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Mit Gerhard G. hatte der Ost-

tiroler Bote im Laufe seines Le-

bens immer wieder einmal zu

tun. Über ihn erschien so man-

cher Bericht und etliche Leistun-

gen wurden darin näher be-

schrieben und gewürdigt. Mitt-

lerweile leidet er an einer

schweren Krankheit, die ihn

letztendlich das Leben kosten

wird. „Das erschreckt mich

nicht“, sagt der betagte Osttiroler

und ist davon überzeugt, dass die

„Reise hinüber“ etwas Besonde-

res wird. Denn Gerhard hatte in

seinem irdischen Dasein drei

Nahtod-Erlebnisse, die ihn erah-

nen ließen, dass er nach dem Tod

nicht in ein dunkles Loch fallen

wird. Die erste Nahtod-Erfah-

rung machte er bereits als Ju-

gendlicher. Eine schwere Infek-

tion hatte ihn zum Erliegen ge-

bracht. „Ich sah meine Mutter

weinen und beten. Der Pfarrer

war da und versuchte sie zu be-

ruhigen. Meine Geschwister

weinten auch. Mein Vater war

schon tot“, erzählt Gerhard. Da-

mals war er allerdings nicht bei

Bewusstsein. Die Familie

glaubte, er liege im Sterben. „Als

ich meine Mutter weinen sah, be-

griff ich gar nicht, warum sie das

tut. Ich fühlte mich so unglaub-

lich wohl und hörte eine Stimme,

die mir sagte, dass es für meinen

Tod noch zu früh sei.“

„Sie weinte mehr als

zuvor“

Als Gerhard die Augen auf-

schlug und wieder zu atmen be-

gann, konnte es seine Familie

kaum fassen. „Sie weinte noch

mehr als zuvor. So kam es mir je-

denfalls vor.“ Er musste vom

„Wohlgefühl“ wieder Abschied

nehmen und sogleich tat ihm

wieder jedes einzelne Glied weh.

„Das fühlte sich so nüchtern und

kalt an und machte mich anfangs

richtig grantig“, erinnert er sich.

Seine Gedanken kreisten in spä-

terer Folge immer wieder um das

„Erlebnis“. „Es gehörte nur mir.

Ich erzählte niemanden davon.

Man hätte mich dafür ohnehin

als Spinner abgestempelt.“

Gerhard wurde später Tischler

und gründete eine kleine Familie.

Das Tischlern liebte er über alles,

sodass er auch nach seiner Arbeit

noch in der eigenen Werkstätte

weiterwerkelte. Dort passierte es

eines Tages dann, dass er sich an

einer Maschine so schwer ver-

letzte, dass er sofort das Be-

wusstsein und viel Blut verlor.

