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2015

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hronik

Pfarrer Jeller sehr geschätzt

wurde.

In den Ferien nach dem 1.

Schuljahr lebte Adelheid bei

der Großmutter und Tante

Paula im Widum, auch um

auszuprobieren, ob es für alle

Bewohner, besonders für sie

und den Pfarrer, doch „pas-

sen“ könnte. Zufällig gab es

auch Kontakt mit der Leh-

rerin, die ihr sehr zusagte,

sodass von Adelheids Seite

ein Ja zur Übersiedlung si-

cher war. Für Pfarrer Jeller

hätte der Bibelspruch „Wer

eines dieser Kinder auf-

nimmt, nimmt mich auf“ als

Entscheidungshilfe gedient.

Adelheid erzählte bei ihrem

Besuch, dass Pfarrer Jeller

mit ihr freudig Tonbandauf-

nahmen gemacht hätte, mit

Schul- und Kirchenliedern.

Zum Schmunzeln bringt fol-

gende Erzählung: Bischof

Rusch wurde bei der Visita-

tion in Untertilliach das Wi-

dum mit seinen Räumlich-

keiten gezeigt, u. a. auch das

Zimmer von Tante Paula und

Adelheid, worauf er recht er-

staunt gefragt hätte: „Hat sie

ein Kind?“

Als Adelheid 13 Jahre alt war,

übersiedelte sie mit Pfarrer

Jeller und Tante Paula Klam-

mer nach Grafendorf/Gaim-

berg, seinen zweiten und letz-

ten Pfarrerposten. Adelheid

absolvierte ihr letztes Schul-

jahr (8. Schulstufe) in Gaim-

berg und fühlte sich dort bald

sehr wohl.

Nun noch das Wichtigste zum

Friedhof und zur Kapelle:

In der Nähe des Lagerplatzes

der Kosaken wurden in 28

Gräbern etwa 300 Kosaken

zur ewigen Ruhe gebettet.

Schon seit den 70er-Jahren

gab es Pläne zur Errichtung

einer Kapelle auf diesem

Platz. Nun war es hauptsäch-

lich dem Schwarzen Kreuz,

mit Unterstützung von vielen

Seiten (auch der weltweit ver-

streuten Kosaken) gelungen,

diese orthodoxe Holzkapelle

zu errichten. Planung, Holz-

bauarbeiten und das Altarbild

aus Holz stammen aus Lem-

berg/Ukraine. Auch einheimi-

sche Firmen waren am Werk,

wovon die Fa. Frey besonders

lobend hervorgehoben wurde.

Weil es noch allerhand im

Zusammenhang mit den Ko-

saken zu berichten gibt, wird

es in den nächsten „Sonnsei-

ten“ noch eine kleinere Fort-

setzung geben; vor allem,

weil einer davon Jahrzehnte

in Gaimberg gelebt hat und

auch hier begraben wurde.

Über das Chaos nach dem

Krieg und zur britischen

Besatzung

(wieder z. T. aus

dem Buch „Osttirol - vom 1.

Weltkrieg bis zur Gegenwart“

von Dr. Martin Kofler)

Zu seinem 56. Geburtstag

am 20. April war Hitler in

der „Lienzer Zeitung“ noch

als „die größte Gestalt die-

ser Erde“ bezeichnet wor-

den. 10 Tage später beging

er in seinem „Führerbun-

ker“ in Berlin Selbstmord.

Während sich der Ring der

Roten Armee (Sowjetuni-

on) um Berlin immer enger

schloss, war zur gleichen Zeit

(27. April) in Wien mit dem

Einverständnis der Sowjets

eine provisorische Staatsre-

gierung unter Kanzler Karl

Renner gebildet worden. Tags

darauf gelangten die ersten

US-amerikanischen Truppen

nach Tirol (Außerfern) und

am 3. Mai nach Innsbruck.

Als Besatzer waren dann aber

für Vorarlberg und Tirol die

Franzosen zuständig und die

US-Amerikaner für Salzburg

und OÖ. Die Briten betraten

als letzte Besatzungsmacht

österreichischen Boden und

marschierten 5 Tage später

in Lienz und Klagenfurt ein.

Seitens Londons wünschte

man die Beibehaltung der

Gaugrenzen, auch wegen der

verkehrsmäßig abgelegenen

Lage Osttirols. Nicht nur im

Pustertal, durch das als Folge

der Kapitulation der deut-

schen Italienarmee Verbände

der Wehrmacht zogen und die

Bevölkerung verunsicherten,

sondern auch in Lienz ging

in diesen Tagen alles drunter

und drüber. Die nur aus weni-

gen Personen bestehende und

unter der Führung der NS-

Verfolgten Theodor Hibler

und Hermann Pedit gebildete

Widerstandsbewegung fand

nur mehr eine verlassene NS-

Kreisleitung und Gestapozen-

trale vor. Die dortigen Öfen

bargen jede Menge Asche

verbrannter

Unterlagen.

Noch am 4. Mai war Hiblers

Frau von der SS verhaftet

worden, weil sie zu früh eine

rotweißrote Fahne zur Begrü-

ßung der alliierten Befreier

gehisst hatte. Am selben Tag

erklärte NS-Bürgermeister

Emil Winkler Lienz zur „frei-

en Stadt“ und tat in der letz-

ten Ratsherrensitzung einen

Tag später kund, dass man

die Kosaken rasch durch den

„Kreis Lienz“ zu den Ameri-

kanern schleusen wolle. Auch

die erste neue Stadtverwal-

tung unter Bgm. Oberhueber

bat die Briten, Übergriffe

der Kosaken hintanzuhalten.

Schließlich hatte man durch

die Kriegsfolgen andere Sor-

gen genug. Allerdings war

das Thema Kosaken abseits

des Lienzer Talbodens nicht

so bedeutsam, zum anderen

war es auch für die betroffene

Bevölkerung eine zeitlich ge-

sehen sehr kurze Episode in-

mitten der sonstigen Verunsi-

cherung nach dem Überleben

des (Bomben-) Krieges.

Aus vielen Ländern waren

Kosaken gekommen.

Foto: Ortschronik

Chaos nach dem Krieg und britische Besatzung

Schäden des Bombenkrieges am Hotel Post beim neu be-

nannten „Hauptplatz“ (nicht mehr Adolf-Hitler-Platz).

Foto: Ortschronik