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Rund ums Dorf
Seite 35
November 2018
Neues vom Chronistenteam von Michael Annewanter
„Da bei der Kriegserklärung Italiens im Mai 1915 die k.k.
Streitkräfte nahezu vollständig an der Ostfront standen
und es folglich nicht möglich war, die Landesgrenze ge-
gen Italien mit regulären militärischen Verbänden zu
verteidigen, mussten die Mitglieder aller Schießstands-
gemeinschaften, nämlich die Standschützen, zur Vertei-
digung der Heimat bereit sein. Dem Ruf des Kaisers folg-
ten nicht nur die landsturmpflichtigen Standschützen,
sondern auch Buben, die kaum der Volksschule entwach-
sen waren, Väter, deren Söhne an der Ostfront standen,
Gymnasial- und Hochschüler und nicht zuletzt Greise
und Invaliden. Nach ungefährer Schätzung kamen 45.000
Standschützen, in Bataillone formiert, zusammen, die be-
reit waren, Tirol mit der Waffe in der Hand zu verteidigen;
rund die Hälfte waren Freiwillige. Dieses „letzte Tiroler
Aufgebot“ machte seinem Namen alle Ehre. Dem Feind
gelang es trotz seiner zwanzigfachen Übermacht nicht, in
Tirol einzubrechen.
Die Verteidigung des nördlichen Dolomitengebietes und
des Karnischen Kammes wurde den Bataillonen Enne-
berg (mit Bruneck), Lienz, Sillian, Welsberg, Passeier,
Innsbruck I und II, Silz und Imst zugeteilt. An der Tiroler
Seite des Tilliacher Joches lagerten Standschützen der
Bataillone Lienz und Sillian und warteten auf einen itali-
enischen Angriff. Da dieser Ausblieb, wurden die Vertei-
digungspunkte auf das Joch und die Porzescharte verlegt
und damit die Verteidigungspositionen wesentlich ver-
bessert. Die Italiener unternahmen erst in der zweiten
Junihälfte 1915 ernsthafte Anstrengungen, die Abwehr-
front zu durchbrechen, jedoch ohne Erfolg. Am 15. Juni
versuchten italienische Verbände über das Tilliacher Joch
und über den Kreuzberg einzudringen, aber wieder er-
folglos, denn die dort stationierten Standschützern ga-
ben keinen Meter Boden preis.
In den folgenden Kriegsjahren konnten die Standschützen
die gesamte Kammlinie des Karnischen Kammes nahezu
kampflos in ihre Hand bekommen. Italienische Angriffe
galten wiederholt dem Gebiet um den Kreuzberg und
dem westlichsten Teil des Karnischen Kammes (Filmoor-
höhe, Kinigat, Obstanz, Eisenreich, Hochgränten, Horni-
scheck), waren aber, trotz vieler Opfer auf beiden Seiten,
immer erfolglos. Ebenso konnten die Standschützen, ab
Herbst 1915 unterstützt durch das Infanterieregiment 59
des Bayrischen Leibregimentes, an der gesamten Landes-
grenze jeden feindlichen Einbruchsversuch erfolgreich
Nochmals über die Kriegsereignisse 1915/17 im Tilliacher Dorfertal
von Michael Annewanter
In der November-Ausgabe 2017 konnten wir einen Bericht über ein Soldatenleben im Krieg 1915/17- Kreuzer Blasius aus
Lienz- im Tilliacher Dorfertal bringen. In Ergänzung dazu bat ich Dr. Egon Kühebacher aus Innichen um einen geschicht-
lichen Rückblick der Ereignisse in dieser Zeit in eben diesem Kampfgebiet- er schreibt:
abwehren. Im Gebiet des Karnischen Kammes östlich der
Filmoorhöhe gab es zwar nur kleine lokale Gefechte, die
jedoch weiterhin die Anwesenheit einer schlagkräftigen
Verteidigungsmannschaft notwendig machten, da die Of-
fiziere einen italienischen Angriff nicht für ausgeschlos-
sen hielten, während die geländekundigen Standschützen
des in Bereitschaft stehenden Verteidigungskommandos
nicht die leiseste Angst vor dem Feind zeigte, mochten
auch die italienischen Alpini gefürchtete Soldaten gewe-
sen sein. Die italienische Kanone im Val Visdende schick-
te zwar von Zeit zu Zeit einige Granaten, die aber an der
italienischen Seite des Karnischen Kammes einschlugen,
und die Alpini übten durch zeitweiliges Beschießen des
Tilliacher Joches und der Porzescharte wahrscheinlich
nur ihre Treffersicherheit. Wie nachweislich an anderen
Stellen der Südfront, kam es wohl auch hier vor, dass sich
Standschützen mit Alpini am Joch trafen; die ausgehun-
gerten Standschützern bekamen von den italienischen
Kollegen Brot und gaben ihnen dafür Rauchwaren – so
edel und ritterlich wurde damals gekämpft.
Folglich gestaltete sich das Soldatenleben bei und über
dem Klapfsee, von wo aus die Steige zu den beiden ge-
nannten Übergängen ins feindliche Gebiet abzweigten,
weitgehend recht friedlich. Zudem war man vor Fernge-
schossen des Feindes in diesem Gelände hinter riesigen
Felsbrocken gesichert (z.B. großer Stein mit gemeißelter
Schrift des Blasius Kreuzer).
Man könnte jedenfalls immer wieder fündig werden,
wenn man im weiten Gelände unterhalb des Tilliacher
Joches und der Porzescharte, sowie im gesamten Raum
des Dorfertalschlusses nach allerlei Relikten aus dem Ers-
ten Weltkrieg suchen würde. So gibt es unter anderem
eine stark überwachsene Geländeecke, an der sich die
Soldaten baden konnten (Bild). Solche Stellen sollten als
Denkmäler an das einstige Standschützenleben sichtbar
gemacht, gepflegt und mit angebrachten Schrifttafeln er-
klärt werden, zudem sollten Richtungspfeile darauf hin-
weisen. Auch Geschossteile, Barackenreste sowie andere
bei Suchaktionen entdeckte Relikte sollten gesammelt
und geborgen werden. Die Obertilliacher Schützenkom-
panie hätte da ein weites Betätigungsfeld“.
Bericht: Egon Kühebacher