HB 2015 05 - page 4

üblich, weil sie billig und wirksam war
und andererseits das Gewicht des Schlit-
tens nicht erhöhte.
Mit einer Aufzugsrarität schließe ich die
Arbeit übers „Holzzoihin“ ab. Der Besitzer
des Schustergutes imWeiler Linden/St. Veit
benützte einen Feldaufzug mit Handbetrieb,
mit dessen Hilfe es möglich war, das Heu
vom sehr steilen „Schusterroan“ in das Fut-
terhaus hinaufzuziehen. Diese Leite ist nach
dem Zweiten Weltkrieg aufgeforstet worden
und heute ein schöner Wald. Die Besonder-
heit der Anlage ist der Handbetrieb der Zug-
vorrichtung und das Zugseil aus Flachs, ein
Strick von ca. 180 m Länge oder sogar
etwas mehr und dies bei 100 Höhenmetern!
Das sind 18 Stück gespleißte Heustricke
von je 10 m. Auf einer Seiltrommel mit
etwa 80 cm Durchmesser, die in ca. 2,50 m
Höhe auf dem lotrechten Wellbaum steckte,
wurde das Zugseil aufgewickelt bzw. abge-
spult. Im Wellbaum war in beiden Enden
ein Zapfen eingearbeitet, welcher sich im
Tennenboden und oben in einem befestigten
Vierkantholz drehte. Etwa in Brusthöhe war
durch ein Loch im Wellbaum eine Holz-
stange gesteckt, sodass zu beiden Seiten
eine Person im Kreis gehend die Seiltrom-
mel drehen konnte. Stand nur eine Arbeits-
kraft zur Verfügung, wurde die Stange
durch Herausziehen verlängert. Damit ver-
größerte sich der Hebel, man sparte Kraft,
hatte jedoch einen größeren Kreis zu gehen.
Viele Runden waren nötig bis das Trogitle
(Heuballen) über den letzten Seilschuh in
die Tenne rutschte. Für das Hinunterrollen
des Seilwagens auf dem 8 bis 10 mm dicken
Draht wurde die Stange aus demWellbaum
herausgenommen. Mit einer einfachen
Schleifbremse konnte das Tempo geregelt
werden. Dieser Aufzug war trotz Elektrifi-
zierung noch Jahre im Einsatz. Die Ursache
dürfte die Stromknappheit gewesen sein, so-
dass die Anschaffung eines E-Motors nicht
sinnvoll erschien.
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Anmerkungen:
1
Nach meiner Verwundung bei Dnipropetrovsk hielt ich
mich zu Weihnachten 1943 daheim auf Genesungsurlaub
auf. Es waren die ersten schneefreien Weihnachten seit
Menschengedenken, wie die St. Veiter sagten. Man wusste
nicht, wie man das Bergheu herunterbringen sollte.
2
Ein Gleichstrommotor benötigte zum Start einen „An-
lasser“. Das ist ein vorgeschalteter Widerstand, der die
Betriebsspannung stufenweise zur vollen Leistung erhöht.
3
Die noch unbewachsene Mauer errichteten italienische
Kriegsgefangene im Ersten Weltkrieg. Das erzählte meine
Mutter. Ein Gefangener habe in einem großen Kessel den
ganzen Vormittag „Plenten“ (Polenta) gerührt. Das Foto
dürfte bald nach 1920 aufgenommen worden sein. Als ich
ab 1928 zur Schule ging, wuchsen darauf „Boaslbeeren-
stauden“ (Berberitzen).
4
Meine Großmutter war eine tüchtige Frau. Sie wurde ein
Opfer der Grippeepidemie vom Feber 1929. Sie hat wohl
auf meinen vierzehn Monate alten Bruder aufgepasst,
während ich, damals sieben Jahre alt, an diesem Don-
nerstag im Jänner beim Holzziehen war.
5
Mein Vater hatte beim Güterwegbau Arbeit bekommen.
An den Wochenenden flickte er gelegentlich Schuhe.
Ich war mit ein bis zwei Paaren zu Schusters unterwegs
und sah den Aufzug in Betrieb. Also stillte ich meine
Neugierde und ging in die Diele. Jetzt konnte ich endlich
sehen, wie dieser funktioniert. Die Bäurin sah mich und
sagte: „Komm’ her und hilf mir.“
OSTTIROLER
NUMMER 5/2015
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HEIMATBLÄTTER
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: OSR
Hans Kurzthaler, VS-Direktor i. R., A-9904
Thurn, Dorf 62.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini,
A-6176 Völs, Albertistraße 2 a.
ihm die Vereisung genügte. Nun holten wir
das Holz und zogen den damit beladenen
Schlitten auf der schneebedeckten Land-
straße zur Talstation des Aufzugs neben
Miller Raut. Er glitt kräftesparend dahin.
Die Vereisung musste nach jeder Fuhre er-
neuert werden, weil die Eisschicht ver-
braucht war. Diese Vereisungsmethode war
Die erste Kehre des Güterweges ins Kurztall wurde 1932 ohne Baumaschinen errichtet.
Sie besteht aus zwei Trockensteinmauern, wobei der Zwischenraum hinter der am Foto
sichtbaren Mauer nach Aussage eines Zeitzeugen mit großen und kleineren Bruchsteinen
gefüllt wurde. Durch den Bau der Landesstraße nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die-
ser Güterweg überflüssig.
(Sammlung Hans Kurzthaler)
Foto: DI Christian Kurzthaler
Die heutige neue Straße ist mehrere Höhenmeter oberhalb des alten Güterweges neu
angelegt worden; sie führt ebenfalls um das „Toteneggele“ am Taller/Kofl vorbei nach
St. Veit. Die alte Trasse ist deutlich ersichtlich.
(Sammlung Hans Kurzthaler)
Foto: DI Christian Kurzthaler
Zeichnung des Aufzugs beim Schuster in Linden, nach der Erinnerung festgehalten von
Hans Kurzthaler.
(Sammlung Hans Kurzthaler)
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