfang

März trotzdem an´s

Obstanser

Heuziehen

wagte, riss am Mor-

gen des 5. März im „Obstanser

Knottn― eine

Lawine

den Inner-

wieser-Bauer Leonhard Bodner in

die Tiefe. Zurück blieb die junge

Bäuerin, die in wenigen Monaten

ihr drittes Kind erwartete.

Verteidigungslinie Hollbruck -

St. Oswald - - Die Angst ging

um!

Bereits ab Jahresbeginn 1915

wurden, vom Militärkommando

angeordnet, ältere Männer aber

auch Buben und Mädchen an den

eingeschneiten Frontbefesti-

gungsbauten in Hollbruck und St.

Oswald zum

Schneeschaufeln

eingestellt und dafür auch be-

zahlt. Sonnseitig wurde dafür

auch eine vier Meter breite

Schneise gegraben. Als Anfang

März der Boden auftaute, wurde

an den

Frontbefestigungen wei-

tergearbeitet

sowie Schieß-

scharten und Laufgräben errich-

tet. Wie schon im Herbst, waren

viele Fremdarbeiter

bei Bauern

in St. Oswald und Hollbruck ein-

quartiert. Beinahe allabendlich

traf man sich in der Greter Stube

mit Zuhörern vom Dorf zu Mu-

sik, Gesang und Unterhaltung.

Neben

russischen Kriegsgefan-

genen

kamen Anfang Mai 1915

die ersten fremden Truppen ins

Dorf, eine

tschechische Ar-

beitstruppe

, die in den Bauern-

höfen von St. Oswald einquar-

tiert und beim Ausbau der Befes-

t i gungs l i ni e Hol lbruck -

St.Oswald eingesetzt wurde.

Zu „Kassern―, den Feldern ober-

halb von St. Oswald wurde ein

großer überdachter

Artillerie-

Stützpunkt

mit Mannschafts-

räumen errichtet und Anfang

Mai dort ein

Geschütz

, Kaliber

7cm

stationiert

, wobei eine Rei-

he russischer Kriegsgefangener

das schwere Gerät über den

„Horan―, einen steilen Karren-

weg nach St. Oswald und weiter

zum Stützpunkt oberhalb dem

Dorf hinaufziehen musste. Ein

ähnlicher Stützpunkt wurde auch

oberhalb der

Schneider Felder

am Eingang ins Hollbrucker Tal

errichtet.

Der Kriegseintritt Italiens schien

ab Februar/März 1915 immer

wahrscheinlicher. Zusätzlich

zum Leid der Bevölkerung über

das Schicksal Ihrer Angehörigen

an der Front war in diesen Wo-

chen die

Sorge

um das ungewis-

se

Schicksal

der

Heimatort-

schaften

ungeheuer groß.

Seitens der Heeresleitung be-

stand in der Tat die

Absicht

, im

Ernstfall die Orte des Kartitsch-

Tilliachertales zu

evakuieren

und die

Verteidigungslinie

über

Sexten-Hornischeck-Hollbruck-

St. Oswald-Dorfberg zu bezie-

hen. Dies hätte die

Zwangsräu-

mung

von Kartitsch, St. Oswald

und Hollbruck erfordert. Zudem

wurden weitere Vorkehrungen

getroffen, falls diese Frontlinie

nicht zu halten sei.

Die Absichten der Militärs konn-

ten im Dorf nicht geheim blei-

ben, zumal die Befestigungs-

Baulichkeiten ja für alle ersicht-

lich waren.

Die Angst

unter der

Bevölkerung war furchtbar

groß

. Alle waren ratlos, einige

wollten

abwandern

, andere

kurzfristig

wegziehen

, bis der

Krieg vorbei sei. Bei manchen

Folge 5

Zu „Kassern“ mussten die Kriegsge-

fangenen ein Gebirgsgeschütz M8, 7

cm in Stellung bringen

Ein Marterl am Obstanser Weg erin-

nert an das Lawinenunglück vor 100

Jahren