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Februar 2015

Gemeindezeitung Kartitsch

Seite 40

auswärtigen Verwandten wurde

wegen einem

Notquartier

nach-

gefragt.

Der Untergasser-Bauer Johann

Außerlechner kaufte sich in Mie-

ming in Nordtirol einen Bauern-

hof, um für seine Familie und

Verwandte einen Platz zu haben,

und zog dorthin. (Heute vulgo

„Pusterer― in Weidach/Mieming,

Nr. 58).

Auch Hausrat, Geschirr und wert-

voll scheinende

Gegenstände

versuchte man in Sicherheit zu

bringen. Einiges wurde mit Wa-

gen und Ochsengespann zu Be-

kannten nach Villgraten geliefert,

einiges ins Iseltal. Einige Findige

vergruben Wertvolles

im Garten

oder räumten es in eine Truhe

und versteckten es in einer Heu-

schupfe, wie Oswald Sint berich-

tet.

Das letzte Aufgebot - Die

Standschützen

Angesichts der militärischen Not-

lage verfügte im Jänner 1915 das

Tiroler Landesverteidigungskom-

mando für ganz Tirol einschließ-

lich Welschtirol (Trentino) und

Vorarlberg die

Aufstellung

von

Standschützenbataillonen.

Da die besten Truppenverbände

Tirols an der Front im Osten ge-

bunden waren, standen hiefür nur

mehr bisher

Untaugliche

, junge

Burschen

bis 17 Jahren und

älte-

re Männer

ab 45 Jahren zur Ver-

fügung, auch ausgeschiedene,

nicht mehr frontdienstfähige ehe-

malige Kaiserjäger oder Landes-

schützen. Für die verantwortli-

chen Militärs bedeutete dies ei-

ne

ungeheure

Herausforde-

rung.

Ohne jede Erfahrung und

kaum unterstützt von Wien soll-

te innerhalb weniger Monate ein

Heer von rund 40.000 Mann,

überwiegend Jungen, Alten und

Untauglichen aufgestellt, ausge-

rüstet und allenfalls an eine völ-

lig unvorbereitete

Gebirgsfront

transportiert werden. Trotzdem

nicht alles funktionierte, gelang

dabei vieles staunenswert gut.

Gesetzliche Regelungen

waren

zu beachten, etwa Freiwilligkeit,

Verteidigung nur der Landes-

grenzen und ähnliches, weiters

waren

Schießstandrechte

, etwa

Wahl der eigenen Offiziere ein-

zuhalten. Bezüglich

Adjustie-

rung

waren noch Ende März

1915 vom Armee-Kommando in

Wien („für einen unklaren

Zweck―) weder Uniformen noch

Gewehre bewilligt, erst im April

wurden 16.000 ältere Mauser-

Gewehre mit Munition freigege-

ben. Die zusätzlich erforderliche

Geb i rg s au s rü s t ung

wa r

grossteil noch bei der Mobilma-

chung nicht zur Verfügung. Zu-

dem wurde in den Spätwinter-

monaten 1915 in Tirol befürch-

tet, die neu aufgestellten Stand-

schützenformationen könnten

landesfremd an der gefährdeten

Karpatenfront eingesetzt wer-

den, weswegen der organisatori-

sche Stand an das Armee-

Kommando in Wien nur lücken-

haft weitergegeben wurde.

Während man sich in Kartitsch

ähnlich wie an anderen Schieß-

ständen während der Wintermo-

nate 1914/15 im

Schießen

und

einfachen

Umgang mit Waffen

übte, wurden nun landesweit die

Standschützen

in Bataillone,

Kompanien und Züge organisiert

und galt es, die gesamte Logistik

eines Einsatzes zur Landesvertei-

digung aufzubauen.

Im

April 1915

erfolgten Inspizie-

rungen mit weitherzigen Muste-

rungen und Trennung in

front-

verwendungsfähige

und

min-

dertaugliche

Standschützen und

Mitte Mai 1915

standen in ganz

Tirol und Vorarlberg als „letztes

Aufgebot― rund

40.000 Stand-

schützen

in 51 Bataillonen sowie

zusätzlich einigen selbständigen

Kompanien für den Abmarsch an

die Gebirgsfront bereit. Die Äl-

testen waren nahezu 80 Jahre, die

jüngsten zwischen etwa 14. Na-

türlich waren

viele

von ihnen für

lange, feldmäßige Einsätze

an

der Front nicht geeignet und die

Einheiten altersbedingt

starkem

Verschleiß

unterzogen. Wohl

deshalb differieren auch die ange-

gebenen Zahlen stark.

Im Pustertal wurden die drei

Standschützenbataillone Wels-

berg, Lienz und Sillian errichtet.

Das Standschützenbataillon Sil-

lian

bestand im Mai 1915 aus

Angehende Standschützen lernen

den Umgang mit der Waffe

Mobilmachung der Standschützen,

hier in Windisch-Matrei

Die Untergasser-Familie, die 1915

nach Mieming siedelte.