Previous Page  23 / 40 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 23 / 40 Next Page
Page Background

März 2017

Stefan Mayr und die Luggiser Leute

23

Ställe. Die Metzger auf dem Schiff

waren fleißig an der Arbeit, gab

es doch pro Tag je nach Klasse

¾ bis 1 Kilo Fleisch. Überra-

schend auch die Notiz, dass

pro Person täglich 1 Liter

Wein zur Verfügung gestellt

wurde. Allerdings war die

Oktoberwallfahrt 1901 eine

reine Männerwallfahrt.

Neben Stefan Mayr nah-

men 36 Personen aus dem

heutigen Osttirol an der Reise

teil: Vier Cooperatoren (Mat-

rei, Sillian, Hopfgarten, St. Ja-

kob), der Orgelbaumeister Alois Fuetsch

und der Fotograf Unterrainer Johann aus

Lienz, Männer aus Oberlienz, St. Jakob,

Matrei, Kals, Virgen, Strassen, Anras,

Dölsach, Patriasdorf (1939 in Lienz ein-

gemeindet), Obertilliach, Arnbach (bis

1939 eigene Gemeinde), Außervillgra-

ten, Abfaltersbach und Anras. Aus Am-

lach stammten der Casper Egger-Binder

und Anton Mair-Knecht. Beim Anton

Mair dürfte es sich um dieselbe Person

handeln, die schon 1898 bei der großen

Jubiläumswallfahrt dabei war. Man fei-

erte ein doppeltes Jubiläum: Leo der XIII

war 20 Jahre Papst, Kaiser Franz-Josef

seit 50 Jahren auf dem Thron der Mon-

archie. Dem Aufruf zu dieser Pilgerreise

waren mehr als 500 Personen gefolgt,

davon mehr als 60 Osttiroler.

Von dieser ausgedehnten Reise

brachte Stefan Mayr einen Hocker aus

Weißdornholz mit, der ein Jahrhundert

schadlos überstanden hat. Man sieht

deutlich die Ansätze der Dornen und es

mag wohl ein Hinweis auf die Dornen-

krone Jesu sein.

Aus seinem Nachlass stammt eine

sehr schöne Miniaturfastenkrippe in ei-

ner kleinen Flasche, datiert mit 1913,

vermutlich von ihm selbst gebaut.

Da Stefan Mayr selbst keine Kinder

hatte, adoptierte er den 1898 gebore-

nen Andreas Mayr, einen Sohn seiner

Schwester Maria aus Saalfelden. Anda

stammte aus einer Bergführerfamilie,

war in seiner Jugend begeisterter Berg-

steiger und Skifahrer und hatte schon

als Elfjähriger in Saalfelden Skirennen

gewonnen. Er kam als Zwölfjähriger

nach Tristach und erbte das Luggis-

ser Gut. In beiden Weltkriegen musste

er an die Front. Im 1. Weltkrieg war er

in Ungarn, am Isonzo und an der

Südfront bei Monte Cimone, im

2. Weltkrieg beim Polenfeld-

zug und zu Kriegsende noch

einmal in Flitsch, Jugosla-

wien. Zwischendurch war er

vom Wehrdienst befreit, weil

er die Milchsammelstelle in

Tristach übernommen hatte.

Er heiratete am 11. Feb-

ruar 1924 Anna Amort vom

Wutzer.

Der „Luggissa“ Anda war

ein Vereinsmensch, 40 Jahre

bei der Musikkapelle Tristach, Mit-

glied der Freiwilligen Feuerwehr und

Mitglied der Kameradschaft Tristach,

Amlach, Lavant. Er verstarb am 22. De-

zember 1985, seine Frau schon am 18.

Dezember 1965.

Nachforschungen über Mayr gestal-

ten sich meist schwierig. So wurde aus

der Anna Mayr, der Frau des „Lugissa“

Anda bei einem Ackertausch mit ihrem

Bruder innerhalb von wenigen Wochen

eine Maria Mair. Im Schlussakt bemüh-

te sich der Gerichtsschreiber noch ein „e“

in den schon falschen Namen einzufü-

gen, so hieß sie schließlich Maier. Auch

der Stefan Mayr, im Taufschein und

allen Urkunden mit y, wird bei seiner

Hochzeit im Matrikenbuch der Pfarre

Tristach zu Mair.

Die Zwillingssöhne des „Lugissa“

Anda Alois und Andreas waren ob ihrer

verblüffenden Ähnlichkeit schwer ausei-

nanderzuhalten. Vor allem für Zugezoge-

ne war es fast unmöglich, auf Anhieb zu

sagen, wen man gerade vor sich hatte.

Mancher behalf sich damit, dass And-

reas sonnengebräunter war als Folge

seines Berufes als Straßenarbeiter. Aber

auch das hatte seine Tücken, denn bei-

de waren begeisterte Bergsteiger, verwe-

gene Kletterer und „frischluftgegerbt“.

Leider machten beide keine Aufzeich-

nungen über ihre Touren.

Als in den Sechzigerjahren auch beim

„Luggissa“ Zimmer vermietet wurden,

machte Anderle viele Bergtouren mit sei-

nen Gästen. Manche von ihnen strapa-

zierten die Bergkameradschaft über Ge-

bühr, breiteten sich im ganzen Haus aus

und erschienen verlässlich zur Essens-

zeit in der Küche. Das mag aber nicht

nur beim „Luggissa“ so gewesen sein.

Dem Anderle war die Gastfreund-

schaft heilig. Er genoss sie seinerseits

auch gerne außer Haus.

Ich bedanke mich bei Daniela und

Hans Mayr für ihre Mithilfe bei den

Nachforschungen, für die Einsichtnah-

me in Dokumente und Unterlagen und

für die herzliche Gastfreundschaft.

Kofler Burgl

Hocker aus Weißdornholz

Die Zwillinge Alois und Andreas Mayr