Previous Page  34 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 34 / 36 Next Page
Page Background

Feber 2014

Gemeindezeitung Kartitsch

Seite 34

Das geschah vor 100 Jahren

Kartitsch am Vorabend des

großen Krieges

Es bewegte sich doch einiges im

entlegenen und verträumten Kar-

titsch-Tal, dem hochgelegenen

Seitental des Pustertales im östli-

chen Südtirol mit den Gemein-

den

Kartitsch

und

Hollbruck

- in

den Jahren, die dem großen Mor-

den vorausgegangen sind - und

wohl niemand dachte an Krieg.

Seit 1911 wurde mit Nachdruck

am Bau der Lebensader des Ta-

les, der

„Tilliacher Concurrenz-

straße“

gear beitet, im Sommer

1914 war sie bis Kartitsch-Boden

befahrbar.

Der 1914 bereits beschlossene

Bau einer Zufahrtstraße nach St.

Oswald wurde von der politi-

schen Entwicklung eingeholt,

wohl aber wurde 1913 der für

ganz Kartitsch geltende

Pfarr-

friedhof

in St. Oswald ver gr ö-

ßert, nachdem die erforderliche

Feldfläche hiefür erworben wer-

den konnte.

Wie in ähnlichen Gemeinden

auch musste die

Gemeindever-

waltung

äußer st spar sam ge-

führt werden. Neben Gemeinde-

rat-Sitzungsprotokollen und ein-

fachen

Einnahmen/Ausgaben-

Aufstellungen wurden

kaum

Aufzeichnungen

geführ t.

Trotzdem galt die Gemeindefüh-

rung dieser Jahre als

aufge-

schlossen

. Gemeindevor steher

(Bürgermeister) von 1909 bis

1911 war der Außerwalcherbauer

Peter Köck, ihm folgte der noch

junge Leonhard Wieser, Köcker-

bauer, bis er ob seiner patrioti-

schen Gesinnung 1915 sein Amt

dem versierten früheren Vorste-

her Josef Außerlechner, Trojer

abtrat und freiwillig zu den

Standschützen einrückte.

Bildung

hatte hohen

Stellen-

wert

. Da ein fälliger

Schulhaus

-Neubau

die Gemeindefinan-

zen zu sehr belastete, streckten

vier vermögende Bauern das er-

forderliche Baukapital vor (vlg.

Untergailer, Großmillner, Tomi-

ler und Grandler). Leider kamen

sie durch die Geldmarktentwick-

lung der folgenden Kriegs- und

Nachkriegsjahre zu Schaden.

Für den großzügigen Schulhaus-

Bau mit Lehrerwohnungen und

Gemeindeamt zeichnete der Li-

enzer Maurermeister und Säge-

werkbesitzer Alois Ortner. Das

Baumaterial (Steine) wurde vom

Kalksteinboden im Mittergasser-

feld, etwa 100 m südwestwärts

der

Baustelle

entnommen.

Gleichzeitig wurde hier auch der

benötigte

Kalk gebrannt

und der

Kalkofen noch für einige Jahre

erhalten, wodurch

das „Kalchl“

entstand, bis das Kalkbrennen

wegen Feuergefahr nur mehr im

Winter gestattet und später über-

haupt verboten wurde. Heute

steht dort das Wählamt, HNr.

65.

Nach Fertigstellung und Kollau-

dierung des Schulneubaues und

der Errichtung der Wasserver-

sorgung (offener Brunnen mit

Abfluss) und des Schulgartens

(östlich des Schulgebäudes) wur-

de im Oktober 1913 das neue

Schul- und Gemeindehaus

fei-

erlich eröffnet, die Aufräumung

wurde an Frau Anna Draschl,

Binder übergeben und mit dem

jungen und tüchtigen Schul- und

Chorleiter Christian Oberlohr

schien

der Schulbetrieb

nun für

die nächsten Jahre gesichert. Of-

fensichtlich weniger befriedigten

in der Folge jedoch die schulbild-

nerischen Leistungen der Lehre-

rin T. G., weswegen 1914 ein

Disziplinarverfahren angestrengt

wurde.

Heiß begehrt scheinen auch

freie

Räumlichkeiten

im

neuen

Schulhaus gewesen zu sein.

Bereits Ende August 1913 über-

ließ die Gemeinde der örtlichen

Raiffeisenkasse unentgeltlich das

westseitige Keller- bzw. Erdge-

schoss zur Lagerung von Getrei-

de, Salz, Petroleum und weiterer

Bedarfsgüter zwecks Weiterver-

mittlung an die überwiegend bäu-

erlichen Abnehmer, ein Lebens-

mittelgeschäft bestand damals

noch nicht. In der Folge gab es

Differenzen

mit der Fr eiwilli-

gen

Feuerwehr.

Bei einer vom

Landesausschuss angeordneten

Verhandlung im Frühjahr 1914

einigte man sich zur Errichtung

Gemeindevorsteher Alois Außerlech-

ner, Trojer, Peter Köck, Außerwalch

und Leonhard Wieser, Köcker

Das neue Schul– und Gemeindehaus

um 1914