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Seite 22

10/2018

Pflanzen sind mit uns innig ver-

bunden, Pflanzen können spre-

chen. Warum sonst verschenken

wir Blumen, wenn wir Gefühle

und Seelenverbindungen ausdrük-

ken wollen? Warum sonst rührt

eine duftende Wiese ganz tief in

uns etwas an, was wir häufig nicht

in Worte fassen können? Warum

sonst können Pflanzen uns heilen?

Kaum jemand weiß über unsere

Pflanzen so viel zu erzählen wie

WOLF-DIETER STORL – weil er sich intuitiv mit ihnen verbin-

den kann, weil er ein Freund und Verbündeter dieser Wesen ist.

Er öffnet sich den Seelen unserer grünen Verwandten, er spricht

mit ihnen, schwingt sich ein auf ihre Persönlichkeit.

Wenn wir die Pflanzen überhaupt wahrnehmen, so meist nur als

eintönigen Hintergrund. Die grünen Mitbewohner unserer Erde

drängen sich ja nicht auf, sie schreien uns ja nicht an, jagen uns

nicht nach und – abgesehen von Disteln, Brennnesseln oder der

Herkulesstaude – beißen auch nicht. Sie wirken in der Stille. In

dem Sinn gleichen sie den Meistern des Tao, Meistern des Wu

Wei.

Hinter dem schlichten grünen Gewand der Vegetation verbor-

gen, stehen mächtige Meister, Pflanzen-Devas, die uns auf Erden

am Leben erhalten. Atemluft und Nahrung geben sie uns und –

ohne dass wir es wissen – sie tanzen als Traumbilder und Inspi-

rationen durch unsere Seelen.

Wie kann man sich solchen mächtigen Wesen nähern? Wie kann

man mit ihnen bewussten Kontakt aufnehmen? Nun, als allerer-

stes sollte man anhalten, herunterschalten, selber stiller werden,

aus dem Getriebe der Zivilisation mal aussteigen, Uhr ablegen,

MP3-Player aus den Ohren stöpseln, Schuhe ausziehen, sich

neben einer Blume, die einen anspricht, auf den Boden setzen,

den Kopf leer machen und ganz in die Sinne hineingehen. Die

Sinne, nicht das Denken, sind die Tore zur beseelten Natur. Man

braucht vorläufig gar nicht zu wissen, wie die Pflanze, bei der

man sich niederlässt, heißt. Man sieht die Pflanze an, bis das

Sehen ein Schauen wird, schnuppert an ihr, fühlt zärtlich ihre

Oberfläche, betastet sie wie eine Geliebte. Das ist nicht für jeden

einfach. Wenn man gerade den Bauch mit einer üppigen Mahl-

zeit gefüllt hat und mit der Verdauung beschäftigt ist, dann ist es

schwerer. Wenn die Seele aufgewühlt ist, belastet von dunklen

Gedanken, schlechtem Gewissen, Hass, Gier, Neid, dann ist es

unmöglich, in die Wunderwelt der Pflanze einzusteigen. Pflan-

zenschamanen üben sich deswegen in den Tugenden einer

gesunden und lauteren Lebensführung.

Wenn der Einstieg gelingt, dann sieht man Aspekte der Pflanze,

die man nie zuvor gesehen hat. Plötzlich leuchten die Farben viel

intensiver, die Härchen und Fasern gleichen feinen Lichtstrah-

len; man spürt die Lebenskraft, die von der Pflanze ausstrahlt. Es

ist als schaue die Pflanze zurück, als wolle sie wissen, wer da ist,

der sich so intensiv mit ihr beschäftigt. Irgendwie merkt man,

dass man sich nun nicht mehr in der alltäglichen Welt befindet.

Hirnphysiologen würden wahrscheinlich von einer Veränderung

der Hirnstromvorgänge in Richtung eines Alphawellenzustandes

sprechen; oder vom Absinken des Adrenalins, Noradrenalins

und Cortisols und dem Ausschütten von Endorphinen im Blut-

spiegel. Für indianische Medizinmänner tritt man in den heiligen

Bereich der Pflanzengeister ein, man betritt das „Tipi des Pflan-

zenhäuptlings“.

Ein großer Schamane hat die Fähigkeit, mit den Pflanzengeistern

zu sprechen und ihre Geheimnisse, etwa ihre Heilkräfte, zu

erfahren. Nicht durch Versuch und Irrtum, sondern durch die

schamanische Reise in das Reich der Naturgeister und Pflanzen-

devas wurden und werden bei den Naturvölkern die richtigen

Heilpflanzen entdeckt. Das war auch in unserem Kulturkreis in

vorchristlichen Zeiten der Fall.

Pflanzen sind wirklich mehr als sie uns scheinen. Pflanzen sind

Vermittler zwischen der dunklen feuchten Erde und der lichten

Himmelswelt, zwischen dem unbelebten Mineral- und dem

beseelten Tierreich. Sie sind sinnliche-übersinnliche Wesen. Sie

stehen mit einem Fuß in der jenseitigen, mit dem anderen in der

hiesigen Welt und vermitteln zwischen beiden. Sie sind heile

Wesen. Und weil sie heil sind, können sie auch uns heilen, unse-

re leidenden Körper und unsere verwundeten Seelen.

Das und viel mehr sagt der Naturphilosoph und Schamane

WOLF-DIETER STORL in seinen vielen Büchern.

Noch eine nette Geschichte – eine Analogie zu unserem Dasein

auf dieser Welt und unserem Sterben (von Henri Nouwen, Prie-

ster und Psychologe).

Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch

seiner Mutter.

„Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“

fragt der eine Zwilling. „Ja, natürlich, auf jeden Fall! Hier drin-

nen wachsen wir und werden stark für das, was draußen kom-

men wird“, antwortet der andere Zwilling. „Ich glaube, das ist

Blödsinn“, sagt der erste,. „es kann kein Leben nach der Geburt

geben – wie sollte das denn bitteschön aussehen?“

„So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel

heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und

mit dem Mund essen?“

„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund

essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur,

die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die

Nabelschnur ja viel zu kurz.“

„Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein biss-

chen anders.“

„Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von `nach

der Geburt`. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Punktum.“

„Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der

Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mut-

ter sehen werden, und sie wird für uns sorgen.“

„Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist

die denn bitte?“

„Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und

durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!“

„Quatsch! Von einer Mutter hab ich noch nie etwas bemerkt,

also gibt es sie auch nicht.“

„Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen

hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt……“

Pflanzen sind viel mehr als sie scheinen

Die Seite für die Gesundheit

mit Doktor Adelbert Bachlechner