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ummer
55 - D
ezember
2016
C
hronik
Bereits vor 10 Jahren, in der
Nr. 25 der „Sonnseiten“, gab
Alt.-Bgm. Franz Kollnig sei-
ne Eindrücke als Feuerwehr-
mann von den Ereignissen im
November 1966 wieder. Er
schloß seinen Bericht mit den
Zeilen
: „Dieses Schreiben
sollte zur Erinnerung dienen.
Meine Erinnerungen bleiben
in der Weise aufrecht, als ich,
wenn ich müde zu Bett gehe,
seitdem fürchterliche Alb-
träume (Hochwasser, Erd-
beben) habe. Sicher haben
andere Leute das Geschehen
anders beobachtet und könn-
ten weitere Details schildern.
Sie möchten sich melden!“
Nun, als damals 14-jährige
„Gitsche“ habe ich es natür-
lich anders gesehen.Vielleicht
erlebte ich das Geschehen als
etwas Abenteuerliches, auf-
regend und spannend. Die
Murenkatastrophe im August
desselben Jahres streifte mich
ja sozusagen in der „Verban-
nung“ auf der „Peheim Alm“,
fernab von den Geschehnis-
sen im Tal. So konnte ich also
im November nichts „versäu-
men“.
Am 25. März 1966 verstarb
die „Freimann’ Tant‘, Frau
Anna Hintersteiner, aus die-
sem Anlass wurden die drei
Einzelgräber zur „Freimann
Grabstätte“ zusammengelegt.
Diese Arbeiten waren vor
Allerheiligen abgeschlossen
und die neue Grabstätte recht
gefällig „geschmückt“, was
man allerdings eine Woche
später als „Tumpf“ zu sehen
bekam. Das Wetter war noch
gar nicht so schlecht an die-
sem 1. November 1966, ein
Dienstag, wie auch heuer.
Damals galt es, den Gräber-
besuch am Nachmittag zu
absolvieren, das Hochamt am
Vormittag war ausnahmslos
„Allen Heiligen“ gewidmet.
Es war bereits deutlich kälter
geworden und in der Nacht
begann es zu schneien. Den
Allerseelentag beging man
bei heftigem Schneefall. Fast
einen Meter Schnee warf es
her, bevor uns dann der ein-
setzende Regen am 3. No-
vember einen gigantischen
Schneematsch bescherte. Es
regnete pausenlos weiter,
der elektrische Strom war
schon längst durch umge-
knickte Bäume ausgefallen,
das „Bachl“ rauschte, es ging
zunehmend in ein Rumoren
über. An Schlaf war nicht zu
denken, ebenfalls nicht an ei-
nen Schulbesuch.AmFreitag-
abend, 4. November - immer
noch kein Strom - die Stall-
arbeit hatte man bereits am
späten Nachmittag verrichtet,
ging in Lienz wieder die Sire-
ne, bei uns wurde per Glocke
am Kirchturm „sturmgeläu-
tet“. Das war noch unheim-
licher, als der Alarm aus der
Stadt herauf. Die „Freimann
Ann“ sorgte pausenlos für
kochendes Wasser am Holz-
herd, immer wieder kamen
Feuerwehrmänner um Tee zu
holen, sich aufzuwärmen und
die nassen Röcke zu wech-
seln. Meine Mutter versuchte
mit dem Onkel „Ofetta“ (Jo-
sef Schneeberger) per „Haue
und Krampen“ das Wasser so
gut als möglich vom Hause
weg zu leiten, ein wenig er-
folgreiches Unterfangen! Der
Erdboden im Keller war so
aufgeweicht, dass die Stre-
ben der Kotter (Runkel und
Erdäpfel) nachgegeben ha-
ben und alles durcheinander
rumpelte. Wir Kinder muss-
ten durch das Fenster hinab-
kriechen und soweit Ordnung
schaffen, dass die Türe wie-
der aufging.
