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Großvater auch noch seine an-
deren Töchter vergewaltigt hat,
weiß ich bis heute nicht.“
Wahrheit zufällig erfahren
Bernhard erfuhr nur zufällig
von seiner Abstammung. „Als
ich einmal heimlich ein wildes
Schreien meiner Mutter mitge-
lauscht hatte. Damals war ich
rund zwölf Jahre alt. Sie tobte
damals mit ihremVater, der auf-
grund einer Krankheit schon
bettlägerig war und nicht mehr
lange zu leben hatte. Sie hielt
ihm in großer Verzweiflung
alles Mögliche vor und war
völlig außer sich. Ich glaube, sie
hat ihn auch mehrmals recht fest
ins Gesicht geschlagen. Er
konnte sich aufgrund seiner
Schwäche nicht mehr wehren,
und irgendwie hörte ich dann
aus ihren Worten heraus, dass er
sie missbraucht und gleichsam
geschwängert hatte und ich
dann zur Welt kam. Er selbst
konnte nur mehr etwas daher-
röcheln.“ Bislang hatte Bernhard
geglaubt, dass sein Vater ein
Italiener sei, der sich kurz vor
seiner Geburt aus dem Staub ge-
macht habe. „So hatte man es
mir jedenfalls stets erzählt. Weil
ich selbst eher ein etwas dunkler
Typ bin, glaubte ich das.“
Langsames Heranwagen
„Als ich mitbekam, was
meine Mutter ihrem Vater ent-
gegenschrie, war ich natürlich
zutiefst erschüttert.“ Wenige
Wochen nach dem Streit ver-
starb der Großvater bzw. Vater.
„Meine Mutter traute ich mich
lange nicht auf das mitangehörte
Gespräch anzusprechen. Ich
fürchtete mich unglaublich
davor. Denn sie war natürlich
schwer traumatisiert von den
Taten des Vaters.“ Eines Tages
nahm Bernhard dennoch allen
Mut zusammen und konfron-
tierte seine Mutter mit den In-
halten des damaligen Gesprä-
ches. „Sie starrte mich entsetzt
an und lief dann einfach davon.“
Nur langsam kam die Mutter
auf ihn zu. „Sie sagte mir, dass
sie mit mir nie darüber spre-
chen werde, ich solle das Mit-
angehörte einfach vergessen.
Ich war ihr einziges Kind und
wusste, dass sie mich im
Grunde gerne hatte. Sie sagte
mir aber, dass ich nichts dafür
könne und ich trotzdem ein
wertvoller Mensch sei.“
„Sie hatte große Angst“
Bernhard war mit einem
Schlag klar geworden, warum
sich seine Mutter immer so vor
ihrem Vater gefürchtet hatte.
„Ich bekam ihre große Angst
vor ihm ja hautnah mit, weil sie
mit mir bei ihren Eltern lebte.
Sie konnte sich selbst nicht er-
halten bzw. arbeiten gehen,
weil sie oft an schweren und
REPORTAGE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
OKTOBER/NOVEMBER 2018
30
Der Großvater von
Bernhard L. ist auch
sein Vater. Nach jahr-
zehntelangem Ringen
um den eigenen Selbst-
wert kann der Puster-
taler seine Abstam-
mung nun akzeptieren
und selbst eine liebe-
volle Beziehung leben.
Heute ist Bernhard L. Mitte
50. Als Facharbeiter verdient er
gutes Geld in einem weltweit
agierenden Betrieb. Kinder hat
er keine, aber eine Ehefrau, die
er nie missen möchte. „Sie half
mir sehr, mich als Mensch an-
zunehmen, so wie ich eben
bin“, erzählt Bernhard.
Er selbst wurde in einem
Haushalt groß, der nach außen
hin als recht angesehen und gern
von vielen Menschen besucht
war. Doch ob jemand schon da-
mals ahnte, wie Bernhard ge-
zeugt wurde, kann man nur ver-
muten. Gesprochen wurde aber
niemals darüber, dass der im Ort
angesehene Großvater eigentlich
Bernhard‘s Vater war, weil er
seine eigene Tochter miss-
braucht und in Folge auch ge-
schwängert hatte. „Sie war das
jüngste von mehreren Ge-
schwistern. Ob mein Vater bzw.
Vergangenheit ist für ihn
Bernhard L. konnte seine Vergangenheit endlich hinter sich lassen.
Im Dorf wurde immer über die Vergewaltigung der Tochter vom
eigenen Vater geschwiegen.