Gemeindezeitung - page 27

FODN - 59/01/2015
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LANDWIRTSCHAFT
wändigeren Bearbeitung und des Zu-
satzes von anderen, nicht vom Erzeuger
produzierten, Inhaltsstoffen, z.B. Zuck-
er, Nüssen, Pökelsalzen oder Gewürzen,
spricht man von be- und verarbeiteten
Lebensmitteln.
Niemand baut selber alles an, und so
machen diese Zukäufe gewisse Produk-
te erst möglich. Und das sind durchaus
Produkte, wie Marmeladen, Kekse,
Selchwaren, Käsespezialitäten usw. die
auch schon unsere Vorfahren produziert
haben und von denen erwiesen ist, dass
auch schon damals Zucker und ähnli-
ches zugekauft werden musste. Inso-
fern haben nach meinem Ermessen also
Urprodukte und be- und verarbeitete
Lebensmittel gleichermaßen die Be-
rechtigung als „Bäuerlich“ bezeichnet
zu werden. Aber vorrangig sollte bei all
diesen bäuerlichen Produkten unum-
stritten die Dominanz der eigenen Roh-
stoffe stehen, denn sie sind es die mit
der Direktvermarktung dem Bauern ja
ermöglichen, den normalen Lebensmit-
telhandel zu umgehen.
Und diesen Punkt wage ich zu kriti-
sieren, denn die Grenzen von Eigenmit-
teln und Zukauf sind oft schwammig
und nicht selten wird hier getrickst, di-
rekt vom Bauern könnte oft eher direkt
zum Bauern heißen.
Plötzlich gibt es dann Müsli vom Bau-
ern, der kein einziges Hälmchen Getrei-
de anbaut und Feigenmarmelade aus
dem Gebirge…
Doch wenn sich so mancher direkt-
vermarktender Bauer plötzlich ein
ganz klein bisschen angesprochen fühlt,
dann kann ich ihn nur beruhigen, denn
ich gehöre auch dazu! Die Mandeln aus
meinen Keksen sind aus Kalifornien,
die Sonnenblumenkerne im Brot aus
Bulgarien, und mit meinen 20 Hühnern
kann ich gerade mal ein paar 10er Pa-
ckungen Eier verkaufen, die zum Ba-
cken kommen von Nordtirol oder Anras
auf der 30er Lage und sind jenseits von
Freilandhaltung und noch weiter weg
von der Haltung meiner 14 Luxusfrei-
land-Hühner.
Doch nichts ist endgültig und man
kann es besser machen, denn die-
ses „Direkt zum Bauern“ kann auch
ganz anders interpretiert werden, wir
Osttiroler Bauern können direkt vom
Mohnbauern im Waldviertel und vom
Obstbauern in der Südsteiermark ein-
kaufen, wir können die Butter und den
Schlag von den Tiroler Bauern benut-
zen, wir müssen nicht dänische Speck-
seiten suren, sondern einander (be-)le-
ben und leben lassen. Wenn also heuer
die Milchquote fällt und jemand seine
Landwirtschaft auf Bio-Freilandeier
umstellen will, stell ich mich schon jetzt
an, diese Eier in meine Kekse und Ku-
chen zu verbacken!
Aber wenn ich jetzt ausführlich die
Bauern in die Pflicht genommen habe,
will ich mich nun auch den Kunden,
quasi den Endverbrauchern zuwenden,
denn ohne Käufer wären unsere Pro-
dukte nun mal nicht vermarktet, und
sie sind es die uns mit Ihrem Einkauf
immer neu fordern, anregen, motivieren
und auch erhalten. Doch um zum Di-
rektvermarktungs- Kunden, bzw. „Hof-
laden-Junkie“ wie eine meiner Stamm-
kundinnen zu sagen pflegt, zu werden,
bedarf es auch eine gewisse Grundein-
stellung zur regionalen Landwirtschaft
und mitunter Verständnis dafür dass in
Osttirol Kletzenbirnen und Zwetschgen
leichter gedeihen als Himbeeren und
Marillen, dass man von 4 Schweinen
nicht 365 Tage im Jahr Speck verkaufen
und von einem Bergbauernhof mit zwei,
drei Äpfelbäumchen nicht unbegrenzt
Apfelchips erwarten kann…
Wer also wirklich direkt bäuerlich und
regional einkaufen will, sollte genau
hinsehen, was die Bauern in unseren
Breiten zu produzieren in der Lage sind
und honoriert es, dass die Leistung in
der Alpenregion, Kräuter, Obst, Milch,
Eier, Fleisch und mehr zu produzieren
einfach mit einem höheren Aufwand
verbunden ist.
Wir Bauern danken es Euch mit Ehr-
lichkeit und bleiben Euch erhalten.
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