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jegliche Unterstützung eines Krieges verbiete.

In der Urteilsschrift heißt es:

„Der Treubruch

und die möglichen schweren Folgen zwingen

daher, sie zum Tode zu verurteilen.“

In ihrem Abschiedsbrief schrieb Helene an

ihren Verlobten:

„Mein liebster Luis, muss Dir

leider mitteilen, dass heute Abend um 5 Uhr

das Urteil vollstreckt wird. (…). Ist halt doch

besser, dem Herrn treu zu bleiben. (…) Mit vie-

len herzlichsten Grüßen und Küssen von deiner

dich liebenden Lene; (…)“

Am 1. November hatte sie in ihrem Gnaden-

gesuch geschrieben:

„ (…) Ob Sie mir nicht

so gut und so liebenswür-

dig wären mit aufgehobe-

nen Händen möchte ich

bitten um Begnadigung

(…) hauptsächlich wegen

meiner Mutter weil so an

mir hängt. (…)“

In der Kostenverrechnung,

die die Angehörigen er-

hielten, lautete die men-

schenverachtende

Formulierung: „Gebühr

gemäß §§ 49, 52 d. GKG

(= Gerichtskosten-gesetz)

für Todesstrafe 300,-.“

Helene Delacher fand

aber nicht einmal nach

ihrem Tod ihre Ruhe. Sie

war eine von Hunderten

vorwiegend weiblichen

Exekutionsopfern, deren

Leichnam der NS-Anatom

Dr. Hermann Stieve am

Anatomisch-Biologischen

Institut der Berliner Fried-

rich-Wilhelms-Universität

für seine „Forschungen“

beanspruchte. Er wollte

u. a. untersuchen, ob

Schockerlebnisse in kurzer

Zeit einen vom weiblichen

Zyklus abweichenden

Eisprung auslösen können.

Es ist offensichtlich, dass

Stieve Einfluss auf den Zeit-

punkt der Hinrichtungen

nahm, um an den weib-

lichen Leichen möglichst

zeitnah seine anatomi-

schen Studien durchführen

zu können. Hermann

Stieve erstellte 1946 im

Auftrag der Berliner Behör-

den eine Liste mit den

Nummern von 174 Frauen

und acht Männern, die in

NS-Hinrichtungsstätten den

Tod fanden und anschlie-

ßend in seinem Institut

seziert wurden. Helene

Delachers Name ist dort

unter der Nummer 54 an-

geführt. Die Liste ist aber

sicher nicht vollständig.

Alle Opfer wurden nach

der Sektion eingeäschert.

Hermann Stieve wurde

nach dem Krieg von allen

Besatzungsmächten ver-

hört und kehrte dann in

Amt und Würden in sein

Institut an der Berliner

Charité zurück.

Helene Delacher wurde

auf Antrag der Zeugen

Jehovas mit Beschluss des

Landesgerichtes Wien

vom 8. September 1999

rehabilitiert. Ihr Name

steht nun unter als einer

von „Den für die Freiheit

Österreichs Gestorbenen“

(„Pro libertate Austriae

mortuis“) am Befreiungs-

denkmal am Innsbrucker

Landhausplatz (siehe

Fotos) und im Buch der

Opfer beim Mahnmal für

die Osttiroler Opfer des

Nationalsozialismus bei

der Pfarrkirche St. Andrä

in Lienz. (Klaus Lukasser)