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10/2018
Pflanzen sind mit uns innig ver-
bunden, Pflanzen können spre-
chen. Warum sonst verschenken
wir Blumen, wenn wir Gefühle
und Seelenverbindungen ausdrük-
ken wollen? Warum sonst rührt
eine duftende Wiese ganz tief in
uns etwas an, was wir häufig nicht
in Worte fassen können? Warum
sonst können Pflanzen uns heilen?
Kaum jemand weiß über unsere
Pflanzen so viel zu erzählen wie
WOLF-DIETER STORL – weil er sich intuitiv mit ihnen verbin-
den kann, weil er ein Freund und Verbündeter dieser Wesen ist.
Er öffnet sich den Seelen unserer grünen Verwandten, er spricht
mit ihnen, schwingt sich ein auf ihre Persönlichkeit.
Wenn wir die Pflanzen überhaupt wahrnehmen, so meist nur als
eintönigen Hintergrund. Die grünen Mitbewohner unserer Erde
drängen sich ja nicht auf, sie schreien uns ja nicht an, jagen uns
nicht nach und – abgesehen von Disteln, Brennnesseln oder der
Herkulesstaude – beißen auch nicht. Sie wirken in der Stille. In
dem Sinn gleichen sie den Meistern des Tao, Meistern des Wu
Wei.
Hinter dem schlichten grünen Gewand der Vegetation verbor-
gen, stehen mächtige Meister, Pflanzen-Devas, die uns auf Erden
am Leben erhalten. Atemluft und Nahrung geben sie uns und –
ohne dass wir es wissen – sie tanzen als Traumbilder und Inspi-
rationen durch unsere Seelen.
Wie kann man sich solchen mächtigen Wesen nähern? Wie kann
man mit ihnen bewussten Kontakt aufnehmen? Nun, als allerer-
stes sollte man anhalten, herunterschalten, selber stiller werden,
aus dem Getriebe der Zivilisation mal aussteigen, Uhr ablegen,
MP3-Player aus den Ohren stöpseln, Schuhe ausziehen, sich
neben einer Blume, die einen anspricht, auf den Boden setzen,
den Kopf leer machen und ganz in die Sinne hineingehen. Die
Sinne, nicht das Denken, sind die Tore zur beseelten Natur. Man
braucht vorläufig gar nicht zu wissen, wie die Pflanze, bei der
man sich niederlässt, heißt. Man sieht die Pflanze an, bis das
Sehen ein Schauen wird, schnuppert an ihr, fühlt zärtlich ihre
Oberfläche, betastet sie wie eine Geliebte. Das ist nicht für jeden
einfach. Wenn man gerade den Bauch mit einer üppigen Mahl-
zeit gefüllt hat und mit der Verdauung beschäftigt ist, dann ist es
schwerer. Wenn die Seele aufgewühlt ist, belastet von dunklen
Gedanken, schlechtem Gewissen, Hass, Gier, Neid, dann ist es
unmöglich, in die Wunderwelt der Pflanze einzusteigen. Pflan-
zenschamanen üben sich deswegen in den Tugenden einer
gesunden und lauteren Lebensführung.
Wenn der Einstieg gelingt, dann sieht man Aspekte der Pflanze,
die man nie zuvor gesehen hat. Plötzlich leuchten die Farben viel
intensiver, die Härchen und Fasern gleichen feinen Lichtstrah-
len; man spürt die Lebenskraft, die von der Pflanze ausstrahlt. Es
ist als schaue die Pflanze zurück, als wolle sie wissen, wer da ist,
der sich so intensiv mit ihr beschäftigt. Irgendwie merkt man,
dass man sich nun nicht mehr in der alltäglichen Welt befindet.
Hirnphysiologen würden wahrscheinlich von einer Veränderung
der Hirnstromvorgänge in Richtung eines Alphawellenzustandes
sprechen; oder vom Absinken des Adrenalins, Noradrenalins
und Cortisols und dem Ausschütten von Endorphinen im Blut-
spiegel. Für indianische Medizinmänner tritt man in den heiligen
Bereich der Pflanzengeister ein, man betritt das „Tipi des Pflan-
zenhäuptlings“.
Ein großer Schamane hat die Fähigkeit, mit den Pflanzengeistern
zu sprechen und ihre Geheimnisse, etwa ihre Heilkräfte, zu
erfahren. Nicht durch Versuch und Irrtum, sondern durch die
schamanische Reise in das Reich der Naturgeister und Pflanzen-
devas wurden und werden bei den Naturvölkern die richtigen
Heilpflanzen entdeckt. Das war auch in unserem Kulturkreis in
vorchristlichen Zeiten der Fall.
Pflanzen sind wirklich mehr als sie uns scheinen. Pflanzen sind
Vermittler zwischen der dunklen feuchten Erde und der lichten
Himmelswelt, zwischen dem unbelebten Mineral- und dem
beseelten Tierreich. Sie sind sinnliche-übersinnliche Wesen. Sie
stehen mit einem Fuß in der jenseitigen, mit dem anderen in der
hiesigen Welt und vermitteln zwischen beiden. Sie sind heile
Wesen. Und weil sie heil sind, können sie auch uns heilen, unse-
re leidenden Körper und unsere verwundeten Seelen.
Das und viel mehr sagt der Naturphilosoph und Schamane
WOLF-DIETER STORL in seinen vielen Büchern.
Noch eine nette Geschichte – eine Analogie zu unserem Dasein
auf dieser Welt und unserem Sterben (von Henri Nouwen, Prie-
ster und Psychologe).
Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch
seiner Mutter.
„Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“
fragt der eine Zwilling. „Ja, natürlich, auf jeden Fall! Hier drin-
nen wachsen wir und werden stark für das, was draußen kom-
men wird“, antwortet der andere Zwilling. „Ich glaube, das ist
Blödsinn“, sagt der erste,. „es kann kein Leben nach der Geburt
geben – wie sollte das denn bitteschön aussehen?“
„So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel
heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und
mit dem Mund essen?“
„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund
essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur,
die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die
Nabelschnur ja viel zu kurz.“
„Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein biss-
chen anders.“
„Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von `nach
der Geburt`. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Punktum.“
„Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der
Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mut-
ter sehen werden, und sie wird für uns sorgen.“
„Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist
die denn bitte?“
„Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und
durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!“
„Quatsch! Von einer Mutter hab ich noch nie etwas bemerkt,
also gibt es sie auch nicht.“
„Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen
hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt……“
Pflanzen sind viel mehr als sie scheinen
Die Seite für die Gesundheit
mit Doktor Adelbert Bachlechner