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Das ABC des Veidler Karl
Juni 2017
A
nfang:
Als ich am 8. Septem-
ber 1945 als sechstes und
jüngstes Kind meinen Eltern
Maria und Lorenz Oberhuber in die Wiege
gelegt wurde, kehrte mit mir wieder Freu-
de ins Haus ein. Wenige Monate vorher
hatten meine Eltern zum zweiten Mal ei-
nen schweren Verlust hinnehmen müssen
(siehe Chronik).
B
runnhuber:
Der Lehrer Brunn-
huber bescheinigte mir mehr-
mals, dass aus mir nichts
werden würde. Bald hätte ich es ihm
geglaubt. Gerne hätte ich ihn gefragt, wie
er zu der Annahme komme, aber Fragen
waren nur dem Lehrer erlaubt. Es gab
aber auch Momente, wo seine Autorität
eine starken Dämpfer erfuhr: Nach Bäl-
len war er am nächsten Tag „blau“ und
machte öfters Rauchpausen. Er hatte
eine eigenartige Art zu rauchen. Bei je-
dem Zug streckte er die Zunge heraus.
Wir betrachteten das heimlich und mit
Häme. Später in der Berufsschule war
ich ihm für sein rigoroses Regiment dank-
bar. Ich hatte überhaupt kein Problem,
mit den Hauptschülern mitzukommen.
C
hronik:
1941 starb meine
Schwester Irmgard an Hirn-
hautentzündung. Sie war nur
12 Jahre alt geworden. Als Dreizehnjäh-
rige verstarb meine Schwester Margarete
an Knochenmarkeiterung im Juni 1946,
drei Monate vor meiner Geburt. 1950
starb mein Vater. Er war knapp 50 Jahre
alt.
D
ienste:
Jeder hatte zu Hause
gewisse Aufgaben zu erfüllen.
Der Franz war zum Beispiel
mit der Reinigung des Stubenbodens
betraut, ich sollte in der Küche den Bo-
den sauber halten. Wie früher in vielen
Häusern üblich, „wohnten“ die Hennen
in einer Steige in der Küche. Die Steige
saubermachen war eine besonders un-
angenehme Arbeit, denn die Hennläuse
verschmähten auch Menschenhaut nicht.
Das war mir sehr zuwider und ich sorgte
bald dafür, dass das Federvieh in den Stall
kam. Franz legte unter leisem Spott von
Hans ein Frühbeet an. Als dann die ers-
ten Salatköpfe geerntet wurden, war aller
Hohn verstummt.
E
ssen:
Wenn meine Brüder auch
meinten, dass wir immer genug
zu essen hatten, so stimmt das
nur bedingt. Wahrscheinlich waren sie
flotter bei der Schüssel. Ich kann mich
an Hunger erinnern, an Mus essen beim
Wahler und daran wie ich beim Brunner
um Butterbrot für mich und meine Freun-
de gebettelt habe. An beiden Orten wurde
mir gerne gegeben.
Wenn meine Brüder Hans und Lenz
beim Brennholzmachen im Seewald wa-
ren, musste ich ihnen das Mittagessen
nachtragen. Da duldete es kein Herumtrö-
deln. Um 11 Uhr war die Schule aus und
zum Zwölfeläuten musste ich wieder bei
der Kirche sein.
Das ABC des Veidler Karl
Klassenfoto 1952 (Karl 2. Reihe - dritter von links).