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2015

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hronik

...und Gaimberger Erlebnis-

se und Bezüge zu den Kosa-

ken

Der geschichtliche Hinter-

grund zur Flucht der Kosaken

vor den Russen und den Par-

tisanen (u. a. aus einem Buch

von Dr. Martin Kofler):

Das besonders freiheitslie-

bende Volk der Kosaken im

Süden Russlands konnte

sich mit dem Kommunismus

des Diktators Stalin in der

neu entstandenen Sowjet-

union nicht anfreunden und

hatte somit im 2. Weltkrieg

zu den gegnerischen Deut-

schen gehalten, wodurch sie

im eigenen Land zu Feinden

wurden. Sie hatten sich der

dort einrückenden deutschen

Wehrmacht

angeschlossen

und waren nach der „Kriegs-

wende“ 1943 mit diesen

Einheiten zurückmarschiert

und schlussendlich zur bru-

talen Partisanenbekämpfung

in Oberitalien eingesetzt

worden. In der britischen

(landläufig „englisch“ be-

nannten)

Besatzungszone,

zu der Osttirol als damali-

ger Teil des Gaues Kärnten

gehörte, glaubten sie ver-

mutlich, sich sicherer fühlen

zu können. Im sogenannten

Jalta-Abkommen hatten al-

lerdings die „Großen Drei“

(Churchill/Gb., Roosevelt/

USA und Stalin) vereinbart,

alle ehemaligen Sowjetbürger

aus Oberkärnten und Ostti-

rol an „Russland“ (eigentlich

UdSSR, kurz Sowjetunion)

auszuliefern, was einem To-

desurteil gleichkam.

Im Mai 1945 kam also der

große Tross der Kosaken -

ca. 25.000 Männer, Frauen

und Kinder - mit rund 5.000

Pferden und einigen Kame-

len - über den Plöckenpass

und Oberkärnten ins Lienzer

Talbecken. (Zum Vergleich:

Lienz hatte damals 8.000 Ein-

wohner) Der Vertrag von Jal-

ta bestimmte aber ihre Aus-

lieferung an die Sowjetunion.

Martin Kofler schreibt, dass

man alle Kosaken entwaffnet

und die Offiziere zu einer er-

fundenen Konferenz wegge-

lockt hatte. Führungslos ge-

worden, war es nun leichter,

den erwarteten Widerstand

der Kosaken zu brechen, was

am 1. Juni 1945 in der Peg-

getz durch die Soldaten der

britischen Besatzung brutal

geschah. Während einigen

hunderten die Flucht gelang,

wurden andere in der Panik

zu Tode getrampelt, manche

sprangen in die hochwas-

serführende Drau, einige er-

hängten sich in den nahege-

legenen Wäldern. Insgesamt

waren an diesem Tag wohl

einige hundert Todesopfer

zu beklagen. Die folgenden

Auslieferungstransporte (ca.

22.000, mit Viehwaggons)

konnten von den Briten prob-

lemlos durchgeführt werden,

weil sich die Kosaken nun

hoffnungslos ihrem Schicksal

ergaben. Diese Deportation

hatte mehrere Folgen für Ost-

tirol und seine Bevölkerung:

Erstens „überschwemmten“

Hunderte von geflohenen Ko-

saken fast den ganzen Bezirk,

brachen in Almhütten ein und

begingen

(notgedrungen)

Nahrungsmitteldiebstähle.

Zweitens bedienten sich nicht

nur manche Einheimische am

verlassenen Besitz der Kosa-

ken, sondern bekamen von

den Briten nicht schwer ei-

nes der rund 5.000 Kosaken-

pferde, was teilweise auch

als „Entschädigung“ für den

Entfall der Heuernte u. a. zu

sehen war. Notgeschlachte-

te stellten eine Zeit lang die

Fleischversorgung,

beson-

ders der Stadtbevölkerung,

sicher.“

Das Thema „geflohene Kosa-

ken“ führt nun zu den erfrag-

ten Ereignissen, Erlebnissen,

mit den Kosaken in Gaim-

berg:

Dass die vielen Pferde und

anderes Vieh der Kosaken

den Talboden bis an die Berg-

hänge „kahlgefressen“ hat-

ten, ist landläufig bekannt.

Von einigen „Begegnungen“

und Erlebnissen in Gaimberg

ließ ich mir erzählen.

Der „Glantschnig Sepp“,

vulgo Unterkerschbaumer,

erzählte von einem Ereig-

nis, das noch im Mai, also

vor dem Massaker beim 1.

Auslieferungstransport ge-

schehen sein muss. Viele ar-

beitsfähige Kosaken werden

versucht haben, durch Hilfe

auf den umliegenden Bau-

ernhöfen ihr Leben zu fristen,

mit Lebensmitteln versorgt

zu werden. So hätten auch

bei ihnen am Bergbauern-

hof zwei Männer gut gelaunt

fleißig gearbeitet. Vermutlich

aus Freude über ihre gute

Verpflegung und als Zeichen

der Zufriedenheit hätten sie

vom „Sollder“ (Balkon) des

Futterhauses herunter mit ge-

waltiger Stimme ihre Lieder

erklingen lassen. Vielleicht

wollten sie in der Peggetz he-

runten gehört werden.

Die folgenden Berichte sind

tragischer Art und geben Ein-

blick in die schlimmen Situ-

ationen, in welche die Ge-

flüchteten oft gekommen sein

werden: Vor der Hüttentüre

der Alm des Unterkersch-

baumerhofes (heute oberhalb

der Faschingalmstraße) seien

eines Abends vier furchter-

regende

Kosakenoffiziere

gestanden und hätten Quar-

tier erwartet, was aber nicht

möglich war, weil die Hütte

eh schon voll besetzt war mit

Feriengästen aus der Stadt.

Ein anderes Mal seien Leute

gekommen und hätten Mus

gewünscht, was sie in ihre

mitgebrachten Metallgefä-

ße geleert hätten. Weiters

hätten sie um eine Decke für

ein kleines Kind gebeten und

seien wieder schleunigst im

Wald verschwunden. Sicher-

Vor 70 Jahren - Juni 1945

Die Tragödie an der Drau

von Ortschronisten Franz Wibmer

Ein Teil der Fahnenabordnungen und Teilnehmer bei der

Einweihung der neuen Kosakenkapelle in der Peggetz.

Foto: Ortschronik