Mitglieder des Bundesheeres
stellten eine Funkverbindung
zum „Zabernig“ her und man
zuckte immer wieder zusam-
men, wenn in den nächsten
Stunden der „Feldapparat“
schrillte und ein Wachmann
die Situation durchgab.
Die
dramatischste
Ent-
wicklung zeichnete sich in
der Nacht von Freitag auf
Samstag, den 5. November,
ab. Man hörte nicht nur die
einzelnen Geröllschübe im
„Graben“ hinten, man roch
sie auch. Wie bereits im Au-
gust flüchteten die „Dörfler“
teilweise wieder zum „An-
gerer“, das „Bachl“, - inzwi-
schen tatsächlich aber ein rei-
ßender „Lettnstrom“ - brach
ostwärts aus und vermurte die
Felder vom „Gorele“, „Pe-
heim“ und Rainer. Das ganze
Ausmaß der Verwüstung die-
ser Nacht sah man am Sams-
tagmorgen. Müde saßen eini-
ge Männer bei uns in „Kuchl
und Stube“, besprachen das
„Glück im Unglück“ - wie
den umgekippten Caterpillar
des Herbert Obkircher, der
noch rechtzeitig abspringen
konnte, die Verklausung, die
glücklicherweise den Wild-
bach in die Pipeline (Öllei-
tung im Bau) anstatt in die
Brennerlesiedlung „umleite-
te“, die zahlreichen Meldun-
gen über die Hangrutsche in
den verschiedenen Gemein-
degebieten, es gab aber keine
Verluste an Menschen oder
Tieren zu beklagen. Mein
Vater, Peter Duregger, da-
mals noch FF-Kommandant,
koordinierte per Feldtelefon
und Funkgerät die Einsätze
so gut es ging und war mit
Bgm. Siegmund Rainer stän-
dig zu den „Schauplätzen“
unterwegs. Das ganze Wo-
chenende über wurden Speck
und Würstln gesotten, etliche
Leute brachten derartige ge-
eignete „Jausenspenden“ wie
„Kiachln“, „Russischen Tee“,
Rum und Schnaps, sie hal-
fen auch bei der Hausarbeit
und Jausenverteilung. In Er-
innerung geblieben sind mir
besonders auch die betenden
„Grießmann-Tanten“, die be-
reits beim Freimann wohnten.
Ihr unablässiges Gemurmel
empfanden ich und meine
Geschwister doch als sehr
beschützend und beruhigend.
Am Montag, den 7. Novem-
ber regnete und schneite es
wieder, es war schulfrei und
am Abend schrillte abermals
der „Apparat in der Lawe“,
es wurde der letzte große
Hangrutsch vom „Zaber-
nig“ herunter in den Graben
gemeldet. Wenigstens hatte
man wieder Strom, es schien
nicht mehr so unheimlich, das
Grollen und Poltern im Gra-
ben nicht mehr gar so laut,
allerdings dauerte es den gan-
zen November, bis die gröbs-
ten Schäden beseitigt und die
notwendigsten
Instandset-
zungsarbeiten abgeschlossen
waren und der Alltag wieder
einigermaßen zurückkehrte.
Zu meinem Alltag als Haupt-
schülerin zählten nun auch
die Fahrten in der aufgestell-
ten Caterpillarschaufel durch
das Bachbett des Grafenba-
ches und wenn der Fahrer Ob-
kircher gut drauf war, durfte
man diese sogar bis hinunter
zum „Seeber“ genießen. Heu-
te wäre dies ein undenkbares
Vergnügen! Uns Schulkinder
beschäftigten bald andere
Dinge, die Älteren richteten
aber weiterhin ihre besorgten
Blicke in Richtung „Grafen-
bachgraben“. In den folgen-
den Jahren setzte man die
Verbauung verstärkt fort, es
waren Neuvermessungen und
Wegebauten erforderlich. Das
Dorfbild begann sich zu ver-
ändern!
Mit dem Caterpillar zur Schule
Novemberhochwasser vor 50 Jahren (von Elisabeth Klaunzer)