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seilbahn) 1928 hinauf nach Ratschitsch
fand man eine Lösung:
Da an der westlichen Wiese die Bö-
schungshöhe zum Fluss klein war und ab
Oktober die Wasserführung gering, wurde
mit Langholz ein Steg gebaut, auf dem
dann nach Schneefall die Heu- und Streu-
fuder zum nahegelegenen Aufzug gezogen
werden konnten. Der lange Umweg über
die Stanzbrücke war Vergangenheit. Bevor
die Schneeschmelze einsetzte, wurden die
Stämme wieder am rechtsseitigen Ufer für
den nächsten Winter gelagert.
Wie war das nun mit dem
„Holzzoihin“?
Es war die Zeit der großen Not und Ar-
beitslosigkeit nach dem Börsenkrach im
Jahr 1928. Die Eltern hatten nicht das
Geld, den Aufzug nach Ratschitsch in An-
spruch zu nehmen. Eine Fuhre kostete 50
Groschen. Sie taten das, was vor Inbe-
triebnahme des Aufzuges die Ratschitscher
hatten tun müssen: Holz hinaufziehen.
Dabei sind 150 Höhenmeter und ca. 1 km
Wegstrecke zu bewältigen! Es wird ein kal-
ter Donnerstag im Jänner gewesen sein,
weil die Fortbildungsschüler zur Schule
mussten. Bis zum Wetschetkreuz zog der
Vater den Schlitten, dann konnten wir auf-
sitzen. Er lenkte und Mama saß mit mir auf
dem hinteren Jochbalken. Der Weg wird
wohl gut und die Fahrt fein gewesen sein!
Als Fußbekleidung dienten die Fotschin
(handgemachte Hausschuhe mit Oberteil).
Die Eltern werden wohl Schuhe gebraucht
haben, wahrscheinlich auch Fußeisen, um
beim Ziehen Griff zu haben. Ich bekam
einen Strick mit geknüpfter Schleife zum
„einschliefen“, welcher zwischen den
Eltern am Holz festgebunden war. So war
ich nützlich „aufgehoben“. Wie oft die Eltern
wohl haben rasten müssen? In Erinnerung
ist mir geblieben, dass beim Wetschet-
roandl einige Hölzer abgeladen worden
sind, damit das Steilstück bewältigt werden
konnte. Wann diese Hölzer zum Haus ge-
holt wurden, weiß ich nicht mehr.
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Fünf Jahre später war ich dem Vater
schon eine Hilfe. Er hatte beim Güter-
wegbau nach St. Veit Arbeit bekommen
und verdiente als Familienerhalter 70 Gro-
schen für die Arbeitsstunde und war kran-
kenversichert. Es galt die 40-Stunden-
Woche. Dieses Einkommen erleichterte
das Wirtschaften beträchtlich. Jetzt hatte
das „Holzzoihin“ ein Ende, weil
50 Groschen in der Geldtasche
waren. Bevor wir von der
„Schattseite“ (Bergflanke süd-
seitig der Schwarzach) das
Brennholz holen konnten,
musste die Sohle des Schlittens
vereist werden. Damit war
weniger Kraftaufwand für das
Ziehen des Schlittens auf der
Schneefahrbahn notwendig.
Von der Stanzbrücke trug der
Vater den Schlitten auf einem
ausgetretenen Weg zum Bach
hinunter und legte ihn mit den
Kufen nach oben in den Schnee. Dann
tauchte er einen Stofffetzen an einem
Stecken ins Wasser und bestrich damit die
aus Holz bestehenden Kufen. Dadurch
wurden diese mit einer dünnen Eisschicht
überzogen. Das wiederholte er so oft, bis
OSTTIROLER
NUMMER 5/2015
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HEIMATBLÄTTER
Das Foto, nach 1929 entstanden, zeigt links am Hangfuß die Fortsetzung des Weges; der
Weg in der Bildmitte wurde später im Zuge des Güterwegebaues übernommen. Der Paar-
hof ist das „Kurztall“.
(Sammlung Hans Kurzthaler)
Foto: Unbek. Fotograf
Ein typischer Heuschlitten, wie er in St.
Veit verwendet wurde. Seine Maße sind:
Länge 2 Meter, Breite 0,8 Meter und die
Jochhöhe beträgt nur 30 cm.
(Sammlung Hans Kurzthaler)
Foto: DI Christian Kurzthaler
Holzbeschaffung
Der Wald oberhalb Ratschitsch deckte
den Holzbedarf nicht immer. Daher war es
nötig, von der Schattseite (Nordhang)
rechts der Schwarzach Brenn- und Nutz-
holz zu beschaffen. Bei den Schläge-
rungsarbeiten waren die Taxen (Fichten-
äste) ein Nebenprodukt, das zu Waldstreu
verarbeitet worden ist: Mittels Barte
(Hackmesser) wurden auf einem Baum-
stamm, der auch als Sitz diente, die Taxen
kleingehackt und in der „Streudriste“ (auf-
geschichtetes Hackzeug mit Dach) ge-
trocknet. Der Transport auf Schlitten zu
den Höfen am Berg erfolgte im Winter.
Dieselbe Mühe war für den Transport
des Wiesenheues nötig, das in Schupfen
zwischengelagert wurde. (Die Wiesen
lagen rechtsseitig der Schwarzach.) Nach
Inbetriebnahme des Aufzuges (Material-
Das Foto von ca. 1930 zeigt die Fortsetzung des Weges aus dem Fretzgraben nach Rat-
schitsch und zum Mullitzgraben (Mullitzbach) hinauf nach Linden und St. Veit. Die Fuder
des Bergheus aus Froditz/Seitenegg wurden in der Ladstatt in der Gritzerklamm auf
Schlitten gezogen und von St. Veit den sehr steilen Winterweg in den Mullitzgraben hin-
untergebremst und anschließend nach Ratschitsch hinaufgezogen.
(Sammlung Hans Kurzthaler)
Foto: Unbek. Fotograf
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