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28 OBERLIENZerlesen

Des Weltkriegs Leid von der Seele geschnitzt

Josef Oberhauser und sein Ehrenmal für die gefallenen Brüder und alle Opfer dieser

»sinnlosen Menschenschlachterei«

Es war am Sonntag, den 6. Mai

1951. Franz Kollreider, Kustos

des Museums Schloss Bruck der

Stadt Lienz, vermerkte intern,

dass ein Sepp Oberhauser aus

Deutschland

einen

großen

Schrein als Schenkung vorbeige-

bracht habe. Während das ein

Meter hohe hölzerne Denkmal

mit einer Grundf läche von rund

einem Quadratmeter zunächst in

die »bunte« Dauerausstellung des

»Heimatmuseums« aufgenommen

wurde, wanderte es ein paar Jahr-

zehnte später ins Depot. Seit

damals war es im Rahmen von

zwei Sonderausstellungen zu

sehen, zuletzt 2014 als eindrucks-

voller Einstieg in die Thematik

Erster Weltkrieg und die nach­

folgende Schau zum Totentanz

von Egger-Lienz. Der monumen-

tale Schrein war nämlich der

Dank eines Kriegsteilnehmers für

die eigene glückliche Heimkehr,

zugleich seine ehrende Erinne-

rung an die drei gefallenen

Brüder, das Gedächtnis an all die

Millionen Toten des Ersten Welt­

kriegs und ein eindringlicher

Aufruf zum Frieden.

Geschnitzt und bemalt hat das

private Ehrenmal Josef Oberhauser

aus Oberdrum (heute Gemeinde

Oberlienz) in rund zehn Jahren

Kleinarbeit. Er sei ein »schlichter

Bergmann« und »kein Künstler«,

deshalb habe er - wie in einem

eigens dazu verfassten Büchlein

zu lesen - kein Denkmal aus Stein

oder Metall schaffen können. Es

sei deshalb aber »einmalig und

beispiellos«, Vorlagen hätte es

keine gegeben. Sicher half ihm

das jahrelange Schnitzen und

Basteln an diesem Werk, das Sin-

nieren über Bilder und Sprüche,

das eigene Schicksal und den

Verlust der Brüder zu bewältigen.

Die Familie Oberhauser lebte auf

dem bäuerlichen »Waldnerhof« in

Oberdrum bei Lienz. Die Mutter

Maria Oberhauser war 1886 nach

der Geburt des sechsten Kindes

(vier Buben und zwei Mädchen)

gestorben; die im Haus lebende

Tante wurde zur Ziehmutter.

Vater Johann ereilte der Tod rund

vier Wochen vor Kriegsausbruch

1914. Die Kriegserklärung der

Habsburger Monarchie an das

Königreich Serbien, am 28. Juli

1914, bedeutete für zahllose

Männer die Einberufung zum

Militär, für viele den Tod auf

den Schlachtfeldern Galiziens.

So fiel am 29. August im Kampf

gegen die russischen Armeen der

29-jährige Ludwig als erster der

Oberhauser-Söhne. Johann kam

am 21. Mai 1915 ebenfalls an der

russischen Front bei Przemysl

ums Leben. Im letzten Kriegs-

jahr, genau am 28. Juni 1918,

verstarb Anton Oberhauser im

Garnisonsspital in Innsbruck.

So manche Familie in Tirol hatte

sogar noch mehr Gefallene zu

beklagen. Einzigartig ist die Ge-

schichte der Oberhausers deshalb,

weil der überlebende Sohn Josef,

geboren in Oberdrum 1881, das

sinnlose Sterben seiner Brüder in

dem besagten Schrein als

pazifistisches Monument ver-

ewigt hat und dieses bis heute er-

halten geblieben ist. Auf der

Frontseite erinnern drei Fotos an

die gefallenen Brüder, darüber

stellen zwei kleine Figuren Josef

Oberhauser und einen sterbenden

Kameraden dar, dem er verspro-

chen hatte, ihn nicht zu verges-

sen. Unten sind in einer Art

Grabkammer Fotografien der

drei Brüder zu sehen, Anton auf-

gebahrt nach der Überstellung

aus dem lnnsbrucker Lazarett.

Weiters entdeckt man ein Foto

des Schnitzers selbst sowie den

Sinnspruch: »Ihr seid nicht tot,

Ihr seid nur abwesend. Tot sind

nur jene, die vergessen sind. An

anderer Stelle ist von der »sinn­

losen Menschenschlachterei« zu

lesen, am Sockel von zwölf

Millionen heldenhaften Toten

und sieben Millionen Krüppeln.

Unübersehbar die Forderung »Nie

wieder Krieg, das walte Gott«.

Josef Oberhauser war in jungen

Jahren nach Deutschland ausge­

wandert. Als Bergarbeiter hatte er

im Ruhrgebiet sein Brot verdient

und eine Familie gegründet. Als

er im August 1915 zum Militär-

dienst beim 4. Regiment der

Tiroler Kaiserjäger einrücken

musste, waren zwei seiner Brüder

Josef Oberhauser 1910

(Ausschnitt aus einem Foto

von Johann Unterrainer)