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Seite 35

Gemeindezeitung Kartitsch

Feber 2014

einer

neuen

„Feuerwehr-

Zeugstätte“

nör dlich des neuen

Schulhauses. Vermutlich infolge

der politischen Entwicklung wur-

de dieser Neubau jedoch nicht

realisiert, einige Monate später

wurde im oben genannten Keller-

geschoss das

„Feuerwehrdepot“

eingerichtet, bis es im Mai 1915

wegen Konfiszierung des Schul-

gebäudes für militärische Zwecke

wieder geräumt werden musste.

In den Jahren vor dem Weltkrieg

herrschte offensichtlich ein

intak-

tes Vereinsleben

. Besonder s

regen Zuspruchs erfreute sich das

Scheibenschießen

im völlig

neuen, um 1909 errichteten

„k. k.

Gemeindeschießstand“

in der

Schade, heute Neuwinkl. Neben

Kegeln und dem Kartenspiel

zählte es zu den wenigen Frei-

zeitbeschäftigungen im Dorf. Ab

1913 entwickelte sich daraus

das

Standschützenwesen

.

Geschäftsführer des Schießstan-

des war Oberschützenmeister Jo-

sef Strasser, Kapellmeister und

später Hauptmann der Stand-

schützen-Kompanie Lesachtal,

respektvoll

„der Tölle“

genannt.

Sein Antrag um Erteilung des

Gast- und Schankgewerbes wur-

de vom Gemeinderat jedoch zu

Gunsten der bestandenen Gasthö-

fe abgelehnt.

Elektrisches Licht

gab es be-

reits in Toblach, Innichen und

Teilen von Lienz, vereinzelt auch

schon in Abfaltersbach, im Kar-

titsch-Tilliachertal war es „noch

finster“. Wohl aber war man per

Telefon- und Telegramm-

Verkehr

mit der Welt ver bun-

den. Die örtliche Zentrale lag

beim Neuwirt, wofür dieser von

der Gemeinde mit jährlich 40

Kronen entschädigt wurde. Für

die Zustellung einer Telefon-

oder Telegramm-Nachricht wa-

ren vom Empfänger an den

Neuwirt 20 Heller zu berappen.

Die Neuigkeiten entnahm man

dem

„Tiroler Anzeiger“.

Nur in

einzelnen Haushalten wurde die

Zeitung bezogen und zum Lesen

herumgereicht. Ein örtlicher

Gendarmerieposten

bestand

seit 1908.

Im Vergleich zu heute zählte

Kartitsch im Jahr 1914

mehr

Einwohner

, laut Volkszählung

von 1910 nämlich 865. (In Kar-

titsch 774, in Hollbruck 91). Die

überwiegend bäuerliche Bevöl-

kerung lebte sparsam und be-

scheiden und musste sich mit

dem Ertrag aus Feld, Stall und

Wald zufrieden geben. Zum an-

grenzenden italienischen

Come-

lico

gab es, abgesehen von e-

her belanglosen Weidedifferen-

zen,

keine Konflikte

, viele Som-

mer schon kamen Männer und

Frauen vom Cadore über die

grüne Grenze ins Kartitsch-

Tilliachertal und Pustertal zu

Feld- und Waldarbeiten.

Nur

wenige junge Menschen

vom Ort fanden hinaus, etwa

zur Erlernung eines Handwerks

oder akademischen Berufes,

eher noch zum Militärdienst und

im Sommer 1913 sind sogar die

Abhaltung militärischer Übun-

gen in Kartitsch verzeichnet.

Politik

beschr änkte sich auf

nachbarschaftlichen Meinungs-

austausch oder sonntägliche

Gasthaus-Diskussionen und wie

in den Jahren bisher quälten

auch in den Winterwochen von

1914 die vielen

Holzfuhrwerker

mit den langen Muselfuhren flu-

chend die geplagten Zugpferde

beim leichten Anstieg der Ge-

meindestraße

neben

dem

Pfarrwidum

hinauf, sehr zum

Leidwesen des guten, leutseli-

gen, aber bereits kränklichen

Ortspfarrers Josef Herrneg-

ger

, der nicht ver stehen konn-

te, dass

„die Roß“

nur mit Lärm

und Peitsche zu voller Leistung

anzuspornen seien, sondern -

wie er meinte - eher mit Hafer

und gutem Zureden.

Und

nichts

im Tal

deutete auf

Kartitsch um 1912

k. k. Gemeindeschießstand mit Ober-

schützenmeister Josef Strasser um 1914

Pfarrkirche St. Leonhard um 1914

Untertroyerhof um 1914