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Gemeindezeitung Kartitsch
Feber 2014
einer
neuen
„Feuerwehr-
Zeugstätte“
nör dlich des neuen
Schulhauses. Vermutlich infolge
der politischen Entwicklung wur-
de dieser Neubau jedoch nicht
realisiert, einige Monate später
wurde im oben genannten Keller-
geschoss das
„Feuerwehrdepot“
eingerichtet, bis es im Mai 1915
wegen Konfiszierung des Schul-
gebäudes für militärische Zwecke
wieder geräumt werden musste.
In den Jahren vor dem Weltkrieg
herrschte offensichtlich ein
intak-
tes Vereinsleben
. Besonder s
regen Zuspruchs erfreute sich das
Scheibenschießen
im völlig
neuen, um 1909 errichteten
„k. k.
Gemeindeschießstand“
in der
Schade, heute Neuwinkl. Neben
Kegeln und dem Kartenspiel
zählte es zu den wenigen Frei-
zeitbeschäftigungen im Dorf. Ab
1913 entwickelte sich daraus
das
Standschützenwesen
.
Geschäftsführer des Schießstan-
des war Oberschützenmeister Jo-
sef Strasser, Kapellmeister und
später Hauptmann der Stand-
schützen-Kompanie Lesachtal,
respektvoll
„der Tölle“
genannt.
Sein Antrag um Erteilung des
Gast- und Schankgewerbes wur-
de vom Gemeinderat jedoch zu
Gunsten der bestandenen Gasthö-
fe abgelehnt.
Elektrisches Licht
gab es be-
reits in Toblach, Innichen und
Teilen von Lienz, vereinzelt auch
schon in Abfaltersbach, im Kar-
titsch-Tilliachertal war es „noch
finster“. Wohl aber war man per
Telefon- und Telegramm-
Verkehr
mit der Welt ver bun-
den. Die örtliche Zentrale lag
beim Neuwirt, wofür dieser von
der Gemeinde mit jährlich 40
Kronen entschädigt wurde. Für
die Zustellung einer Telefon-
oder Telegramm-Nachricht wa-
ren vom Empfänger an den
Neuwirt 20 Heller zu berappen.
Die Neuigkeiten entnahm man
dem
„Tiroler Anzeiger“.
Nur in
einzelnen Haushalten wurde die
Zeitung bezogen und zum Lesen
herumgereicht. Ein örtlicher
Gendarmerieposten
bestand
seit 1908.
Im Vergleich zu heute zählte
Kartitsch im Jahr 1914
mehr
Einwohner
, laut Volkszählung
von 1910 nämlich 865. (In Kar-
titsch 774, in Hollbruck 91). Die
überwiegend bäuerliche Bevöl-
kerung lebte sparsam und be-
scheiden und musste sich mit
dem Ertrag aus Feld, Stall und
Wald zufrieden geben. Zum an-
grenzenden italienischen
Come-
lico
gab es, abgesehen von e-
her belanglosen Weidedifferen-
zen,
keine Konflikte
, viele Som-
mer schon kamen Männer und
Frauen vom Cadore über die
grüne Grenze ins Kartitsch-
Tilliachertal und Pustertal zu
Feld- und Waldarbeiten.
Nur
wenige junge Menschen
vom Ort fanden hinaus, etwa
zur Erlernung eines Handwerks
oder akademischen Berufes,
eher noch zum Militärdienst und
im Sommer 1913 sind sogar die
Abhaltung militärischer Übun-
gen in Kartitsch verzeichnet.
Politik
beschr änkte sich auf
nachbarschaftlichen Meinungs-
austausch oder sonntägliche
Gasthaus-Diskussionen und wie
in den Jahren bisher quälten
auch in den Winterwochen von
1914 die vielen
Holzfuhrwerker
mit den langen Muselfuhren flu-
chend die geplagten Zugpferde
beim leichten Anstieg der Ge-
meindestraße
neben
dem
Pfarrwidum
hinauf, sehr zum
Leidwesen des guten, leutseli-
gen, aber bereits kränklichen
Ortspfarrers Josef Herrneg-
ger
, der nicht ver stehen konn-
te, dass
„die Roß“
nur mit Lärm
und Peitsche zu voller Leistung
anzuspornen seien, sondern -
wie er meinte - eher mit Hafer
und gutem Zureden.
Und
nichts
im Tal
deutete auf
Kartitsch um 1912
k. k. Gemeindeschießstand mit Ober-
schützenmeister Josef Strasser um 1914
Pfarrkirche St. Leonhard um 1914
Untertroyerhof um 1914