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Seite 17

08/2017

Der Einjährige Beifuß (Artemisia

annua) hat im Westen in den

1970iger Jahren vor allem durch

seine spektakuläre Wirkung bei

Malaria Aufmerksamkeit erlangt.

Doch diese Heilpflanze kann weit

mehr: In China wird sie bereits

seit Hunderten von Jahren erfolg-

reich gegen Parasiten, Bakterien,

Viren und Pilzen sowie zur Stabi-

lisierung des Immunsystems ein-

gesetzt.

Neueste Studien weisen nun dar-

auf hin, dass Artemisia annua sogar bei Diabetes und Krebs

erfolgversprechende Wirkung zeigt.

Artemisia annua, ein Verwandter unseres gewöhnlichen Bei-

fußes (Artemisia vulgaris), hat seine steile Karriere vor allem

der Traditionellen Chinesischen Medizin zu verdanken – und

zwar als Antimalaria-Pflanze. 1969 fand die Professorin You-

you Tu in alten Schriften aus dem dritten Jahrhundert einen

Hinweis auf „Quing Hao“ – so heißt Artemisia annua auf Chi-

nesisch: Ein wundersames Kraut, welches angeblich das

Wachstum der Malaria-Parasiten verhindern sollte. Youyou

Tu testete damals das beschriebene Extrakt an malariakranken

Mäusen und stellte fest: Die Erreger der Malaria wurden zu

hundert Prozent getötet! Für die Entdeckung des Artemisinins

wurde Youyou Tu 2015 mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt.

Mittlerweile gilt das Kombinationspräparat auf Artemisinin-

Basis weltweit als das Anti-Malaria-Medikament und hat

Millionen von Menschen das Leben gerettet.

Doch was, wenn die ganze Pflanze noch wirksamer ist als ihre

Einzelteile? Was, wenn sie nicht nur Malaria heilt, sondern

auch viele weitere Krankheitsbilder? Denn auch hierfür finden

sich Belege in den chinesischen Quellen. So wurde Artemisia

annua schon vor 2000 Jahren nicht nur erfolgreich bei Malaria

und Fieber eingesetzt, sondern auch zum Desinfizieren von

Wunden, bei Verdauungsstörungen, Hämorrhoiden, Infektio-

nen jeder Art, Gelenksbeschwerden, Hautproblemen und

sogar als Krebsmittel. Mittlerweile ist die breite Heilkraft der

Pflanze in mehr als 500 wissenschaftlichen Studien nachge-

wiesen worden.

Als Zusatz zu herkömmlichen Therapien soll der Wirkstoff

aus dem Einjährigen Beifuß dazu beitragen, schnell wachsen-

de Krebszellen innerlich zu sprengen.

„Das ist ein Wirkstoff und kein Hokuspokus-Glaube

“ sagt Pro-

fessor Dr. Thomas Efferth vom Deutschen Krebsforschungs-

zentrum in Heidelberg.

Er entdeckte, dass Artemisinin bei Krebs auf ähnliche Weise

zu wirken scheint – wie bei Malaria. Das Geheimnis seiner

Wirkung liegt dabei in seiner Reaktion mit Eisen, das sich in

hohen Konzentrationen in Malariaerregern findet. Gerät Arte-

misinin mit dem Eisen in Kontakt, kommt es zu einer chemi-

schen Reaktion, durch welche freie Radikale erzeugt werden:

Die eigentliche Waffe gegen die Malariaparasiten. Diese grei-

fen die Zellmembranen an, reißen sie förmlich auseinander

und vernichten so die Erreger.

Da auch Krebszellen große Mengen an Eisen verbrauchen, um

bei der Zellteilung ihre DNS reproduzieren zu können, enthal-

ten auch sie wesentlich höhere Eisen-Konzentrationen als nor-

male Zellen. Krebszellen pumpen sich regelrecht mit Eisen

voll. Verabreicht man nun Artemisinin, wird die gleiche Reak-

tion wie beim Malariaerreger in Gang gesetzt: Es kommt zur

massiven Freisetzung von Sauerstoffradikalen in der Krebs-

zelle, was zu ihrem Untergang führt.

