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Die Hochzeit des Thomas Steiner

März 2017

Rückblicke - Die Hochzeit des Thomas Steiner

Wir schreiben Montag, den 30.

Jänner 1950. Es ist ein kalter Wintertag

mit Neuschnee.

Thomas Steiner hatte sich vor vier

Jahren in die damals fünfzehnjährige,

bildhübsche Angela Hofer verliebt und

jetzt beschlossen, sie zu heiraten. An-

gela wohnte mit ihrer Familie auf dem

Kreithof, den ihre Eltern zu der Zeit ge-

pachtet hatten.

Angela kaufte sich für die Hochzeit

Stoff für ein Kostüm, Thomas Stoff für

einen Anzug. Dafür waren 1950 noch

Kleiderkarten notwendig. Thomas‘

Schwester Maridl und sein Schwager

Egon, beide gelernte Damen- und Her-

renkleidermacher in St. Jakob, bekamen

den Auftrag, die Hochzeitsgarderobe zu

schneidern. Thomas konnte sich den

Rock in der Woche vor der Hochzeit ab-

holen, die Hose erforderte noch einige

Änderungen. Auch an Angelas Kostüm

galt es noch, Nähte zu schließen und

Knöpfe anzunähen.

Es wurde vereinbart, das Ge-

wand mit dem Postauto nach Lienz zu

schicken. Eine Tante sollte es am Bahn-

hof abholen und in die Wohnung des

Trauzeugen in die Friedensiedlung brin-

gen. Am Morgen des Hochzeitstages

wartete Thomas dort auf seine Hose, An-

gela auf ihr Kostüm. Umsonst. In letzter

Minute wurde beschlossen, eine Hose

des Trauzeugen anzuziehen. Der hatte

zum Glück noch eine gute zweite. Der

überschüssige Bauchumfang musste

mittels eines Gürtels gebändigt werden.

Angela hatte sich ein hübsches Kleid von

der Frau des Trauzeugen ausgeliehen.

Die Trauung fand in der Klosterkir-

che bei der 8 Uhr Werktagsmesse statt.

Neben den üblichen Gottesdienstbesu-

chern hatten sich die Geschwister von

Angela und Thomas und ein paar Freun-

de eingefunden. Als das frischgetraute

Paar die Kirche verließ, stand die Tante

mit einer großen Schachtel vor dem Por-

tal. Hose und Kostüm hatten sich wegen

des Neuschnees verspätet. Beide über-

lebten den Hochzeitstag ungetragen.

Ein Unbekannter hatte eine wit-

zige Idee für eine Klause. Das „Klau-

semachen“ war damals für manche

eine günstige Gelegenheit, zu etwas

Taschengeld zu kommen. Thomas gab

dem Spaßmacher einen Zwanziger, alles

was er hatte.

Die anschließende Prozedur des Fo-

tografierens bei Baptist zog sich in die

Länge.

Mit dem Zug fuhr das Brautpaar

dann nach Dölsach. Angela hatte zum

Glück Geld für die Fahrkarten einge-

steckt. Zu Fuß stapfte das junge Paar

mit Halbschuhen durch den halb-