Wenig Hoffnung

Seine Frau fand ihn. „Ich sah

sie schreien, sie war in völliger

Panik. Mein Körper lag armselig

auf dem Boden. Überall war

Blut. Aber es berührte mich

nicht, sondern ich schaute nur

von ‚oben‘ herab zu.“ Die her-

beigerufenen Rettungskräfte

waren schnell eingetroffen, der

Arzt gab der Frau wenig Hoff-

nung. „Insgeheim meinte er, dass

ich schon tot sei. Das erzählte er

mir später einmal imVertrauen.“

Doch warum Gerhard dennoch

wieder die Augen aufmachte,

wusste niemand so genau. Am

ehesten Gerhard selbst. „Ich

hatte während meines ‚Ster-

bens‘ oder ‚Fast-Todes‘ wieder

das Gefühl, dass ich wieder auf

die Erde zurück muss, weil es

noch einiges zu erledigen gibt.“

Es dauerte nicht lange, da lag

Gerhard im Straßengraben. Sein

Auto war in der Nacht auf der ei-

sigen Straße mit einem Fahrzeug

kollidiert. Es dauerte eine ganze

Weile bis Einsatzkräfte an Ort

und Stelle gelangten. Während-

dessen war der andere Fahrzeug-

lenker bereits verstorben, Ger-

hards Leben schien ebenfalls am

seidenen Faden zu hängen. „Der

Arzt kämpfte sehr um mein

Leben.“ Gerhard sah sich in die-

ser Zeit gleisendem Licht entge-

gengehen. „Es fühlte sich wie ein

warmer Sog an. Ein unsäglich

schönes Gefühl.“ Plötzlich hörte

er eine Stimme. „Es war meine

Frau, die mich im Krankenhaus

versuchte aufzuwecken, was ihr

sichtlich gelang. Ich freute mich

meine Frau zu sehen. Aber alles

schien so unwirklich.“

Gerhard konnte das Kranken-

haus nach etlichen Wochen ver-

lassen. „Diese schönen Erlebnisse

sind tief in meinem Herzen und

geben mir Sicherheit, dass wir

den Leichnam los zu lassen. „Ich

klammerte mich wie verrückt an

ihn, wollte es nicht glauben, dass

meine Frau von mir gegangen

war. Doch wie aus heiterem

Himmel überkam mich eine sol-

che unglaubliche Ruhe. Ich hatte

zudem das Gefühl, dass mich je-

mand von hinten umarmt. Meine

Frau! Ich spürte sie ganz deut-

lich. Sie wollte sich bei mir

nochmals verabschieden.“

„Sie ‚begleitet‘ mich

bis heute“

Gerhard verließ das Spital tief-

beeindruckt und um einiges we-

niger verzweifelt. „Ich wusste

jetzt, dass meine Frau um mich

herum war und wir uns nach mei-

nem Tod – auf welche Art auch

immer – vielleicht wiedersehen

können.“

Seine Frau begleite ihn bis

heute. „Das spüre ich ganz genau.

Ich rede oft mit ihr. Und tief in

meinem Inneren höre ich sie zu

mir sprechen. Ich fühle mich mit

ihr noch mehr verbunden als je

zuvor.“ Gerhard bekommt mitt-

lerweile sehr schlecht Luft. Das

stört ihn sehr. Doch der Gedanke

an den Tod bringt ihn zur Ruhe

wie einst den Dichter Johann

Wolfgang von Goethe, der

schrieb: „Ich habe die feste

Überzeugung, dass unser Geist

ein Wesen ist, ganz unzerstörba-

rer Natur. Es ist ein fortwirken-

des, von Ewigkeit zu Ewigkeit, es

ist der Sonne ähnlich, die bloß in

unsern irdischen Augen unterzu-

gehen scheint, die aber eigentlich

nie untergeht, sondern unaufhör-

lich leuchtet.“ Martina Holzer

Gerhard G. (Name von

der Redaktion geändert)

aus dem Oberland weiß,

dass er bald sterben

wird. Das Loslassen fällt

ihm jedoch nicht schwer,

denn seine Nahtod-

Erlebnisse in der Ver-

gangenheit gaben ihm

das Gefühl, dass der Tod

nicht das Ende ist.

Darstellung des göttlichen Lichts. Gerhard ging bei seiner dritten

Nahtod-Erfahrung einem gleisenden Licht entgegen, bevor er im

Krankenhaus wieder aufwachte.

Der Begriff „Nahtod-Erlebnis“

wurde bereits im 19. Jahrhun-

dert geprägt, als der Schweizer

Geologe Albert Heim eine

Eigenerfahrung und Zeugenaus-

sagen seiner Klettergefährten

über Erlebnisse nach Abstürzen

protokollierte und publizierte.

nach dem Tod weiterbestehen.

Als was und wie auch immer.

Das konnte ich während der Nah-

tod-Erlebnisse nie erfassen.“

„Mir raubte ihr Tod fast

den Verstand“

Als eines Tages bei seiner Frau

eine unheilbare Krebserkran-

kung festgestellt wurde, brach

für Gerhard allerdings eine Welt

zusammen. „Ich liebte meine

Frau so sehr und meinte ja zu

wissen, dass sie es nach dem Tod

gut haben werde. Aber mir

raubte der Gedanke, sie während

meines irdischen Lebens nicht

mehr bei mir haben zu können,

fast den Verstand. Ich litt ganz

furchtbar.“ Nach drei Monaten

musste Gerhard von seiner Frau

endgültig Abschied nehmen. Sie

verstarb in seinen Händen. „Ich

erzählte ihr zuvor noch, was ich

erlebt hatte. Und sie glaubte mir

und starb mit einem Lächeln im

Gesicht.“ Gerhard fiel es schwer

„Mir fällt das Loslassen nicht schwer“

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NOVEMBER/DEZEMBER 2016

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