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Das heute wieder populärer

gewordene Fasten, eine freiwil-

lig auferlegte Krisensituation,

ist seit alters her ein Weg, um

mit Mangelsituationen in

bewusster Weise fertig zu wer-

den. Dabei stellen sich oft Span-

nungen und Unwohlsein in den

ersten drei Tagen ein, wenn der

Organismus erst wieder lernen

muss, auf Energiebereitstellung

aus eigenen Reserven umzustellen. Nach drei Tagen schlägt

dieses Unwohlsein in ein sehr gesundes Verhalten um. Er

fängt jetzt nämlich an, all das abzubauen, womit er in der

Vergangenheit nicht recht fertig werden konnte. Auf der

Suche nach Brennmaterial werden alte Schlackenherde

und überflüssiges Narbengewebe abgetragen

.

Wie bei einem Haushalt in wirtschaftlichen Krisenzeiten wird

jetzt auf angelegte Reserven zurückgegriffen und alles, was

überflüssig ist, wird verbrannt. Hieraus ergibt sich die tiefge-

hende Reinigung der Gewebe, die wir regelmäßig beim Fasten

beobachten. Das ein solcherart entschlacktes Körperhaus auch

für die Seele zur angenehmen Wohnstatt wird, liegt auf der

Hand. Dies zeigt sich auch darin, dass die Seele die Gelegen-

heit beim Schopfe packt und die Klärung von Gefühlsverwir-

rungen wie auch die – meist sanfte – Entladung von

Emotionsstaus während der Fastenzeit in Angriff nimmt. Ent-

schlackung auch für die Seele von angesammeltem unerledig-

tem und völlig unnötigem Seelenmüll. Bewusstes Fasten führt

ganz von selbst dazu, dass neben den Kleidern auch das

Bewusstsein weiter wird. Das wiederum wird die Zeit nach

dem Fasten ganz selbstverständlich zu einer besonders wachen

und bewussten Zeit machen, was sich zum Beispiel auch dauer-

haft in bewusstem Essen – weniger, qualitativ guter, vorwie-

gend basischer Lebensmittel – niederschlagen kann.

In dem kleinen, im Himalaja lebenden Volk der Hunza, das bis

Mitte des letzten Jahrhunderts abgeschnitten von den Segnun-

gen der Zivilisation lebte und aufgrund seiner kargen Lebens-

verhältnisse jedes Frühjahr zu einer Fastenzeit gezwungen war,

gibt es eindrucksvolle Beispiele für fast unverwüstliche

Gesundheit. Die Menschen werden steinalt und kennen keines

der typischen Zivilisationssymptome. Herzinfarkt und Krebs

sind ebenso unbekannt wie jede Form von Kriminalität - so war

es zumindest.

Fasten erscheint vielen modernen Medizinern offenbar zu ein-

fach, zu billig und vor allem zu unprofessionell, denn in den

meisten Fällen braucht man für diese Behandlungsart auch kei-

nen Arzt. Im Gegenteil: Ärzte müssen sich darauf gefasst

machen, dass sie einige Patienten verlieren – die nämlich, die

über diesen Weg Kontakt finden zu ihrem „Inneren Arzt“, wie

Paracelsus die Heilkraft nannte, die in jedem von uns schlum-

mert. Fasten weckt den inneren Arzt und spricht den archety-

pisch weiblichen Pol in uns an, dem es nicht ums Machen, son-

dern viel eher ums Loslassen geht. Dadurch werden wir ganz

nebenbei sensibler und empfänglicher für Signale aus dem

eigenen Innern und erhalten so die Chance, wieder in Kontakt

mit unserer inneren Stimme und „den Träumen der Nacht“ zu

kommen. Sobald ein verlässlicher Draht zum eigenen inneren

Arzt besteht, werden äußere Ärzte weniger notwendig. Nicht

mehr gebraucht zu werden, ist aber eine Horrorvision der aller-

meisten Menschen, auch der Ärzte.

So gibt es noch immer ärztliche Kollegen, die vor dem Fasten

warnen und sich damit in Widerspruch zu allen großen Religio-

nen und spirituellen Traditionen setzen. Sie tun es mutig und

engagiert, wohl auch mit dem Ziel, die eigene Notwendigkeit

zu erhalten. Sie warnen meist vor den Symptomen des Fasten-

beginns oder den längst widerlegten Muskelabbautheorien.

Die Menschheit hat über Jahrtausende Erfahrungen mit dem

Fasten gemacht. Was sie dagegen nicht kennt und womit sie

nicht umgehen kann, ist jener Überfluss, der uns gegenwärtig

in eine Flut von gravierenden medizinischen Problemen treibt

und das noch weiter tun wird.

Trotzdem kann ein Organismus, der nicht an das Fasten

gewöhnt ist, in den ersten drei Tagen Widerstand leisten, und

zwar in Gestalt von Hungergefühlen, Übelkeit, Kopfschmerzen

und harmlosen Kreislaufproblemen. Wie am ersten Schultag ist

es eine reine Frage des Bewusstseins, wann diese überschauba-

ren Dramen wieder nachlassen. Spätestens nach dem dritten

Tag hat der Körper die neue Botschaft angenommen und stellt

den Widerstand ein. Anschließend lebt er sehr gut vom eigenen

Fett, und es gibt keinen Grund, warum ihm dieses schlechter

bekommen sollte als das von Schweinen.

Von jetzt ab geht es den meisten Fastenden sehr gut, und vielen

geht es bereits besser als vorher, weshalb Ärzte von gehobener

Fastenstimmung oder sogar von Fasteneuphorie sprechen,

einem Gefühl der beschwingten Leichtigkeit und beeindruk-

kenden Klarheit in den Gefühls- und Gedankenwelten. Am

Ende, wenn die verbrauchten Kilo in Kalorien umgerechnet

werden (1 Gramm Fett ergibt fast 10 kcal), stellt sich heraus,

dass der Körper jeden Tag ausreichend Kalorien zur Verfügung

hatte, zumal er die gesamte Verdauungsenergie einspart. Diese

Einsparung dürfte – neben einem Anstieg des Wachstumshor-

monspiegels – für die euphorischen Gefühle und vor allem für

den häufig erlebten Energieüberfluss verantwortlich sein. Tre-

ten diese Erfahrungen einmal nicht auf, liegt das zumeist daran,

dass der Organismus den vorhandenen Energieüberschuss für

Reparatur- und Aufräumarbeiten verbraucht, was dann noch

wichtiger ist.

Fastende leben vom eigenen Eingemachten, und vieles hängt

davon ab, was sie so eingemacht haben. Ernährung und

Lebensstil spielen hier eine Rolle, aber auch Schlafdefizite der

Vergangenheit können sich mit Müdigkeit bemerkbar machen.

In jedem Fall finden nun sinnvolle Korrekturen in Regie des

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02/2019

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Gedanken zur Fastenzeit

Die Seite für die Gesundheit

mit Doktor Adelbert Bachlechner