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FODN - 62/01/2016
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INSTITUTIONEN & VEREINE
Ein Beitrag von Paul Gratz
W
as hat Leopoldine Josepha Ca-
roline von Österreich, die in
Südamerika Kaiserin war, mit
der Befreiung Österreichs nach dem 2.
Weltkrieg zu tun. Noch dazu wurde die-
se Frau 1797 geboren, also 158 Jahre vor
der Unterzeichnung des Staatsvertrages.
Leopoldine, von den Wienern lie-
bevoll Poldl genannt, wurde 1797 als
Tochter von Kaiser Franz 1. von Öster-
reich und dessen zweiter Frau Prinzes-
sin Maria Theresia von Neapel-Sizilien,
geboren. Sie war eine gute Schülerin
und vielseitig begabt. Zu ihren Beschäf-
tigungsgebieten zählten die Botanik,
Schmetterlingskunde und Zeichnen.
Französisch, Italienisch und Latein be-
herrschte sie perfekt.
1816 begannen die Verhandlungen
bezüglich einer Heirat des portugie-
sischen Kronprinzen Dom Pedro mit
Erzherzogin Leopoldine. Am 13. Mai
1817 wurde Leopoldine in St. Augustin,
der Hochzeitskirche der Habsburger, in
Wien per Stellvertreter mit Dom Pedro
verheiratet. Als Stellvertreter fungierte
Ihr Onkel Erzherzog Karl. So machte
sich Leopoldine nun auf nach Rio de
Janeiro wo sie nach dreimonatiger Rei-
se ankam. Am 6. November 1817 fand
unter großer Prachtentfaltung in der kö-
niglichen Kapelle des Staatspalastes die
Trauung von Leopoldine und Pedro statt.
Als sich Pedro 1822 zu einer Reise ins
Ausland entschloss, lies er Leopoldine
als Regentin zurück. Brasilien war da-
zumal in portugiesischen Besitz. Doch
Leopoldine hat aufgrund ihrer Ge-
schicklichkeit ohne Blutvergießen die
Unabhängigkeit Brasiliens erwirkt.
Sie hat in Brasilien die Leibeigen-
schaft und den Sklavenhandel aus Af-
rika abgeschafft. Dann hat sie noch für
Österreich und Deutschland einen 48 ha
großen Besitz erworben. Das heutige
Dreizehnlinden.
Die Anfangs harmonische Ehe wur-
de jäh beendet als der Kaiser auf seiner
Reise nach Sao Paulo eine Frau kennen
lernte und sie offiziell als seine Geliebte
bei Hofe einführte.
Die persönlichen Auseinandersetzun-
gen steigerten sich derart, dass Pedro
anfing seine Frau zu misshandeln und
zu schlagen. Am 1. Dezember soll Pe-
Weltpolitik einer
Österreicherin
Von der Unabhängigkeit Brasiliens bis zum Abzug der Sowjets aus Wien
dro der schwangeren Leopoldine so
sehr in den Bauch getreten haben, dass
eine Fehlgeburt ausgelöst wurde und
sie selbst nur zehn Tage später, am 11.
Dezember 1826 im Palast Boa Vista bei
Rio de Janeiro starb.
128 Jahre später im Jahre 1954 bra-
chen die Politiker Raab, Figl, Kreisky
und Steiner nach Moskau auf um zu
erreichen, dass Russland das besetzte
Österreich freilässt. Durch günstige
Umstände ist es ihnen gelungen, die
Unterschrift Moskaus mit nach Hause
zu nehmen. Die günstigen Umstände
waren grün, gelb, blau – die Farben der
brasilianischen Fahne.
Dem damaligen Präsidenten von Bra-
silien Getulio Vargas ist das Denkmal
der Leopoldine in Dreizehnlinden auf-
gefallen. Durch Nachforschungen hat er
erfahren, welche Bedeutung die Öster-
reicherin für Brasilien hat. Und wenn
Österreich so viel für Brasilien getan
hat, dann muss auch Brasilien etwas für
Österreich tun. So war Brasilien maß-
geblich an der Befreiung Österreichs
nach dem 2. Weltkrieg beteiligt.
Leopoldine als Regentin, 1822