Bestätigt wurde dies durch Befunde an Brustkrebszellkulturen.

Acht Stunden nach der Behandlung mit Artemisinin waren 75

Prozent der Zellkulturen vernichtet, nach 16 Stunden lebten so

gut wie keine Krebszellen mehr. Noch beeindruckender waren

Tests mit Leukämiezellen. Diese waren bereits nach acht Stun-

den völlig zerstört. Entscheidend dabei ist: Artemisinin han-

delt selektiv – es wirkt ausschließlich auf Krebszellen toxisch,

während es im Hinblick auf gesunde Zellen unwirksam ist.

Darüber hinaus stört es die Neubildung von Blutgefäßen der

Krebszellen, bremst die Metastasenbildung ab und führt sogar

zur Apoptose – eine Art Selbstmordmechanismus der Krebs-

zellen.

Die Pharmaindustrie unterstützt derzeit keine großangelegten

Studien, da sie natürlich größte Konkurrenz zu ihren Milliar-

denumsätzen mit der herkömmlichen Chemotherapie befürch-

ten muss.

Der Einjährige Beifuß scheint darüber hinaus auch großes

Potential bei der Bekämpfung von Diabetes Typ I und Typ II

zu haben. Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare

Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

gab im Dezember 2016 eine Pressemitteilung heraus: „Durch-

bruch in der Diabetesforschung“ – mit dem Untertitel „Pan-

kreaszellen produzieren Insulin durch Malariamedikament“.

So scheint Artemisinin Alpha-Zellen der Bauchspeicheldrüse

in insulinproduzierende Beta-Zellen umzuwandeln – also in

jene Zellen, die beim angeborenen Typ I Diabetes vom eige-

nen Immunsystem zerstört werden. Dr. Stefan Kubicek und

sein Team stellten fest, dass Artemisinin den genetischen

Schalter umlegt, der zur Umwandlung von Alpha- in Beta-

Zellen führt.

Außerdem weisen neueste Forschungsergebnisse darauf hin,

dass die Wirkstoffe der Pflanze auch in der Lage sind, beim

sogenannten Altersdiabetes – dem Typ II Diabetes – den deut-

lich erhöhten Blutzuckerspiegel zu senken. So wird vor allem

die Insulinausschüttung der Beta-Zellen durch die Inhaltsstof-

fe der Heilpflanze stimuliert und die Aktivität des Insulins

gesteigert. Außerdem wird das erst in jüngster Zeit entdeckte

Hormon Betatrophin aktiviert, welches Betazellen in der

Bauchspeicheldrüse dazu bringt, sich schneller zu vermehren,

größer zu werden und insgesamt mehr Insulin zu produzieren.

Artemisia kann sowohl vorbeugend zur Stärkung des Immun-

systems, als auch zur Behandlung von Erkrankungen ange-

wendet werden. Innerlich wird Artemisia annua in Form von

Tee, Pulver oder als Kapseln eingenommen, die in öffent-

lichen Apotheken erhältlich sind. Den recht bitteren

Geschmack verdankt der Beifuß seiner großen Anzahl gesun-

der Bitterstoffe, welche auch die Verdauung anregen. Den Tee

sollte man mindestens zehn Minuten ziehen lassen. Das Arte-

misia-Pulver kann man einfach in Joghurt einrühren, den man

mit einem Esslöffel Honig oder Agavendicksaft süßt. Auch in

Form von Salbe ist Artemisia hilfreich – unter anderem bei

Akne, Ekzemen, Hautpilz, Herpes, Juckreiz durch Insektensti-

che, Schuppenflechte und Warzen. Artemisia kann man übri-

gens auch im eigenen Garten anbauen. Die kleinen Samen sät

man im Frühjahr aus, im September/Oktober können die Blät-

ter geerntet und getrocknet werden. Die Pflanze wird etwa so

groß wie die Pfefferminze und duftet betörend.

Neue Hoffnung in der Krebstherapie

Die Seite für die Gesundheit

mit Doktor Adelbert Bachlechner